Die Amulettmagier. Natascha Honegger. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Natascha Honegger
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783960741930
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mittlerweile an einer Kette um ihren Hals trug. Da ging ein Ruck durch ihren Körper und plötzlich sank sie nicht mehr. Stattdessen begann sie, nach oben zu treiben.

      „Nicht schnell genug“, schoss es ihr durch den Kopf. Das Amulett zog sie weiter nach oben. Schneller. Voller Angst klammerte sie sich daran fest. Ihre Finger drohten nachzulassen …

      Dann, endlich, durchstieß sie mit dem Kopf die Wasseroberfläche und rang gierig nach Luft. Das Salzwasser brannte in ihren Augen, doch sie hielt sie offen und suchte das Meer nach der Veranza ab. Als sie erkannte, dass das Schiff bereits ziemlich weit entfernt war, packte sie erneut die Verzweiflung. Tränen traten in ihre Augen und wuschen das Salz heraus.

      „Hilfe! Ich kann nicht schwimmen! Hilfe! Hört mich denn niemand?“, brüllte sie, so laut sie konnte.

      Doch niemand schien ihre Rufe zu hören. Isa spürte, wie der Zauber ihres Amuletts langsam schwächer wurde. Das Kleid zog sie immer noch nach unten und sie würde nicht die Kraft haben, sich alleine oben zu halten.

      „Hilfe!“, schrie sie erneut, schluckte Salzwasser und begann zu husten. „Verdammt! So helft mir doch endlich.“ Doch niemand beachtete sie, kein Mensch war an Deck zu sehen. Noch mehr Tränen liefen über ihre Wangen. „Ich will noch nicht sterben!“, kreischte sie.

      „Jerino! Hilf mir, ich kann nicht schwimmen!“

      Die letzten Worte rief sie in Gedanken, doch sie spürte, dass irgendetwas anders war als sonst. Es war, als hätte jemand eine Art Hebel umgelegt. Und sie spürte die gedankliche Aura eines anderen in ihrer Nähe. Jerino!

      Und er antwortete ihr. In Gedanken! In ihrem Unterbewusstsein erschrak sie darüber, aber eigentlich war sie einfach nur froh, seine Stimme zu hören. Doch die Antwort war sehr schwach. Er schien weit entfernt zu sein, so, als befände er sich kurz vor einer Ohnmacht:

      „Isa? Bist du das? Ich kann dir nicht helfen. Isa, die Meuterei, sie hat begonnen, sie haben mir das Amulett abgenommen. Wir sind eingesperrt!“

      Verzweiflung schlug über ihr zusammen. Es war vorbei. Sie musste nicht mehr kämpfen. Sie würde sterben!

      „Isa, gib nicht auf! Denk an dein Amulett, es kann dir helfen! Benutze es!“

      Jerinos Stimme holte sie aus dem dunklen Loch der Hoffnungslosigkeit zurück. Sie wollte ihm gerade etwas antworten, als die Verbindung abbrach. Er war fort, doch Isa war fest entschlossen, nicht zu sterben.

      Sie konzentrierte sich stärker denn je auf ihr Amulett. Jerino hatte ihr Mut gemacht. Sie würde den Meuterern zeigen, dass es gefährlich war, sich mit ihr einzulassen. Schließlich war sie eine Magierin, eine Amulettmagierin noch dazu.

      Isa suchte die Quelle ihrer Magie, diesen Strom aus Energie, der durch ihren Körper floss, dann stellte sie sich vor, der Wind trüge sie zum Schiff zurück. Kurz flackerte ein Bild vor ihr auf und die Worte kamen ihr ohne Mühe über die Lippen, Worte, die sie nicht verstand, Worte, die die Kraft hatten, Magie freizusetzen:

      „Santendra Equantir!“

      Isas Körper begann aufzusteigen, kam aus dem Wasser und schwebte leicht wie eine Feder in der Luft. „Oh!“ Isa blickte fassungslos auf ihren schwerelosen Körper hinab und konnte kaum glauben, was sie da sah. Sie konnte fliegen!

      Das teure Kleid flatterte um ihre Beine, als sie höher und höher stieg. Der Wind trug sie mit sich, nahm sie hinfort, und erst als sie über dem Schiff schwebte, stieß sie mit einem lauten Schrei von oben herab. Sie sah ein erschrockenes Gesicht, das zu ihr hochblickte, dann gab der Mann einen lauten Warnschrei ab.

      „Mist“, knurrte Isa wütend und ließ sich kurz vor dem Schiff erneut in die Luft tragen. Ihre Augen begannen, vor Wut zu glühen und sie spürte, dass der Zorn die Kontrolle über ihren Körper gewonnen hatte. Alle Atemübungen wären jetzt vergeblich gewesen.

      Einige Männer stürzten an Deck, um nachzusehen, was ihren Kumpanen so erschreckt hatte. In diesem Moment stieß Isa erneut auf das Schiff hinab. Warnschreie ertönten und Messer kamen geflogen. Doch Isa verzog keine Miene. Sie wich den scharfen Klingen aus, zischte einige Worte und plötzlich drehte sich ein kleiner Wirbelsturm auf dem Deck. Schon sprangen die ersten Männer schreiend über Bord, doch Isas Aufmerksamkeit galt mittlerweile nur noch einem einzigen Meuterer. Er sah genauso skrupellos aus wie alle anderen, doch Isas feines Gespür sagte ihr, dass er es war, der Jerinos Amulett trug. Sie konnte die Magie spüren, die wie Hitzewellen von ihm ausstrahlte.

      Isa raste wie ein böser Geist auf diesen einen Matrosen zu. In letzter Sekunde konnte sie der Klinge ausweichen, die plötzlich in seiner Hand erschienen war, dann riss sie ihn auch schon zu Boden. Geschickt entwand sie sein Messer.

      „Wo ist das Amulett? Gib es mir“, schrie sie ihn wütend an und presste das kalte Metall an seinen Hals. Ihre Augen funkelten so hell, wie die Sterne in tiefdunkler Nacht.

      „Tu mir nichts!“, stotterte er und Schweiß rann über seine Stirn.

      „Gib mir das Amulett! Sofort!“

      Zwei Männer näherten sich ihr von der Seite und zogen ihre Aufmerksamkeit auf sich. Isa kniff zornig die Augen zusammen, als sie ihre Absicht erkannte.

      „Nein, das werdet ihr nicht tun!“ Mit gewaltiger Kraft schleuderte sie ihre Magie gegen die Meuterer und fegte die beiden mühelos über Bord. Währenddessen hatte der Mann, den sie noch immer nach unten drückte, versucht, ihr Amulett zu stehlen. Doch er hatte sie unterschätzt. Sie schlug ihm die Faust ins Gesicht und sein Kopf prallte hart auf dem Boden auf.

      „Gib mir SOFORT das Amulett!“ Der Mann schwieg. Nun, wenn er es ihr nicht freiwillig geben wollte, musste sie es sich einfach selbst nehmen.

      „Sarza erilon!“

      Der Mann zuckte zusammen in der Erwartung, der Zauber hätte ihm gegolten. Erst dann bemerkte er, dass das Mädchen bereits wieder in der Luft schwebte. In einer Hand hielt es das Amulett des Jungen, die andere hatte es ausgestreckt. Seine Röcke wirbelten im Wind und seine Haare vollführten wie Schlangen einen Tanz um sein Gesicht. Der Matrose erzitterte beinahe vor Ehrfurcht. Das Mädchen sah aus wie eine wütende Göttin. Dann erfasste ihn ein starker Windstoß.

      Als sie Jerinos Amulett in Händen hielt, schwebte Isa bereits wieder über dem Schiff. Der Mann, der es gestohlen hatte, blickte zu ihr hoch und sie glaubte, so etwas wie Ehrfurcht in seinem Blick zu lesen. Doch das war ihr egal! Mit einem wütenden Aufschrei und den passenden magischen Worten fegte sie ihn und alle übrig gebliebenen Matrosen über die Reling ins Meer. Dann ließ sie sich auf das Deck zurücksinken und versuchte vergeblich, ihr rasendes Herz zu beruhigen.

      „Jerino, kannst du mich hören?“

      „Isa?“

      Seine Stimme erklang in ihrem Kopf. Glaubte sie das nur, oder hörte sie sich bereits etwas kräftiger an?

      „Wie viele Matrosen sind bei euch?“

      „Ich weiß nicht genau. Aber gegen unsere Magie haben sie keine Chance.“

      Er hielt inne.

      „Was ist passiert? Hast du diesen Lärm veranstaltet? Es hat sich angehört, als würde das ganze Schiff in Stücke gerissen werden!“

      Seine Stimme klang amüsiert.

      „Ich habe nur ein wenig aufgeräumt.“

      Isa lächelte. „Ein wenig“ war vielleicht nicht der richtige Ausdruck, aber egal.

      „Hast du mein Amulett? Meine Kräfte erneuern sich so schnell, als würde ich es selbst bei mir tragen.“

      „Natürlich.“

      Isa drehte das warme Gold nachdenklich zwischen ihren Fingern.

      „Wo genau seid ihr? Dann kann ich euch helfen.“

      „Nicht nötig. Ich denke, ich schaffe das auch allein. Warte eine Minute, dann sind wir bei dir.“

      „Verstanden.“