Die Amulettmagier. Natascha Honegger. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Natascha Honegger
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783960741930
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sie wollte!

      Jerino blieb keuchend stehen. Oder war es ihm doch nicht so egal? Immerhin war sie so wie er … anders. Sein Gehirn arbeitete auf Hochtouren. Wieso reiste sie nur mit diesen zwei Pecunabundas? Sie schien nicht die Art von Person zu sein, die Aufpasser brauchte.

      Jerino rannte weiter. Vielleicht war das, was sie ihm erzählt hatten, eine Lüge gewesen, um ihn in eine Falle zu locken? Aber das ergab keinen Sinn. Wieso hätten sie ihn dann aus dem Gefängnis herausgeholt?

      Und da war noch Isas Magie. Leicht wie Luft umgab sie sie, und knisternd wie die Energie der Blitze.

      Jerino war ratlos. Das erste Mal in seinem Leben war er ratlos. Was sollte er bloß tun? Aus der Stadt verschwinden? Irgendwo untertauchen?

      Über eine Leiter verließ er das Labyrinth der Diebe und überquerte eine breite Straße.

      Wieso hatte er nur versucht, die junge Dame in dem blauen Kleid zu bestehlen? Wieso war ihm nicht aufgefallen, dass sie keine Adlige war? Er hatte gespürt, dass sie anders war als die anderen reichen Damen. Sie war aufmerksam gewesen, hatte sich immer wieder umgeschaut, doch gerade das hatte er als Herausforderung angesehen.

      Jerinos Gedanken wirbelten wirr durcheinander und er spürte, dass er davon Kopfschmerzen bekam. Er huschte über ein Dach hinweg, sprang auf eine Mauer und kam schließlich federnd auf dem Untergrund auf.

      Isa hatte ihn sogar angegriffen. Noch immer erinnerte er sich an das reiche Mädchen, das ihn voller Hass in den Augen anblickte und ihn dann angesprungen hatte, als hätte es schon viele Kämpfe ausgefochten. Und dann, ganz plötzlich, als es die Tasche wieder in der Hand gehabt hatte, war der Hass verschwunden gewesen … und er, der Dieb, vergessen.

      Diese Isa war keine Adlige, konnte es unmöglich sein.

      Immer wieder spukte ihr Bild durch seinen Kopf und wollte ihn einfach nicht loslassen. Sollte er wirklich einfach so verschwinden? Oder sollte er zu dieser außergewöhnlichen Familie zurückkehren? Er würde sie finden. Denn es gab nur einen einzigen Gasthof in der ganzen Stadt, der für diese Leute infrage kam ...

      *

      Jerino

      Als die Familie Aleander den Gasthof erreichte, ging es auf Mitternacht zu. Jerino war verschwunden und nicht wiedergekommen. Die Stimmung der drei war auf einem Tiefpunkt angelangt und Massimo und Vega hatten seither kein Wort mehr gesprochen. Auch Isa schwieg. Insgeheim ärgerte sie sich darüber, dass sie ihn nicht zurückgehalten hatte. Andererseits war er ein freier Mensch mit einem eigenen Willen. Wenn er vor seinem Schicksal fliehen wollte, sollte er es eben versuchen! Früher oder später würde es ihn doch einholen.

      Als Isa nach diesem ereignisreichen Tag in ihrem Bett lag, konnte sie noch lange nicht schlafen. Das Bild Jerinos spukte ununterbrochen durch ihre Gedanken und seine leuchtenden Augen wollten sie nicht loslassen. Dummer Junge! Begriff er nicht, wie wichtig das alles war? Was hier geschah, würde nicht nur Isas oder Jerinos Zukunft verändern, sondern auch die aller anderen Bewohner Arias. Denn erst wenn Salsar gestürzt war, würde die Gerechtigkeit in die Städte und Dörfer des Landes zurückkehren können.

      Isa dachte noch eine geraume Weile darüber nach, dann überwältigte sie die Müdigkeit und sie versank in wirren, unruhigen Träumen über Magier und Amulette. Und immer wieder waren da diese meerfarbenen Augen …

      Als Isa erwachte, war es draußen noch tiefe Nacht. Was hatte sie aus dem Schlaf gerissen? Ein Geräusch, irgendein Laut, der nicht hierher gehörte? Sie lauschte. Ja, es hörte sich so an, als würde jemand leise gegen die Scheibe ihres Balkons klopfen! Isa erstarrte. Einbrecher?

      Langsam erhob sie sich von ihrem Bett und schlich zur gläsernen Tür. Dann spähte sie vorsichtig um die Ecke nach draußen. Vor Schreck hätte sie beinahe laut aufgeschrien. Eine Gestalt lehnte am Fenster und blickte ihr direkt in die Augen. Dann erkannte sie ihn.

      „Du!“ Wütend riss sie die Tür auf und stieß ihren Finger so hart gegen seine Brust, dass er nach hinten taumelte. „Wie kannst du es wagen, einfach so zu verschwinden und mitten in der Nacht hier wieder aufzutauchen!?“

      „Ich sehe, du freust dich riesig, mich zu sehen“, meinte er sarkastisch und hob beschwichtigend die Hände. „Ich musste mir das alles erst einmal überlegen, verstehst du?“

      „Nein.“ Sie warf ihm einen weiteren vernichtenden Blick zu, dann ließ sie die Hand sinken.

      „Aber ich freue mich, dass du zurückgekommen bist, Jerino.“

      Während der nächsten halben Stunde erfuhr Isa, dass Jerino sein Amulett für gewöhnlich nicht bei sich trug. Zu groß war die Gefahr, dass sie ihn schnappten. Bis vor Kurzem war das kein Problem gewesen, doch seit seinem dreizehnten Geburtstag hatte sich einiges verändert. Das Amulett zog ihn nun an wie ein Magnet. Auch heute Abend hing es um seinen Hals und die dunkelblauen Edelsteine leuchteten hell wie das Meerwasser in der Sonne.

      „Wenn du das Amulett freiwillig zurücklässt, verlierst du deine magischen Kräfte und fühlst dich – zumindest für eine gewisse Zeit – so wie immer“, erklärte der Junge mit ernstem Gesicht und strich gedankenverloren über das Gold. „Aber nach ungefähr zwei Tagen bekommst du stärker werdende Kopfschmerzen, bis du es nicht mehr aushältst und das Amulett in die Hand nimmst.“

      „Und was ist, wenn es gestohlen wird?“, fragte Isa zögernd und nahm ihr eigenes Amulett in die Hand. „Was, wenn man es nicht freiwillig zurücklässt?“

      „Nun, dann wird man unendlich müde, fühlt sich ausgelaugt und kann sich vor Schmerzen kaum bewegen.“

      „Das ist dir also schon einmal passiert?“ Isa war schockiert.

      Jerino nickte. „Am Tag nach meinem 13. Geburtstag war ich etwas … unvorsichtig.“ Jerino verzog das Gesicht.

      „Und wie hast du es wieder zurückbekommen?“

      Der Junge zögerte. „Es gab jemanden, der mir noch einen Gefallen schuldig war …“

      Isa nickte. „Kannst du auch erklären, wieso ich die beschriebenen – nennen wir es Nebenwirkungen – nicht gespürt habe, als du mein Amulett gestohlen hast? Und meine Magie war auch noch da!“

      „Darüber habe ich auch bereits nachgedacht. Vielleicht hat es etwas damit zu tun, dass ich auch ein Amulettmagier bin. Es muss eine Art Verbindung zwischen uns bestehen, die es erlaubt, dass der Strom der Magie weiterhin zwischen uns zirkuliert.“

      Isa nickte nachdenklich. Was er da sagte, klang einleuchtend. Doch es erklärte nicht den Hass, den sie auf den jungen Dieb verspürt hatte, als er ihr Stück in den Händen hielt. War es womöglich eine Art Schutz? Was geschah, wenn sie das Amulett freiwillig an Jerino gab?

      „Ich möchte etwas versuchen“, stellte Isa fest und ihre Stimme ließ keine Widerrede zu.

      „Lass hören!“ Jerino beobachte sie interessiert.

      „Als du mein Amulett gestohlen hast, habe ich dich dafür gehasst“, erklärte Isa. „Es war ein inneres Gefühl, das ich nicht kontrollieren konnte und das dich am liebsten mit Blitzen durchlöchert hätte …“

      „Auf was willst du hinaus?“, fragte er misstrauisch und kniff die Augen zusammen.

      „Nimm mein Amulett.“ Isa streckte es ihm entgegen, doch Jerino zuckte zurück, als könnte er sich daran verbrennen.

      „Niemals!“

      Isa seufzte. „Dann gib mir deines“, forderte sie ihn ungeduldig auf. „Komm schon, sei kein Feigling!“

      „Muss das sein?“, grummelte er, trat aber wieder einen Schritt näher an sie heran. „Hier.“ Er streckte ihr das Amulett entgegen und sie nahm es vorsichtig in die Hände. Es fühlte sich ebenso warm und freundlich an wie ihr eigenes Stück. Sie warf dem Jungen einen fragenden Blick zu. „Und? Spürst du irgendetwas?“, wollte sie wissen. Doch der schüttelte nur