Die Amulettmagier. Natascha Honegger. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Natascha Honegger
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783960741930
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lächelte. „Schau mich nicht so an, als würde ich mich jeden Augenblick wie eine Furie auf dich stürzen! Ich fühle mich prächtig!“

      Vega und Massimo schliefen noch, als sich die beiden Kinder dazu entschlossen, ihnen von Jerinos Rückkehr zu berichten. Sie mussten mehrmals klopfen, ehe Vega in einem rosa Nachthemd und mit halb geschlossenen Augen die Tür öffnete.

      Als ihr Blick auf Jerino fiel, erhellte ein Lächeln ihr Gesicht und sie war sofort hellwach.

      „Jerino! Schön, dass du zurückgekommen bist!“, rief sie aus und wäre ihm wohl am liebsten um den Hals gefallen. Nur die Skepsis, die sich deutlich in seinen Augen abzeichnete, hielt sie davon ab und so beließ sie es bei einem freundlichen Lächeln.

      „Ja, ich habe es mir nochmals überlegt“, gestand der junge Dieb. „Vielleicht ist das alles einen Versuch wert …“

      Massimo trat neben Vega und zwinkerte Jerino zu. „Schön, dass du uns eine Chance gibst, um dir zu zeigen, dass wir gar nicht so schlechte Menschen sind, wie du möglicherweise denkst.“

      Der Junge lächelte schwach. „Nun, das werde ich wohl noch früh genug erfahren.“

      Die beiden Erwachsenen und die zwei Kinder sprachen noch eine Weile miteinander und Isa erfuhr vieles, was sie über die Familie Aleander noch nicht gewusst hatte. Jerino sprach kaum etwas in dieser Zeit und lauschte nur interessiert.

      „Meine Familie ist im Geldgeschäft tätig“, erklärte Massimo, der sich in einem großen Sessel niedergelassen hatte. „Mein Großvater hat mit dem Verleih von Geld ein riesiges Vermögen angehäuft und dadurch großen Einfluss in Aria gewonnen. Da ich ein Einzelkind bin, habe ich das Geschäft von meinem Vater nach dessen Tod übernommen.“

      Vegas Familiengeschichte war im Gegensatz zu Massimos wesentlich trauriger: Sie entstammte dem Geschlecht der Pyringer, einem Adelsgeschlecht, deren Mitglieder fast ausschließlich die Gabe der Magie besaßen. Ihre beiden Brüder starben beim Angriff auf die Magierinsel Attillia, ihre kleine Schwester beim Vulkanausbruch in Neosis. Diese ließ ihr einziges Kind als Waise zurück: Valeria, die Adoptivtochter der Aleanders und Amulettmagierin des Feuers.

      „Valeria ist die Einzige von euch vieren, die bereits in Magie unterrichtet wurde“, erklärte Vega leise und strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Ihr Element ist das Unberechenbarste der vier Naturelemente. Bereits mit acht Jahren entfachte sie Feuer, wenn sie wütend war, und gefährdete damit die Menschen in ihrer Nähe. Doch auch heute noch ist es gefährlich für sie, die Beherrschung zu verlieren. Ich glaube, das ist einer der Gründe, wieso sie auf andere sehr zurückhaltend und ängstlich wirkt.“ Vega seufzte und fuhr fort: „Leider fühlte sich unser Sohn Alessandro durch ihren Unterricht stets benachteiligt. Er denkt, dass er keine Magie besitzt.“

      „Aber er ist doch auch ein Amulettmagier, oder nicht?“, fragte Isa verwirrt.

      „Ja, natürlich ist er das“, hauchte Vega mit bekümmerter Miene. „Aber seine Magie ist die Magie der Erde. Sie braucht Zeit und Geduld, um zu wachsen, wie sie auch Pflanzen brauchen. Und je mehr er selbst glaubt, er besitze keine Gabe, desto mehr verhindert er dieses Wachstum. Es ist, als würde man einen Baum stutzen.“

      Massimo nickte traurig. „Ganz egal, wie oft wir ihm sagen, dass er nur Geduld zu haben braucht, er glaubt uns nicht. Seiner Meinung nach hat sich Valeria zwischen ihn und uns gedrängt.“

      Die beiden Erwachsenen blickten einander an und Isa konnte die Sorge in ihren Augen lesen. Das Problem schien größer zu sein, als sie es vielleicht wahrhaben wollten.

      „So, aber nun ab ins Bett mit euch“, meinte Vega und klatschte in die Hände. „Wir haben Morgen eine lange Reise vor uns.“

      „Reise?“, fragte Jerino mehr interessiert als erschrocken.

      Vega nickte. „Wir fahren nach Sentak in unsere Familienresidenz zurück. Wenn du nicht mitkommen willst, kannst du dich jetzt immer noch umentscheiden.“

      „Nein.“ Der Junge schüttelte entschlossen den Kopf. „Ich dachte mir schon, dass ihr nicht hier lebt. Es ist mir egal, Karpensas zu verlassen. Es gibt nichts, was mich hier halten würde.“

      Vega lächelte. „Gut, dann bis morgen früh!“ Mit diesen Worten scheuchte sie die Kinder aus dem Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Die wenigen Stunden, die sie noch auf festem Boden verbrachten, wollte sie für Schlaf nutzen. Die Seekrankheit war eine lästige Sache und sie wusste, dass es ihr wieder tagelang speiübel sein würde.

      Als die beiden Kinder in Isas Zimmer standen, eilte Jerino auf direktem Weg zur Balkontür und trat nach draußen in die laue Nachtluft. Isa folgte ihm.

      „Hast du Lust auf ein kleines Abenteuer?“, fragte er mit funkelnden Augen und drehte sich zu ihr um. „Ich könnte dir einige schöne Orte der Stadt zeigen.“ Er streckte ihr die Hand entgegen und grinste sie schelmisch an.

      „Ich weiß nicht. Es ist doch mitten in der Nacht und Vega …“

      „Sei keine Spielverderberin! Ich habe viele Jahren in diesen Straßen gelebt und werde schon auf dich aufpassen.“

      Isa lächelte. „Du kannst nicht einmal auf dich selbst achtgeben.“ Trotzdem trat sie zu ihm.

      „Nicht auf mich selbst achtgeben? Das gestern Morgen war nur ein unerwarteter Zwischenfall“, grummelte Jerino, dann spannte er seine Muskeln an und sprang nach oben. Flink griff er nach der Regenrinne und zog sich dann ohne ersichtliche Anstrengung auf das Dach. Er streckte Isa die Hand entgegen, doch diese schüttelte entschieden den Kopf.

      „Warte! Ich kann nicht in meinem Nachthemd über die Dächer streunen!“ Sie verschwand im Inneren des Zimmers und kehrte nur fünf Minuten später zurück. Sie trug das einfache Wollkleid, das sie aus dem Waisenhaus mitgenommen hatte. Dieses Mal ignorierte sie Jerinos ausgestreckte Hand bewusst, sprang nach oben und schwang sich ebenso geschickt auf das Dach wie der Junge. Elegant landete sie auf den Füßen.

      „Ich hatte schon vergessen, dass du nicht das verzogene Mädchen bist, das Hilfe braucht“, sagte Jerino, und als er lächelte, blitzten seine Zähne im Mondlicht.

      „In der Tat“, murmelte Isa. „Wohin jetzt?“

      „Folge mir.“

      Gemeinsam huschten sie über die Dächer hinweg, ehe Jerino an einer geeigneten Stelle zurück auf den Boden kletterte.

      Isa folgte ihm.

      Die Bucht von Karpensas, die der Junge ihr zeigen wollte, bestand aus zwei Hälften: In der einen lag der große und belebte Hafen, in der anderen ein feiner Sandstrand, umgeben von alten Häusern.

      Jerino führte Isa in jenen zweiten Teil der Bucht. Vollmondlicht beleuchtete ihren Weg. Die Stadt schien zu schlafen und kein einziges Licht erhellte die Fenster der Häuser. Irgendwo raschelte es.

      „Vermutlich Ratten“, dachte Isa grimmig. Sie war nicht eines dieser Mädchen, das deshalb kreischend auf einen Tisch gesprungen wäre, doch sie wusste, dass sie in großen Gruppen gefährlich werden konnten.

      Das Mädchen blickte Jerino verstohlen von der Seite her an. Er schien ganz ruhig zu sein und Isa konnte spüren, dass er auch in brenzligen Situationen nur selten die Fassung verlieren würde. Es war gut, jemanden wie ihn an ihrer Seite zu wissen. Sein Wort würde niemals durch Angst oder eine überstürzte Entscheidung getrübt sein!

      Die beiden Kinder erreichten den Strand und Isa zog ihre Schuhe aus. Sie spürte den weichen Sand unter ihren nackten Füßen und grub lächelnd ihre Zehen hinein. Dann bückte sie sich, um einige der feinen Körner aufzuheben, und ließ sie langsam durch ihre Finger rieseln.

      „Komm.“ Jerino nahm sie am Arm und führte sie zu einem Felsen, der fast senkrecht aus dem Sand ragte.

      Sie fragte ihn, wie der wohl hierhergekommen war, doch auch der junge Magier an ihrer Seite wusste es nicht.

      Die Flut war bereits vorüber und der Stein war noch etwas feucht und salzig vom Meerwasser. Isa strich über seine raue