cc) Der Sonderfall der „korrigierenden Rückgruppierung“
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Eine Überprüfung der bisherigen Eingruppierung kann grundsätzlich immer erfolgen. Sowohl der Arbeitnehmer als auch der Arbeitgeber sind frei, ihre bisherige Einschätzung, die Eingruppierung sei zutreffend, zu überdenken und abweichende Bewertungen vorzunehmen, nach denen sich die bisherige Festlegung als fehlerhaft erweist. Insoweit sind die Grundsätze des BAG zwar weitgehend anhand der tariflichen Eingruppierung im öffentlichen Dienst ergangen; angesichts der Vereinbarung einer Tarifautomatik dürften diese jedoch auch in der Privatwirtschaft gelten. Wegen des Grundsatzes der Tarifautomatik, der lediglich „richtige“ und „falsche“ Zuordnungen zulässt, ist nicht ersichtlich, warum eine solche Korrektur einer unzutreffenden Rechtsansicht nicht auch in der Privatwirtschaft formlos erfolgen kann.60 Soweit manche Stimmen davon ausgehen, dass dort eine korrigierende Rückgruppierung nur über den Weg einer Änderungskündigung erfolgen kann,61 vermag das nicht zu überzeugen, soweit es nicht ausschließlich auf die Fälle beschränkt ist, in denen im Vertrag nicht die Tarifautomatik, sondern eine konkret zugesicherte Entgeltgruppe vereinbart ist – in dieser Konstellation gilt das aber auch für den öffentlichen Dienst.62
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Der Arbeitnehmer kann in dem Fall, dass er nunmehr von einer höherwertigen Entgeltgruppe ausgeht, die entsprechende Forderung an den Arbeitgeber stellen und erforderlichenfalls gerichtlich geltend machen (dazu unten Rn. 70 ff.). Der Arbeitgeber, der die bisherige Eingruppierung für zu hoch hält, hat es insofern leichter, als er dem Arbeitnehmer das Ergebnis seiner Überprüfung mitteilt und danach den Arbeitnehmer nach der geringerwertigen Entgeltgruppe vergütet. Das Arbeitsrecht weist auch in diesem Fall – wie bei einer möglicherweise fehlerhaften Ersteingruppierung – dem Arbeitnehmer die Last des Tätigwerdens zu. Er muss dann ggf. das Entgelt der bisherigen höheren Entgeltgruppe einklagen. Insofern bestehen keine Besonderheiten gegenüber der Ersteingruppierung.
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In zweierlei Hinsicht unterscheidet sich die „korrigierende Rückgruppierung“ jedoch von der Ersteingruppierung. Anders als bei dieser muss der Arbeitgeber im Prozess darlegen und ggf. beweisen, dass die bisherige Eingruppierung fehlerhaft war, dass also mindestens eine Anforderung des bisher als zutreffend angesehenen Tätigkeitsmerkmals gerade nicht erfüllt ist. Ferner ist die Möglichkeit einer „korrigierenden Rückgruppierung“ nach der Rechtsprechung des BAG im Ergebnis auf eine einmalige Korrektur beschränkt. Denn es geht davon aus, dass der Arbeitnehmer zwar kein geschütztes Vertrauen in die erstmalige Bewertung seiner Tätigkeit durch den Arbeitgeber hat. Aber wenn dieser die Eingruppierung noch einmal überprüft und für zutreffend befunden hat, soll er sich nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht anschließend noch auf einen Irrtum bei einer zweiten oder dritten Überprüfung berufen können. Eine solche Überprüfung kann auch gleichsam „inzident“ geschehen, etwa bei einer Höhergruppierung aufgrund einer absolvierten Bewährungszeit.63 Denn auch in diesem Fall – so das BAG – hat der Arbeitgeber die Richtigkeit der bisherigen Zuordnung überprüft und diese mit dem Bewährungsaufstieg bestätigt. Auch eine schon erfolgte – erste – Rückgruppierung kann eine solche Überprüfung darstellen, nach der der Arbeitgeber keine weitere Rückgruppierung vornehmen darf.64 Allein ein langer Zeitraum der realen Entgeltzahlung nach der – unzutreffenden – höheren Eingruppierung reicht für einen solchen Vertrauenstatbestand aber nicht aus.65
5. Die gerichtliche Überprüfung der Eingruppierung
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Die vom Arbeitgeber vorgenommene Eingruppierung, also die gedankliche Zuordnung der auszuübenden Tätigkeit zu einer Entgeltgruppe, kann der Arbeitnehmer gerichtlich überprüfen lassen. Hierfür zuständig sind die Arbeitsgerichte. Für das Verfahren ist auf folgende Besonderheiten hinzuweisen:
a) Antrag
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Bei der gerichtlichen Überprüfung geht es allein um die „Feststellung“ der zutreffenden Eingruppierung und nicht um eine Handlungsverpflichtung des Arbeitgebers. Er kann deshalb nicht dazu verurteilt werden, den Arbeitnehmer in eine bestimmte Entgeltgruppe „einzugruppieren“, sondern wegen der Tarifautomatik ist der Arbeitnehmer eingruppiert – fraglich ist nur, ob zutreffend oder nicht. Das nach § 256 Abs. 1 ZPO für eine solche Feststellungsklage erforderliche Rechtsverhältnis kommt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in dem sog. Eingruppierungsfeststellungsantrag zum Ausdruck, der Arbeitgeber solle verpflichtet werden, den Arbeitnehmer nach der Entgeltgruppe XX des Tarifvertrags YY zu vergüten. Zwar ist ein solcher Feststellungsantrag grundsätzlich subsidiär zu einem Leistungsantrag; die Rechtsprechung geht jedoch davon aus, dass jedenfalls dann, wenn Anhaltspunkte für das Gegenteil fehlen, auch ein privater Arbeitgeber regelmäßig bereit ist, einem entsprechenden Feststellungsurteil dann durch die praktische Umsetzung im Arbeitsverhältnis auch Folge zu leisten.66 Voraussetzung für die Zulässigkeit der Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO ist aber, dass der Streit der Parteien mit der Feststellung abschließend geklärt wird.67 Das bedeutet, dass eine unstreitige Stufenzuordnung nicht zum Gegenstand des Antrags gemacht werden darf;68 soweit sie aber streitig ist, muss sie auch im Antrag aufgenommen werden. Für in der Vergangenheit bereits entstandene Entgeltdifferenzen kann auch gleichzeitig im Wege der subjektiven Klagehäufung ein Leistungsantrag auf Zahlung gestellt werden. Dann dürfen sich die Zeiträume, auf die sich die Anträge beziehen, jedoch grundsätzlich nicht überschneiden,69 weil es insoweit an dem erforderlichen Rechtsschutzinteresse fehlen würde.
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Der Antrag muss ferner hinreichend bestimmt sein, § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Dazu gehört auch die präzise Bezeichnung desjenigen Tarifvertrags, der die anzuwendende Vergütungsordnung enthält; die Bezeichnung „Entgelttarifverträge des Einzelhandels NRW“ ist zu unbestimmt und macht die Klage unzulässig.70
b) Darlegungs- und Beweislast
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Die allgemeinen Grundsätze der Darlegungs- und Beweislast gelten auch im Eingruppierungsfeststellungsprozess. Danach ist diejenige Partei belastet, die sich auf die Rechtsfolgen aus den von ihr vorzutragenden Tatsachen beruft, also regelmäßig der Arbeitnehmer.71 Wie in wenigen Bereichen determiniert diese Lastverteilung bei der Eingruppierung den Ausgang des Rechtsstreits. Denn die Anforderungen an eine schlüssige Eingruppierungsklage sind hoch und in den meisten Fällen scheitern die Kläger gerade hieran. Ein schlüssiger Vortrag erfordert die Darlegung aller Tatsachen, aus denen sich die Erfüllung der tariflichen Anforderungen der begehrten Entgeltgruppe ergibt. Dafür müssen die Arbeitsabläufe auf der Grundlage der übertragenen Aufgaben so geschildert werden, dass das Gericht in der Lage ist, soweit erforderlich, die zu bewertenden Arbeitseinheiten (Arbeitsvorgänge) nach Maßgabe der Arbeitsergebnisse zu bestimmen. Auch die angestrebte Feststellung der Wertigkeit der einzelnen Arbeitseinheiten muss dem Gericht – in Abhängigkeit vom konkreten Tätigkeitsmerkmal72 – anhand der detaillierten Darstellung von Arbeitsabläufen und deren Schwierigkeitsgrad und Einbindung in die betriebliche Organisation ermöglicht werden, etwa ob und warum die Tätigkeit einen „akademischen Zuschnitt“ hat, also in der Regel nur mit den Kenntnissen eines wissenschaftlichen Hochschulabschlusses verrichtet werden kann (bei TV-L Teil I EG 13), oder warum dafür eine abgeschlossene Berufsausbildung allein nicht genügt, sondern der Schwierigkeitsgrad so ausgeprägt ist, dass es mindestens einer darüber hinausreichenden mehrjährigen Berufsausübung bedarf (bei Entgeltgruppe 6 TV ERA Küste), usw. Bei sog. „Aufbaufallgruppen“ reicht auch die umfangreiche Darstellung der eigenen Tätigkeit