17
Die abstrakt formulierten Anforderungen steigen dabei normalerweise von Gruppe zu Gruppe. In manchen Tarifverträgen werden sie jeweils im Komparativ zu den Anforderungen der niedriger wertigen Gruppe formuliert.
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Beispiel: BETV Chemie Entgeltgruppe 7: Arbeitnehmer, die Tätigkeiten verrichten, die über die Anforderungsmerkmale der Gruppe E 6 hinaus erweiterte Kenntnisse und Fertigkeiten voraussetzen ...
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In derartigen Fällen ist ein Rückgriff auf die Anforderungen an die sog. „Normaltätigkeit“ in der niedrigeren Entgeltgruppe erforderlich, um sodann das Vorliegen des herausgehobenen Merkmals feststellen zu können.
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Die Tarifvertragsparteien können aber auch vereinbaren, dass bestimmte subjektive Merkmale in der Person des Arbeitnehmers vorliegen müssen, etwa der Abschluss einer wissenschaftlichen Hochschulausbildung,12 einer sonstigen Prüfung13 oder der Nachweis bestimmter Kenntnisse;14 denkbar ist auch das Absolvieren einer Mindestzeit praktischer Ausübung der Tätigkeit. Hiervon ist aber nur auszugehen, wenn diese Anforderung in der notwendigen Klarheit der Person zugeordnet ist und nicht etwa als Anforderung an die notwendige Qualifikation für die Ausübung der Tätigkeit15 (vgl. oben Rn. 12).
c) Tarifliche Richt-, Tätigkeits- oder Regelbeispiele
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Die zu einer bestimmten Entgeltgruppe abstrakt formulierten Anforderungen werden häufig durch konkrete Tätigkeitsbeispiele ergänzt:
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Beispiel: ETV Systemgastronomie Tarifgruppe 5 (oben Rn. 11): Schichtführer/in nach 12 Monaten dieser Tätigkeit; Verwaltungstätigkeiten mit erhöhten Anforderungen; Sekretär/in und Teamassistent/in; Casinoverwalter/in; Trainee in der betrieblichen Ausbildung zum/r Restaurant-Assistent/in.
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Solche zu einer Entgeltgruppe vereinbarten Tätigkeiten werden als „Tätigkeitsbeispiele“ „Regelbeispiele“ oder „Richtbeispiele“ bezeichnet. In den allermeisten Fällen bedeutet dies, dass die Tarifvertragsparteien der Auffassung waren, diese konkret bezeichneten Tätigkeiten erfüllten die von ihnen abstrakt in der dazugehörigen Entgeltgruppe formulierten Anforderungen. Dann sind diese Tätigkeiten nicht nur Anhaltspunkte für eine Eingruppierung, sondern eine verbindliche Anweisung der Tarifvertragsparteien für die entsprechende Zuordnung. Einer – zusätzlichen – Überprüfung, ob bei dem Vorliegen einer als Richtbeispiel genannten Tätigkeit tatsächlich auch die abstrakten Anforderungen in ihrer allgemeinen Formulierung vorliegen, bedarf es danach nicht nur nicht, sondern sie ist geradezu untersagt, weil damit entgegen dem Willen der Tarifvertragsparteien den aufgeführten Tätigkeiten deren typischer Charakter für die genannte Entgeltgruppe abgesprochen wird.
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Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kann jedoch zum einen dann vorliegen, wenn es im Tarifvertrag deutliche Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Tätigkeitsbeispiele nicht als „Richtbeispiele“ im genannten Sinne anzusehen sein sollen, sondern dass es auch bei Vorliegen einer dort genannten Tätigkeit die abstrakten Anforderungsmerkmale sein sollen, die die Eingruppierung bestimmen. Eine solche Regelung ist zu akzeptieren.
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Beispiel: ETV Systemgastronomie (Dehoga) 2005, in dem es jeweils nach den Beispielstätigkeiten heißt: „soweit die in der Überschrift/den Oberbegriffen bzw. in der Tarifgruppendefinition geforderten Voraussetzungen erfüllt sind.“16
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Ein Rückgriff auf die allgemein formulierten Anforderungen ist zum anderen dann erforderlich, wenn auch bei der Erfüllung eines Tätigkeitsbeispiels eine sichere Zuordnung zu einer Entgeltgruppe nicht möglich ist, etwa wenn bestimmte Tätigkeiten mehreren Entgeltgruppen unterschiedlicher Wertigkeit zugeordnet sind oder wenn die Tätigkeitsbeschreibung einen unbestimmten Rechtsbegriff enthält, der nicht aus sich selbst heraus ausgelegt werden kann und zu dessen genauerer Bestimmung deshalb die allgemeinen Merkmale herangezogen werden müssen.17 Bei deren Auslegung kann jedoch wieder auf die Richtbeispiele zurückgegriffen werden,18 z.B. zur Möglichkeit des Vergleichs mit im Wesentlichen gleichwertigen Tätigkeiten.
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Einen völlig anderen Weg dagegen hat auch hier das neue Entgeltsystem in der Metall- und Elektroindustrie beschritten. Die meisten Bezirke haben den bei ihnen vereinbarten ERA-Tarifverträgen einen Katalog von „Niveaubeispielen“ beigefügt, in denen detailliert zahlreiche einzelne Tätigkeiten dargestellt und mit einer tariflichen Bewertung versehen werden. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Tarifverträge sollen diese „Niveaubeispiele“ jedoch keinesfalls als Richtbeispiele im klassischen Sinn angesehen werden (was bereits wegen der Detailliertheit der Beispiele, die teilweise konkreten Stellenbeschreibungen sehr ähnlich sind, kaum möglich ist), sondern lediglich als „zusätzliche Informations-, Orientierungs- und Entscheidungshilfe bei der Bewertung und Zuordnung der übertragenen und auszuführenden Arbeiten zu den Entgeltgruppen (dienen); maßgeblich für die Eingruppierung sind die Merkmale der jeweiligen Entgeltgruppe“.19
2. Die rechtlichen Grundlagen für die Verbindlichkeit des Entgeltschemas im Arbeitsverhältnis
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Eine Eingruppierung anhand eines abstrakten Vergütungsschemas erfolgt nur, wenn dieses für das Arbeitsverhältnis verbindlich ist. Dies ergibt sich nicht allein aus der Existenz eines solchen Schemas, sondern bedarf einer Rechtsgrundlage.
a) Normative Geltung eines tarifvertraglichen Vergütungssystems
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Sind die Parteien eines Arbeitsverhältnisses tarifgebunden, d.h. Mitglieder einer Tarifvertragspartei oder – im Falle der Arbeitgeberseite – selbst Partei eines Tarifvertrags (sog. Haus- oder Firmentarifvertrag, vgl. § 2 Abs. 1 TVG), gelten dessen Normen im Rahmen seines Geltungsbereichs für das Arbeitsverhältnis unmittelbar und zwingend (§ 4 Abs. 1 TVG). Davon umfasst ist auch ein ggf. tariflich vereinbartes tarifliches Vergütungssystem.20
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Ist ein Tarifvertrag mit einer Vergütungsordnung für allgemeinverbindlich erklärt worden (§ 5 TVG, im Ergebnis auch nach einer Rechtsverordnung gem. §§ 7, 7a AEntG), gilt er normativ in allen Arbeitsverhältnissen, die in seinen Geltungsbereich fallen. Dies ist derzeit insbesondere in den Branchen Bauhaupt- und -nebengewerbe, Gebäudereinigung, Sicherheitsdienste, Arbeitnehmerüberlassung, Pflegedienste usw. der Fall.21 Damit sind auch die entsprechenden, dort ggf. geregelten Entgeltordnungen für das Arbeitsverhältnis verbindlich.
b) Arbeitsvertragliche Bezugnahme auf den Tarifvertrag
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Haben die Parteien des Arbeitsvertrags – ausdrücklich oder konkludent – die Anwendung eines Tarifvertrags oder eines Tarifwerks, das ein solches allgemeines Vergütungsschema enthält, vereinbart, so ist dieses verbindlich für ihr Arbeitsverhältnis. Die vertragliche Vereinbarung kann sich auch – was nicht selten ist – auf die Anwendung des tariflichen Vergütungsschemas beschränken, ohne dass sonstige tarifliche Regelungen Anwendung finden sollen. Ein gewichtiges Indiz für einen solchen dynamischen Bezug auf die tariflichen Vergütungsregelungen entnimmt das BAG etwa regelmäßig der Kennzeichnung des Entgelts im Arbeitsvertrag als „Tarifgehalt“.22 Der Unterschied zur normativen Geltung besteht darin, dass die Anwendung des Tarifvertrags jederzeit einvernehmlich genauso