37
Aus gewerkschaftlicher Sicht wird darüber hinaus die Frage zentral sein, ob sich überbetriebliche Regelungen entwickeln lassen, die Mindestbedingungen festlegen. Dazu ist prinzipiell nicht notwendigerweise die Regulierung durch den Gesetzgeber erforderlich, wie das Beispiel der Zeitarbeit zeigt, wo die Lohnlücke zum Stammpersonal in fast allen relevanten Branchen per Tarifvertrag geschlossen werden konnte – auch wissend, dass derzeit aufgrund des arbeitsrechtlichen Status als Selbstständige für Crowdworker Tarifverträge keine Anwendung finden können. Letztlich hängt dies dann davon ab, wie der rechtliche Status des Crowdworkers final bestimmt werden wird.20 Mit Blick auf das interne Crowdsourcing werden die Betriebsräte ihre bestehenden weitreichenden Mitbestimmungsrechte einfordern.
38
Wird der Crowdsourcing-Ansatz unternehmensintern angewendet (internes Crowdsourcing), etwa in der Entwicklung, ergeben sich Möglichkeiten, quasi virtuelle Akkordzettel zu erstellen, die nicht nur eine virtuelle Einsatzsteuerung der Mitarbeiter in relevanten Projekten erlauben, sondern – insbesondere wenn dies mit einem Punktesystem verbunden wird – ebenso ein entsprechender (Leistungs-)Vergleich der internen Crowdworker, etwa über die Kriterien Termintreue, Zeit, Aufwand und Qualität des Arbeitsergebnisses. Im Falle des internen Crowdworkings bleibt das Arbeitsverhältnis und damit der bisherige Arbeitnehmerstatus des Crowdworkers bestehen, insofern kann der Arbeitgeber hier die Vergütung nicht in toto von der Zahl der erfolgreichen Bewerbungen auf der internen Crowdplattform und der dabei erzielten Arbeitsergebnisse und anderer Kriterien wie Termintreue etc. abhängig machen, weil dem der Beschäftigungsanspruch entgegen steht. Jedoch lässt sich (entsprechend automatisiert) ein Datensatz zu den Leistungsbeiträgen des Mitarbeiters auf der internen Plattform jederzeit auswerten und kann so in eine Leistungsbewertung einfließen. Ist diese mit dem Entgeltsystem verbunden, wäre damit die direkte Verknüpfung zur variablen Vergütung, wie auch für den leistungsbezogenen Gehaltsüberprüfungsprozess, möglich.
39
Schließlich ergeben sich Anforderungen an die Ausgestaltung der Anreizsysteme aus den unterschiedlichen Protagonisten in der sich ändernden Arbeitswelt. Dabei geht es zum einen um die Gruppe der Arbeitnehmer, deren aktueller Arbeitsplatz und damit verbundene Arbeitsinhalte und Anforderungen vom Wandel zur „Arbeitswelt 4.0“ betroffen sein werden. Will der Arbeitgeber die vorhandenen Potenziale seines internen Arbeitsmarktes weiterhin nutzen, so ergibt sich das Erfordernis, frühzeitig gegenzusteuern. Mit integrierten Entwicklungsmaßnahmen sind die Mitarbeiter auf neue Aufgaben und geänderte Anforderungen vorzubereiten. Hier bedarf es einerseits einer Integration der qualitativen Personalplanung in die Unternehmensplanung und andererseits der bereits skizzierten Integration von spezifischen Weiterbildungs- und Trainingsangeboten und -budgets in ein ganzheitliches Anreizsystem.
40
Zum anderen wird aus unternehmerischer Gestaltungssicht insbesondere die Gruppe relevant sein, die als freiwillig selbstständig anzusehen ist. Diese plant ihre Karriere unabhängig von spezifischen Unternehmenszugehörigkeiten. Größte Bedeutung hat hier das Element Barvergütung, wenn möglich in Verbindung mit Formen der (aktienbasierten) Unternehmensbeteiligung. Damit können aus einer Gesamtvergütungssicht klassische Zusatzleistungsbestandteile substituiert werden, die für Selbstständige keine Rolle spielen (z.B. Firmenwagen) bzw. in deren Eigenverantwortung (z.B. Altersversorgung) liegen.
41
Abschließend ist festzuhalten, dass sich die Unternehmen ihrer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung nicht entziehen können. Das heißt, neben der Konzentration auf die sich aus dem Wandel in der Arbeitswelt ergebenden Implikationen auf die internen Prozesse müssen sich die Unternehmen und ihre Verbände einerseits aktiv an dem gemeinsamen Dialog mit den Verbänden der Sozialpartner und den politisch Verantwortlichen über die Zukunft der überbetrieblichen Parameter der Arbeitswelt beteiligen. Andererseits müssen den Unternehmen die Handlungsspielräume zur flexiblen Gestaltung ihrer Entgeltsysteme zurückgegeben werden, wollen sie den vielfältigen Anforderungen gerecht werden. Zaghafte Tendenzen der Tarifpartner, die derzeit bestenfalls mit Blick auf potenzielle Unternehmenskrisen eine unternehmensnahe Ausgestaltung betrieblicher Entgeltfindung erlauben, greifen zu kurz und fokussieren lediglich auf Volumen- und Ausschüttungsparameter. Stattdessen ist ein proaktives, antizipatives Verständnis von Entgeltflexibilisierung als Leitlinie notwendig, was in der Lockerung der Gestaltungsrestriktionen auf der tarifvertraglichen Regelungsebene und einer insgesamten Neuordnung des Verhältnisses von Tarif- und Betriebsebene seinen Niederschlag finden muss.
10 Vgl. dazu und zum Folgenden Wiskemann, Personalführung 04/2016, 28. 11 Vgl. Peridis/Wade, Rewarding good behavior – Does your company have the right incentive schemes?, 2013 (http://www.imd.org/challenges/rewarding-good-behaviourgovernance-michael-wade-theodore-peridis.cfm, abgerufen am 6.6.2014). 12 Vgl. Faller/Otto, Industrie 4.0 gelingt nur mit aktivem Personalmanagement (http://www.maschinenmarkt.vogel.de/industrie-40-gelingt-nur-mit-aktivem-personalmanagement-a-463653/, abgerufen am 13.1.2016). 13 Vgl. Faller/Otto, Industrie 4.0 gelingt nur mit aktivem Personalmanagement (http://www.maschinenmarkt.vogel.de/industrie-40-gelingt-nur-mit-aktivem-personalmanagement-a-463653/, abgerufen am 13.1.2016). 14 Vgl. für einen Überblick zu externen Crowdsourcing-Plattformen Däubler/Klebe, NZA 2015, 1032. 15 Vgl. http://idguzda.de/forschungsreisen/marktplaetze-fuer-arbeit-disruptiver-wandelin-der-organisation-hochqualifizierter-arbeit/ (abgerufen am 10.11.2015). 16 Vgl. zu Beispielen zur Entlohnung von Crowdworkern Benner-Leimeister/Zogaj/Blohm, S. 29 f. 17 Vgl. Benner-Cherry, S. 239. 18 Vgl. Däubler/Klebe, NZA 2015, 1032. 19 Vgl. Benner-Rio Antas, S. 330. 20 Zur Schwierigkeit der rechtlichen Bestimmung des Status des Crowdworkers (selbstständig vs. Arbeitnehmer) vgl. beispielhaft Benner-Rio Antas, S. 327 f.
III. Leistungsorientierte Vergütung und Performance Rating
42
In den letzten Jahren hat der Legitimationsdruck auf die variable Vergütung im Allgemeinen und auf Bonussysteme, die auf Zielvereinbarungen basieren, im Besonderen zugenommen. Es werden nicht nur die mit der Umsetzung verbundenen Transaktionskosten für die Entwicklung und Umsetzung von Bonussystemen deutlich kritischer als in der Vergangenheit betrachtet, vielmehr ergibt sich wie angesprochen ein hoher Änderungsdruck aus der sich stetig ändernden Arbeitswelt an sich. Nun ist die Debatte um den Sinn oder Unsinn kurzfristiger variabler Vergütungsansätze in Verbindung mit Zielvereinbarungssystemen wahrlich nicht neu. Ein Blick in