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Hier sollten Mitarbeiter so bezahlt werden, dass das Thema Geld aus dem Blickpunkt des Einzelnen rückt, mit der klaren Schlussfolgerung, dass individuelle Leistungsbeurteilung und variable Vergütung zu entkoppeln sind. Das heißt nicht, Abschied von leistungsorientierter Vergütung zu nehmen. Boni basierend auf individuellen Zielen sollten hier durch Formen von Gewinnbeteiligungen ersetzt und – wenn möglich – mit Kapitalbeteiligungsmodellen sowie Ad-hoc-Prämien ergänzt werden. So kann auch der Gefahr einer ungewollten Gleichmacherei begegnet werden, indem Managern ein solches Spot-Bonus-Budget zur Verfügung gestellt wird, welches diese diskretionär und zeitnah zur erbrachten Leistung des Mitarbeiters unterjährig vergeben können. Darüber hinaus ist mit Blick auf das Engagement der Mitarbeiter insbes. der „Überraschungseffekt“ solcher ungeplanter Zuwendungen bei guter Leistung positiv zu bewerten. In aller Konsequenz schließt sich der Entkopplung von Performance Rating und Bonusplan/-auszahlung die logische Frage an, welche Bedeutung das Performance Rating im Allgemeinen und im Vergütungsmanagement im Besonderen insgesamt noch haben sollte.
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Bei der Gestaltung der Grundvergütung wird die Bedeutung der auf Arbeits- und Tätigkeitsanalyse basierenden Stellenbeschreibung, welche die gegenwärtigen und zukünftigen Anforderungen des Arbeitsplatzes beschreibt, abnehmen. Die klassischen Verfahren zur Beschreibung der Arbeitsanforderungen (arbeitswissenschaftliche und psychologische Verfahren) eignen sich vor allem für zunehmend obsolete manuelle, leicht quantifizierbare und repetitive Tätigkeiten und entfalten in einer dynamischen Arbeitsumgebung einen hohen Anpassungsbedarf. Die sich an die Stellenbeschreibung zur Bestimmung des Grundgehaltes anschließenden Arbeitsbewertungsverfahren und damit eine klassische Anforderungsorientierung insgesamt werden in der Praxis zunehmend durch qualifikations- und marktorientierte Ansätze ersetzt werden. Dabei wird das externe Gehaltsbenchmarking eine zentrale Rolle einnehmen.
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Betriebliche Bildungsmaßnahmen und die Förderung des lebenslangen Lernens gewinnen immer mehr an Bedeutung, um die Mitarbeiter für komplexere Tätigkeiten am Arbeitsplatz sowie im Umgang mit neuen Technologien vorzubereiten. Neben der damit erforderlichen Positionierung eines Konzeptes des lebenslangen Lernens und einer damit verbundenen (weiteren) Aufwertung der personalwirtschaftlichen Teilfunktion „Performance Management“ ist es somit erforderlich, Lernen in das Anreizschema zu integrieren, also ein erweitertes Verständnis von Gesamtvergütung zu entwickeln. So kann z.B. darüber nachgedacht werden, Mitarbeitern verstärkt Wahlrechte einzuräumen, neben einem weiterhin vom Arbeitgeber zentral budgetierten Fortbildungsangebot auch Bestandteile ihres Leistungs- oder Grundlohns in spezifische Weiterbildungsmaßnahmen zu investieren, insbesondere, wenn diese die Arbeitsmarktfähigkeit insgesamt erhöhen. So könnte im Rahmen von Gehaltsrunden für jeden Mitarbeiter eine feste Zusage in Form eines idealer Weise selbstorganisatorisch zu verwaltenden personenbezogenen Weiterbildungsbudgets gegeben werden. Investitionen in den Mitarbeiter bekommen so eindeutig den Charakter eines aktiven Anreizelements, welches regelmäßig kommuniziert wird. Auch könnte dies in einen Cafeteria-Ansatz integriert werden, wobei der Mitarbeiter ein Budget zugeteilt bekommt, über dessen Verwendung er in definierten Grenzen frei entscheidet, wobei Weiterbildung dann eine Variante neben mehreren wäre. Schließlich können hier die Möglichkeiten zur Einführung von Arbeitszeitkonten genutzt werden, welches den Mitarbeitern die Möglichkeit einräumt, über vorab angesparte Guthaben (Entgeltumwandlung) Auszeiten zu nehmen und sich bei Fortzahlung ihrer Gehälter für einen längeren Zeitraum völlig von der Arbeit freistellen zu lassen. Es könnten durch den Arbeitgeber zusätzliche finanzielle Anreize dafür geschaffen werden, dass der freigestellte Mitarbeiter die Zeit ganz oder teilweise zur Weiterbildung verwendet.
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Die sich aus den Varianten des Crowdsourcing als neue Formen der Arbeitsorganisation in der „Arbeitswelt 4.0“ ergebenden Anforderungen sind unterschiedlich. Beim externen Crowdsourcing ist die Herausforderung, wie über entsprechende (monetäre) Anreize der externe Crowdworker motiviert werden kann, sich an einer entsprechenden Arbeitsaufgabe zu beteiligen. Dies wird wesentlich von der Komplexität der gestellten Aufgabe abhängen. Für einfache, repetitive Aufgaben (z.B. Beschriftungs- oder Kategorisierungsaufgaben) steht die unmittelbare Entlohnung im Vordergrund. Dabei variieren in der Praxis derzeit verschiedene Vergütungsformen: Es werden nur angenommene Lösungen vergütet, es werden alle eingereichten Lösungen vergütet oder es erfolgt eine Vergütung nur der besten Lösungen.
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In der betrieblichen Praxis werden zunehmend Plattformkonzepte als Drehscheiben für Crowdsourcing implementiert. Dabei werden auch hochqualifizierte Arbeitsaufträge in kleinteilige Arbeitspakete zerlegt. Anschließend lässt das Unternehmen diese ohne jegliche vertragliche Bindung nach dem Wettbewerbsprinzip von den Mitgliedern der Plattform bearbeiten.14 Entgolten wird dabei im Extremfall nur die beste Lösung, alle anderen Crowdworker gehen leer aus. Neben der monetären Vergütung kann hier aber auch der Wettbewerbsgedanke als Anreiz eine Rolle spielen, wobei ergänzend zum monetären Anreiz intrinsische Motive treten. Dabei werden Anleihen bei Computerspielen im Internet gemacht, indem Crowdworker für ihre eingereichten Beiträge Punkte erhalten. Diese gehen in eine jederzeit einsehbare Leistungsbewertung ein und zeigen an, wie der Einzelne im Ranking und damit im Vergleich zu allen anderen steht. So tritt zwar jeder gegen jeden an, gleichzeitig wird der Community-Gedanke jedoch aufrechterhalten. Dies stellt die Verbindung von Wettbewerb und Kooperation (coopetition) dar.15 Gleichzeitig kann der so erreichte Rang als Kriterium bestimmt werden, um für weitere (hochqualifizierte) Crowdsourcing-Projekte zugelassen zu werden. Dies bedeutet weitere Reputation in der Community und eröffnet gleichzeitig den Zugang zu gut, gegebenenfalls sogar hoch dotierten Projekten, sollte sich der eingereichte Lösungsvorschlag wiederum durchsetzen.16
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Hier greifen aus Vergütungssicht somit relativ einfache Marktmechanismen, wonach Unternehmen in Abhängigkeit von der Arbeitsform (Ergebnisorientierung, Zeitorientierung etc.) und v.a. der Schwierigkeit der Aufgabe einerseits, und der Anzahl der jeweils zur Verfügung stehenden (externen) Crowdworker andererseits entlohnen. Rechtlich gesehen sind Crowdworker selbstständig, womit z.B. in Deutschland aktuell bestehende Mindestlohnregelungen nicht greifen. Unternehmen werden gut beraten sein, diesen Spielraum mit aller Vorsicht zu nutzen, und nicht einseitig ökonomischer Rationalität zu folgen. Dies gilt ebenso für die mit der Logik des Crowdsourcing verbundene Option, globale Lohnkostenunterschiede unmittelbar zu nutzen. Die einseitige Auslagerung des ökonomischen Risikos an die Crowdworker mag kurzfristig Vorteile verheißen, jedoch werden diese kaum nachhaltig sein. Unabhängig von einer gesellschaftlichen Verantwortung werden Unternehmen sich vielmehr fragen müssen, wie sich dauerhaft vertrauensvolle und gegenseitige Beziehungen mit Crowdworkern aufbauen lassen, wenn bis dato interne Unternehmensprozesse geöffnet werden, unternehmerisches Wissen nach außen fließt (Know-how-Verlust) und Arbeitsprozesse gegebenenfalls nicht mehr gänzlich kontrolliert werden können. Die Einführung eines fairen Mindestlohns bzw. fairer Mindeststandards für externe Crowdworker würde den Betreibern der Plattformen darüber hinaus helfen, ihr Geschäftsmodell zu legitimieren und zu stabilisieren und die Attraktivität ihrer Angebote für solche Konsumenten und Investoren zu erhöhen, die eine entsprechende gesellschaftliche Verantwortung einfordern.17 So steht es etwa jedem Auftraggeber/Unternehmen frei, einen Crowdworker im Sinne eines gewillkürten Arbeitsverhältnisses als Arbeitnehmer zu beschäftigen und ihm somit alle mit der Anwendung des geltenden Arbeitsrechts verbundenen sozialen Sicherungen einzuräumen.18
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Die Gewerkschaften beginnen bereits, ein gesteigertes Engagement für Crowdworker zu zeigen. Ein erster Schritt ist z.B. das Schaffen von Referenzsystemen in Form