3. Feldexperimente
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Relativ zu Laborexperimenten sind Feldexperimente eine neuere Entwicklung. Feldexperimente werden mittlerweile in zunehmendem Maße zur Untersuchung unternehmenspolitischer Fragestellungen eingesetzt.10 Um die oben skizzierten Probleme des künstlichen Entscheidungsumfelds und des restriktiven Teilnehmerkreises zu umgehen, werden Feldexperimente innerhalb eines Unternehmens in der Regel so durchgeführt, dass die Teilnehmer nicht wissen, dass sie an einem Experiment teilnehmen. Die Einteilung (der Mitarbeiter oder unternehmensinterner Mitarbeiterteams) in Kontroll-Gruppe und Treatment-Gruppe wird beispielsweise durch eine zufällige Auswahl von Betriebsstätten (z.B. nach regionalen Kriterien) oder Abteilungen erreicht. Kausale Effekte können dann beispielsweise durch eine Anreizveränderung nur in der Treatment-Gruppe (z.B. in Bezug auf Stücklöhne oder Teamboni) identifiziert werden.
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Feldexperimente in Unternehmen erfordern selbstverständlich ein besonders sorgfältiges Design (im Hinblick auf die Veränderungen des Anreizsystems, der Kommunikation der Veränderungen und die Aufteilung in Kontroll-Gruppe und Treatment-Gruppe).11 Des Weiteren ist eine enge Abstimmung mit der Unternehmensleitung und ggf. dem Betriebsrat zwingend erforderlich. Mittlerweile haben sich in Deutschland verschiedene Forschungszentren etabliert, die es sich explizit zum Ziel gesetzt haben, dem wissenschaftlichen Nachwuchs die entsprechenden methodischen Kenntnisse und Fähigkeiten zu vermitteln.12
6 Vgl. hierzu Camerer, Behavioral Game Theory. 7 Bei der Analyse von Sekundärdaten sind häufig individuelle Charakteristika, die potenziell einen Einfluss auf das Verhalten relevanter Akteure haben, nicht beobachtbar. Wenn sie beobachtbar sind, muss für sie im Rahmen der statistischen Auswertung unter Heranziehung von (ad hoc) Annahmen, wie sie die beobachtete Variable (also z.B. die Leistung eines Mitarbeiters) beeinflussen, kontrolliert werden. 8 Für einen Überblick vgl. z.B. Kagel/Roth/Hey (Hrsg.), Handbook of Experimental Economics; Plott/Smith (Hrsg.), Handbook of Experimental Economic Results. 9 Vgl. z.B. Falk/Heckman, Science 2009, 535. 10 Für einen Überblick siehe z.B. Bandiera/Barankay/Rasul, Journal of Economic Perspectives 2011, 63. 11 Zum Design und zur Durchführung von Feldexperimenten vgl. z.B. Gerber/Green, Field Experiments: Design, Analysis, and Interpretation; List, Journal of Economic Perspectives 2011, 3. 12 Siehe z.B. das an den Universitäten München, Nürnberg-Erlangen und Regensburg angesiedelte Internationale Doktorandenkolleg „Evidence-Based Economics“.
III. Die Prinzipal-Agenten-Theorie
1. Grundannahmen
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Der wichtigste mikroökonomische Analyserahmen, um die Wirkung der Vergütungsstruktur auf die Motivation von Mitarbeitern zu untersuchen, ist die Prinzipal-Agenten-Theorie. Die einfachste Version dieser Theorie betrachtet einen Vorgesetzten (den „Prinzipal“), der einen Mitarbeiter (den „Agenten“) benötigt, um eine Aufgabe für ihn zu erledigen. Annahmegemäß kann der Prinzipal nicht beobachten, wie stark sich der Agent bei der Erledigung der Aufgabe anstrengt, d.h. das Anstrengungsniveau des Agenten ist nicht beobachtbar. Dies ist für den Prinzipal ein Problem, weil im Rahmen des Modells unterstellt wird, dass die Interessen des Prinzipals und des Agenten nicht deckungsgleich sind. Insbesondere wird in der Regel unterstellt, das der Agent ohne monetäre Anreize ein geringeres Anstrengungsniveau präferiert als es der Prinzipal gerne hätte (z.B. weil der Agent – im Gegensatz zum Prinzipal – die Anstrengungen selbst leisten muss und dies für ihn mit einem „Arbeitsleid“ verbunden ist).13
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Die Theorie unterstellt weiterhin, dass der Prinzipal zwar nicht das Anstrengungsniveau, allerdings aber den Ertrag beobachten kann, den der Agent erwirtschaftet.14 Dieser Ertrag wird in der Regel neben den Anstrengungen des Agenten auch von exogenen Einflüssen (z.B. konjunkturellen Faktoren oder dem Verhalten anderer Unternehmen) abhängen, sodass eine bestimmte Ertragsrealisation dem Prinzipal keine perfekten Rückschlüsse auf das Anstrengungsniveau des Agenten ermöglicht. Dieses Informationsumfeld (insbesondere die Annahme der Nicht-Beobachtbarkeit des Anstrengungsniveaus) wird in vielen (aber natürlich nicht allen) Fällen eine adäquate Beschreibung der Unternehmensrealität sein. Oftmals wird es für einen Prinzipal schwierig sein, exakt abzuschätzen, ob es bei einer einfachen Tätigkeit für den Agenten möglich wäre, noch schneller zu arbeiten, oder ob der Agent bei einer komplexen, kognitiven Aufgabe noch intensiver über die Lösung des Problems nachdenken könnte.
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Unter diesen Bedingungen kann der Prinzipal den Agenten nur indirekt zu höheren Anstrengungen motivieren, indem er höhere Ertragsrealisationen (die bei höheren Anstrengungen wahrscheinlicher sind) belohnt, d.h. in diesen Fällen beispielsweise einen Bonus für den Agenten vorsieht. Dadurch stellt die Prinzipal-Agenten-Theorie einen Zusammenhang zwischen Vergütung und Motivation des Agenten her (s. Kap. 1 Rn. 42 ff.).
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Neben den oben bereits skizzierten Annahmen geht die Standardversion der Prinzipal-Agenten-Theorie davon aus, dass sowohl der Prinzipal als auch der Agent perfekt rational und ausschließlich eigennutzorientiert sind. Dies impliziert, dass die Vergütung des Agenten gemäß der einfachsten Version dieser Theorie nur den Zweck erfüllt, ihn an das Unternehmen zu binden (das er bei zu geringer Vergütung zum Vorteil eines anderen Unternehmens verlassen würde) und ihm Leistungsanreize zu geben (s. Kap. 1 Rn. 2 f.).
2. Hauptvorhersagen
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Die oben illustrierte Standardversion der Prinzipal-Agenten-Theorie macht verschiedene Vorhersagen zum Zusammenhang zwischen Vergütungsstruktur und den Anstrengungen (d.h. der Motivation) des Agenten. Während manche dieser Vorhersagen von Details der Modellierung abhängen, lassen sich zwei robuste Vorhersagen der Prinzipal-Agenten-Theorie identifizieren.
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Zum einen sagt diese Theorie vorher, dass ein Fixlohn, der leistungsunabhängig gewährt wird, zu den minimal möglichen Anstrengungen führt. Dies ist der Fall, weil der Agent durch höhere Anstrengungen keine höhere Vergütung erzielen kann, aber bei höheren Anstrengungen einem höheren „Arbeitsleid“ ausgesetzt wäre. Zum anderen sagt die Theorie vorher, dass der Prinzipal dem Agenten, wenn er ihn zu höheren Anstrengungen motivieren möchte, eine erfolgsabhängige Entlohnung anbieten und ihn z.B. prozentual am realisierten Ertrag beteiligen muss („pay-for-performance“). Unter zusätzlichen Annahmen, die hier nicht näher diskutiert werden sollen, ist eine derartige prozentuale Ertragsbeteiligung aus theoretischer Sicht in der Tat optimal und je höher der Ertragsanteil ist, den der Agent erhält, desto höher werden seine Anstrengungen ausfallen.15
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Spezifischere Vorhersagen (die weitere Annahmen erfordern) betreffen darüber hinaus beispielsweise die Frage, ob in einem Umfeld, das durch höhere Unsicherheit geprägt ist, geringere oder höhere Ertragsbeteiligungen des Agenten optimal sind als in einem relativ sicheren Umfeld (in dem Zufallseinflüsse eine geringere Rolle spielen).16