Inzwischen erinnert man sich aus der diocletianischen Zeit, dass zu einiger Sicherheit des Thrones doch designierte Nachfolger oder Caesaren gehören. Constantin wagt zuerst vorzuschlagen, und zwar einen gewissen Bassianus, der eine seiner Schwestern, Anastasia, zur Gemahlin hatte. Allein der Bruder desselben, Senecio, ein Verwandter des Licinius, wiegelt den Bassianus gegen Constantin selber auf, und der letztere sieht sich genötigt, den eigenen Schwager aus der Welt zu schaffen und von Licinius, seinem andern Schwager, die Auslieferung des Senecio zu verlangen, welche ihm keck verweigert wird; ja in einer der westlichen Grenzstädte des licinischen Gebietes, zu Aemona (Laibach), werden bereits die Statuen Constantins zu Boden geworfen633. Auf diese Ereignisse hin, welche irgendeine heillose Familienintrige voraussetzen, entbrennt ein gewaltiger Krieg, in welchem Constantin der angreifende Teil gewesen sein muss; wenigstens rückt er in das Reich seines Schwagers, schlägt ihn (8. Oktober 314) bei Cibalis an der Save (dem jetzigen Sevilei oder Svilaja) und verfolgt ihn bis nach Thracien, wo eine zweite, wahrscheinlich weniger entscheidende Schlacht in der mardischen Ebene vorfiel. Licinius hatte bereits von sich aus einen Grenzkommandanten Valens zum Caesar ernannt; die erste Bedingung des jetzt unterhandelten634 Friedens war dessen Zurücktritt in den Privatstand, damit keine dritte Dynastie aufkomme, ausserdem musste Licinius alle seine europäischen Besitzungen, also die Lande südlich von der Donau nebst ganz Griechenland abtreten mit Ausnahme Thraciens und der Pontusküste635.
Dahin hatte es der Legitime gebracht durch sein früheres Bündnis mit dem ihm geistig so weit überlegenen Usurpator, gegen welchen sich schon nach dem Tode des Galerius alle übrigen hätten vereinigen müssen, wenn sie sich behaupten wollten. Je weniger eine Gewalt ihres rechtmässigen Ursprunges sicher ist, desto unvermeidlicher drängt es sie, allem Legitimen rings um sich herum den Garaus zu machen. Den Licinius schon jetzt völlig zu zernichten, erschien noch zu schwer, aber die Überlegenheit war seither entschieden auf der Seite des Constantin. Scheinbar bleibt wohl völlige Gleichberechtigung zwischen beiden Herrschern; nach einiger Zeit (317) ernennen sie beiderseits ihre Söhne zu Caesaren, Constantin den Crispus und den Jüngern Constantin, Licinius den Licinianus. Aber ein Blick auf das Alter dieser Caesaren verrät die ungleiche Stellung der Imperatoren; Crispus war ein kräftiger, bald des Heerbefehls fähiger Jüngling, Licinianus dagegen ein zwanzigmonatliches Kind und dabei der einzige Sohn des schon betagten Vaters, also bei dessen Tode voraussichtlich hilflos und leicht zu beseitigen. Deshalb hätte der Legitime so gerne gemäss dem diocletianischen System Waffengenossen zu Caesaren adoptiert, wie den Valens und später den Martinian, allein Constantin liess es nicht mehr geschehen. Er selber erlaubt sich noch eine zweite Ernennung; neben seinem ältern Sohn erster Ehe, Crispus, stellt er bereits seinen noch sehr jungen gleichnamigen Sohn von der Fausta in Reserve auf.
Darauf geduldet sich Constantin bis zum Jahre 323, ehe er das Reich des Licinius seiner Herrschaft einverleibt. Er liess die Frucht reifen, bis sie ihm fast von selber in die Hände fiel.
Es waren die entscheidenden Jahre, in welchen er dem Christentum aufmerksam zusah, was es leisten, was es einem klugen Regenten nützen könne. Als er durch die bedeutende Zunahme der Gemeinde, durch die deutlicher entwickelte Natur ihrer Hierarchie, durch die eigentümliche Gestalt des Synodenwesens und den ganzen damaligen Charakter des Christentums überzeugt worden war, dass man aus dieser gewaltigen Macht eine Stütze des Thrones schaffen könne, jedenfalls aber sich ihrer rechtzeitig versichern müsse, weil diese Macht schon anfing, sich seiner zu versichern – da war auch der untrüglichste Hebel gegen Licinius gefunden. Dieser hatte inzwischen die Torheit gehabt, seinen gerechten Groll gegen Constantin die Christen entgelten zu lassen636, als ob diese an der ruchlosen Herrschbegier seines Gegners schuld wären (seit 319). Hätte er noch die Mittel zu einer Erneuerung der Verfolgung besessen oder anwenden wollen, so wäre wenigstens der Schrecken sein Verbündeter gewesen, und der Prinzipienkampf hätte dann im grössten Maßstab müssen ausgefochten werden. Allein er beschränkte sich auf die Verweisung der Christen von seinem Hofe und auf kleinliche Quälereien, welche dann gleichwohl durch die Widerspenstigkeit der stark angewachsenen Christenmenge notwendig sich bis zu einer Art von Halbverfolgung steigerten637. Was nur Christ hiess, vom Bischof bis zum Geringsten herab, bildete nun eine natürliche Propaganda gegen ihn zugunsten Constantins, der es an Aufreizung offenbar auch nicht fehlen liess; schon die ungleich grössere Begünstigung, welche er von jeher den Christen erwiesen, hatte die Christen des licinischen Reiches erbittern müssen. Jede Synode, jede Zusammenkunft von Bischöfen war jetzt in der Tat gefährlich – Licinius verbot sie; jeder Gottesdienst war als Zusammenrottung verdächtig – er liess Männer und Weiber sich getrennt versammeln und verbannte dann den ganzen Kultus aus der Stadt auf das freie Feld, weil draussen bessere Luft sei als in den Bethäusern; die Geistlichen suchten durch die Weiber auf die Männer zu wirken – er befahl, die Weiber sollten ihre religiöse Belehrung fortan durch Lehrerinnen erhalten638. Er degradierte die christlichen Offiziere; einzelne wahrscheinlich besonders verdächtige Bischöfe wurden getötet, einzelne Kirchen geschleift oder doch geschlossen. »Er wusste nicht«, seufzt Euseb, »dass man in diesen Kirchen für ihn zu beten pflegte; er glaubte, wir beteten nur für Constantin!« – Licinius gab zwar keinen allgemeinen Befehl, welcher den Toleranzedikten seiner frühern Zeit widersprochen hätte, auch konnten Arianer wie Bischof Eusebius von Nikodemien noch bis zuletzt in seiner Gunst und auf seiner Seite bleiben, allein es kam doch zu Konfiskationen, Verbannungen auf wüste Inseln, Verurteilungen zum Bergwerk, Atimie verschiedener Art, Verkauf in den Sklavenstand, und dies alles auch gegen sehr angesehene und hochgebildete Leute. Ja, der einst tolerante Fürst, der sogar bisher seinen Vorteil dabei gefunden, die Untertanen in einigem Zweifel über sein persönliches Bekenntnis zu lassen639, kehrt endlich vollständig den alten Heiden heraus und umgibt sich mit ägyptischen Zauberern, Gauklern und Opferern; er befragt Traumdeuter und Orakel, unter andern den milesischen Apoll, der in zwei drohenden Hexametern antwortet; endlich lässt ihn Euseb seine vertrautesten Freunde und Leibwächter in einem heiligen Hain mit Götterstatuen versammeln; nach feierlichem Opfer hält er ihnen eine Rede, deren kurzer Sinn dahin geht, der bevorstehende Kampf sei eine Entscheidung zwischen den alten Göttern und dem neuen fremden Gott.
Was war es denn, das den Licinius zu diesen verzweifelt unklugen Schritten