Bei seinem Vater angelangt, machte er zuerst dessen siegreichen Feldzug gegen die Picten in Schottland mit. Chlorus war nämlich noch durchaus nicht am Sterben, wie Euseb und Lactantius zu grösserer Rührung angeben, hatte auch seinen Sohn nicht deshalb herbeigerufen. Bald nach der Rückkehr vom Kriege starb er aber wirklich (zu York, 25. Juli 306). Nach der Reichsordnung des Diocletian, welchem alle Betreffenden ihre Stellung verdankten, sollte nun Galerius einen neuen Augustus ernennen und demselben einen neuen Caesar an die Seite setzen. Sollte aber das Erbrecht mit diesem Kaiserrecht in Verbindung gebracht werden, so hatten die Söhne des Constantius aus seiner Ehe mit des alten Maximians Stieftochter, Flavia Maximiana Theodora, nämlich Dalmatius, Hannibalianus und Julius Constantius, einen unbedingten Vorzug. Sie waren allerdings noch sehr jung, der Älteste kaum dreizehnjährig.
Statt dessen sukzediert Constantin. Es ist viel verlangt, wenn man sich für die so wunderlich bedingte diocletianische Reichsordnung ereifern soll; wenn sie aber zu Rechte bestand, so war Constantin ein Usurpator. Eine Beischläferin Helena589 hatte ihn dem Constantius zu Naïssus in Serbien geboren im Jahre 274, und so war er auch von seiten des Erbrechtes strenge genommen keiner Sukzession fähig. Der Lobredner Eumenius macht ihn zwar legitim und meint, er hätte noch gerne unterweges die abgedankten Imperatoren um Erlaubnis gefragt, allein dies sind nichts als Worte. Der betreffende Panegyricus590 ist indes sonst nicht ohne Bedeutung, weil darin die Weihe des Erbrechtes mit einem wahren Feuer verteidigt wird. Mit Beziehung auf die Abstammung vom Hause des grossen Claudius Gothicus wird dem Constantin zugerufen: »So hoch ist der Adel deiner Herkunft, dass dir das Imperium gar keine höhere Würde verleihen konnte . . . Nicht die zufällige Übereinstimmung anderer, nicht eine plötzliche Gunst hat dich zum Herrscher gemacht; durch deine Geburt schon verdientest du die Herrschaft, als ein Geschenk der Götter.«
Jene Übereinstimmung und Gunst anderer war aber für seine Thronbesteigung doch gar nicht so wertlos, Ob ihn sein Vater direkt zur Nachfolge bevollmächtigt hatte, ist bei der Einseitigkeit der Aussagen nicht wohl zu ermitteln; vielleicht hatte er den entschlossenen, kriegskundigen, jetzt zweiunddreissigjährigen Sohn591 nur herbeigerufen, damit derselbe die hilflose Familie beschütze. Spätere Autoren, wie zum Beispiel Zonaras, machen sich's bequem: »Constantius Chlorus lag krank und grämte sich darüber, dass seine übrigen Kinder so sehr missraten waren592; da erschien ihm ein Engel und befahl ihm, die Herrschaft dem Constantin zu hinterlassen.« Andere, wie Euseb, Lactantius und Orosius, geben sich nicht einmal diese Mühe der Motivierung, sondern tun, als ob sich Constantins Erbfolge ganz von selbst verstanden hätte. Die Tatsache ist, dass ihn die Soldaten seines Vaters zum Imperator Augustus erhoben593. Die Hauptstimme dabei hatte ein Alamannenhäuptling Crocus (oder Erocus), welchen Constantius samt seiner Schar für den Pictenkrieg in Dienst genommen hatte. Die Hoffnung auf ein reiches Donativ wirkte natürlich auch hier bestimmend mit. Für eine ergreifende Darstellung des Herganges sorgt der oben genannte Panegyriker. »Schon beim ersten Ausritt warfen dir, dem Weinenden, die Krieger den Purpur über . . . Du wolltest dieser Bezeigung der eifrigen Anhänglichkeit entfliehen und gabst dem Pferde die Sporen; aber das war, aufrichtig zu reden, ein jugendlicher Irrtum! Welches Ross wäre schnell genug gewesen, dich der Herrschaft zu entziehen, die dir folgte594?« Das einzelne der hier gespielten Intrige erraten zu wollen, wäre überflüssig.
Galerius, als er das Ereignis vernahm, tat das Mögliche; da er den Constantin nur durch einen überaus gefahrvollen innern Krieg hätte beseitigen können, so erkannte er ihn zwar an, allein nur als zweiten Caesar, und ernannte den Severus zum Augustus, den Maximinus Daza aber zum ersten Caesar595. Die wahre Herrscherweihe holte sich dann Constantin in den mehrjährigen Kämpfen gegen die Germanen, wovon oben die Rede gewesen ist. Damals konnte über Gallien nur Herrscher sein, wer der Verteidiger und Retter war, und auf diesem Felde blieb nach dem Vater für den Sohn wenigstens eine Nachlese übrig.
Die nächste unvermeidliche Folge der Usurpation Constantins war die Usurpation des Maxentius. Was einem Kaisersohne durchging, das konnte man dem andern schwerlich wehren. Sein Vater Maximian, aus Ehrfurcht vor den diocletianischen Verfügungen, widersetzte sich lange596, konnte aber zuletzt der eigenen Versuchung nicht widerstehen und hielt dann mit. Maxentius, obwohl vielleicht als Wüstling und bösartiger Charakter bereits bekannt, fand einen natürlichen Bundesgenossen an dem Unwillen des von den Kaisern verlassenen Roms und der stark reduzierten Prätorianer; auch ist es wohl denkbar, dass die letzte verdriessliche Abreise Diocletians von Rom im Jahr 303 mit den ersten Anfängen eines Komplottes dieser Art in Verbindung stand. Endlich hatte Galerius alles Mass überschritten, indem er die alte Weltstadt für seine neuen Steuern mit in Anspruch nahm. Maxentius gewann ein paar Offiziere, einen grossen Lieferanten und die Prätorianer, welche ihn ohne weiteres proklamierten. Der Stadtpräfekt, der sich widersetzen wollte, wurde noch vorher getötet. Es scheint, dass ganz Italien sehr bald dem Thronräuber zufiel.
Diesmal konnte Galerius nicht bloss zusehen. Er sandte (307) seinen Mitkaiser Severus aus, der als Erbe der Ländermasse des Maximian auch unmittelbar Herr von Italien sein sollte. Allein Severs Armee, die meist aus alten maximianischen Soldaten bestand, war gegen Maxentius nicht zu brauchen; es folgte Verrat, Rückzug und eine persönliche Übergabe in oder bei Ravenna, die dann doch den beklagenswerten Augustus in der Folge nicht vor verräterischem Morde schützte597. Galerius kam, ihn zu rächen, allein sein Heer erwies sich nicht zuverlässiger, und er musste eilends umkehren.
Inzwischen hatte der alte Maximian sich, wie gemeldet, seinem Sohne zugesellt – wenn Maxentius wirklich von ihm und der Syrerin Eutropia erzeugt und nicht untergeschoben war, was einzelne Heiden und Christen behaupteten, und was hier nur hervorgehoben werden mag als Beleg für den Wert, den man auf einmal wieder dem Erbrechte zuschrieb. Dem Verhältnis zwischen Vater und Sohn fehlte freilich so sehr jede Pietät, dass jenes Gerücht fast notwendig entstehen musste. Auch den Soldaten kam der Alte durchaus nicht gelegen, wahrscheinlich weil sie seine Disziplin fürchteten; wenigstens fand er keinen Anklang, als er sie bald darauf gegen den Sohn einzunehmen suchte; sie antworteten ihm mit trotzigem Hohn, worauf er sich damit ausgeredet haben soll, es sei ihm bloss um eine Probe ihrer Gesinnung zu tun gewesen. Zonaras, der dies erzählt, lässt ihn vorher sogar den Senat besuchen und dort den Sohn für untüchtig zur Regierung erklären. Jedenfalls ein merkwürdiger Abfall vom diocletianischen Herrscherprinzip, zumal nach den oben (Abschnitt II) erwähnten Feindseligkeiten Maximians gegen die Senatoren.
Als sich der unruhige Greis in seinen Hoffnungen auf Oberherrschaft betrogen sah, ging er nach Gallien, um bei Constantin zu versuchen, was ihm bei Maxentius misslungen war. Er hatte noch ein Pfand der Herrschaft mit sich, seine jüngere Tochter Fausta598; diese vermählte er mit Constantin und gab ihm dazu den Augustustitel. Es war darauf abgesehen, dass man einstweilen warten würde, bis Maxentius mit dem neuerdings kampfbereiten Galerius im Kriege läge, um dann mit Übermacht einzugreifen. Allein Constantin nahm die Tochter und den Titel und verweigerte dann Maximian jede weitere Mitwirkung, worauf diesem nichts anderes übrig blieb, als wieder nach Rom zu gehen und sich mit dem