Es liegt nicht mehr in unserer Aufgabe, die weitern Schicksale und Teilungen der höchsten Reichsgewalt näher zu erörtern. Constantin hatte dieselbe durch seinen neuen Staats- und Kirchenorganismus ausserordentlich gekräftigt, und so konnten seine Söhne sich vieles erlauben, bis das ererbte Kapital gänzlich aufgezehrt war, so wie die Söhne Ludwigs des Frommen, an deren Geschichte hier so manches erinnert, mehr als ein Menschenalter hindurch ihre Bruderkriege führen konnten, bis der Schatten Karls des Grossen seinen Zauber ganz verlor. – Der erste Hader ergab sich natürlich bei Anlass der Erbschaft des Dalmatius, und zwar insbesondere über den Besitz von Thracien und Konstantinopel; die weitern Ausgleichungen, die sich daran knüpfen sollten, namentlich die von Constans geforderte Mitherrschaft über Afrika und Italien führten dann (340) den Krieg herbei, in welchem Constantin II. unterging, ohne eine Dynastie zu hinterlassen. Der Sieger Constans hätte nun mit Constantius teilen müssen, wäre dieser nicht durch seinen Perserkrieg im Osten festgehalten worden. Dies merkte sich aber auch die Umgebung des Constans, meist geworbene Germanen, unter welchen er sich bei seinen Missetaten sicherer fühlte als unter den Romanen. In der Voraussetzung, dass der Imperator des Orientes, was auch geschehen möge, kein Schwert rühren könne zur Intervention im Abendlande und in Afrika, wagte es der damalige Befehlshaber der Jovier und Herculier, der Franke Magnentius, sich bei einem Bankett in Autun plötzlich im Kaiserpurpur zu produzieren (350). Constans, der auf der Jagd aufgefangen werden sollte, erhielt zwar Nachricht, fand sich aber so plötzlich von den Soldaten und der Bevölkerung verlassen, dass ihm nur die Flucht übrigblieb. In den Pyrenäen ereilten ihn jedoch die Mörder, an deren Spitze der Franke Gaiso. Während nun der ganze Okzident dem Magnentius zufiel, meinten die Garnisonen an der Donau dasselbe Recht zur Usurpation zu haben und erhoben einen alten General Vetranio. Ja, damit auch das Lächerliche nicht fehle, liess sich in Rom nachträglich ein Neffe des grossen Constantin von seiner Schwester Eutropia, Nepotianus, zum Kaiser ausrufen; allein dieser unglückliche Seitenprinz, der die Rolle des Maxentius noch einmal durchspielen wollte, hatte nicht mehr wie dieser ein prätorianisches Lager für sich, sondern nur die Gladiatorenkasernen Roms, und so wurde das von Magnentius abgesandte Heer rasch mit ihm fertig. In Constantius dagegen hatte man sich geirrt; er unterbrach den persischen Krieg und suchte mit allen Mitteln die Gegner im Reiche zu beseitigen. Es findet sich eine merkwürdige Nachricht bei Zosimus, wonach Constantius seine Soldaten für die Dynastie als solche zu begeistern gewusst hätte, so dass sie ausriefen, die unechten Kaiser müssten von der Erde vertilgt werden663. Jedenfalls zeigte er in diesen Zeiten Talent und Entschlossenheit. Nachdem er den Vetranio eine Zeitlang hingehalten, verdrängte er ihn mit grosser Geistesgegenwart vor der Fronte seines eigenen Heeres; dann überwand er den Magnentius in einem Kriege, der zu den schrecklichsten dieser innern Kämpfe um das Reich gehört, worauf eine abscheuliche Horde von Spähern und Denunzianten über das ganze Abendland losgelassen wurde, um die Anhänger des Usurpators zu verfolgen. Aber die trostlosesten Gedanken über die Zukunft des Reiches müssen trotz aller Erfolge den Sieger innerlich gepeinigt haben. Während die Armee keine unechten Herrscher mehr haben wollte, waren ihm zugleich seine echten Verwandten, soviele er noch nicht aus der Welt geschafft, verdächtig oder auf den Tod verhasst664; seine Ehe mit der Eusebia war unfruchtbar, und so konnte am Ende der Sohn Constantins des Grossen infolge des masslosen Sultanismus zweier Generationen auf dem Punkt anlangen, von welchem Diocletian ausgegangen war – er konnte zu Adoptionen genötigt werden. Er hatte eine Schwester, die seiner würdig war, Constantia (oder Constantina), die Witwe des ermordeten Hannibalian, die sich nachher hatte brauchen lassen, um den Vetranio zutraulich zu machen, indem sie ihm ihre Hand gab. Seitdem es sich darum handelte, den letzten noch am Leben befindlichen Zweig der Familie, die Söhne des im Jahre 338 ermordeten Julius Constantius, zu verderben, heiratete sie den ältern derselben, Gallus, und obgleich sie vor der Ermordung desselben starb, dürfen wir doch nicht zweifeln, dass sie an seinem bald darauf erfolgten Untergang nicht ohne Schuld war. Als nur noch sein jüngerer Bruder, Julian, übrigblieb und das Reich auf ihn als den Retter Galliens, den Bezwinger der Germanen mit Achtung hinblickte, liess der schändliche Vetter auch ihm nur die Wahl zwischen dem Tode und der Usurpation des Kaiserthrons, starb jedoch, als der Reichskrieg eben ausbrechen sollte, worauf Julian allgemein anerkannt wurde. Mit seiner denkwürdigen zweijährigen Regierung endigt die Familie Constantins, da seine Ehe kinderlos war.
Die nächsten Thronfolgen, die des Jovian und Valentinian, waren die Sache der Armeen, wie die meisten im dritten Jahrhundert. Allein die Erblichkeit des Kaiserthrons hatte sich den Gemütern der Menschen so stark eingeprägt, dass man fortan um jeden Preis darauf zurückkam und dabei zu bleiben suchte665. Es folgt die valentinianische und die durch Heirat daran geknüpfte theodosische Dynastie, beide wenigstens vom sultanischen Familienmorde unberührt. Von der Mitte des vierten bis in die Mitte des fünften Jahrhunderts war der Besitz des Thrones oder der beiden Throne zwar mannigfach durch Usurpation und Not aller Arten angefochten, die Sukzession aber keinen Augenblick rechtlich zweifelhaft. Die Überzeugung der meist germanischen Heerführer und die aus dem Alten Testament gerechtfertigte Ansicht der Christen wirkten zusammen, um dem Erbrecht diesen späten Triumph zu verschaffen. Dasselbe behält seinen Wert in der ganzen byzantinischen Zeit und bringt trotz aller Unterbrechung durch Sultanismus und Prätorianismus immer wieder neue und zum Teil lange dauernde Dynastien hervor.
Fußnoten
546 Euseb., Hist. eccl. VIII, 1 & 6. Das Folgende wird ohne Unterschied von den Regenten überhaupt ausgesagt, allein es versteht sich, dass der Oberkaiser hier wie in allen Dingen den Ton angab.
547 Die damalige Machtstellung der Christen gegenüber vom heidnischen Imperium ist gut, doch wohl etwas zu imposant geschildert bei Preuss, Kaiser Diocletian, S. 136 ff. – Die verschiedenen Annahmen über ihre Zahl s. oben S. 173.
548 Hist. Aug., Numerian., c. 13. Vielleicht die wichtigsten zusammenhängenden Worte über Diocletians Charakter.
549 De mortibus persecutorum, c. 10 ff. – Die sehr verdächtigen Aussagen, welche dem