Während Galerius gegen Italien rüstete, geriet Maximian von neuem in die übelsten Verhältnisse mit Maxentius; es kam zu einer öffentlichen Szene600, wobei der Vater dem Sohn den Purpurmantel abreissen wollte. Abermals musste er von Rom weichen.
In dieser allgemeinen Konfusion nahm Galerius seine Zuflucht zu der Weisheit des alten Diocletian, der auf sein Ersuchen (307) zu einem Kongress nach Carnuntum (Sankt Petronell unweit Haimburg) kam. Lactantius lässt schon Jahre vorher den Oberkaiser wahnsinnig werden, die Mitregenten möchten aber wohl die Überzeugung von dessen geistiger Kraft noch nicht verloren gehabt haben, als man sich an der Donau zusammenfand. Hier wurde zunächst ein bewährter alter Kampfgenosse und Freund des Galerius, der Illyrier Licinius, an der Stelle des ermordeten Severus zum Augustus ernannt. Aber auch der alte Maximian stellte sich ein und wurde, statt Hilfe und Ermutigung zu finden, nochmals zur Abdankung bewogen; Licinius sollte der allein rechtmässige Imperator für das Abendland sein601. Allein Maximian hatte weder Ruhe noch Rast mehr, und als er seinen ehemaligen Mitregenten aus den Augen war und wiederum bei Constantin in Gallien einkehrte, konnte er der Versuchung nicht widerstehen, auf des Schwiegersohnes Kosten auszuüben, was ihm beim Sohne zweimal misslungen. Während Constantin gegen die Franken ausgerückt war, nahm er zum drittenmal den Purpur, bemächtigte sich des Schatzes und der Vorräte und warf sich in das feste Arelatum (Arles), von wo er, als Constantin ihm eilends nachzog, nach Massilia flüchtete. Hier lieferte ihn, wie es scheint, seine Mannschaft dem Schwiegersohne aus, der ihm nochmals Leben und Freiheit geschenkt haben soll. Aber Maximian benützte dies nur zu neuen gefährlichen Ränken, von welchen Constantin durch Fausta selber in Kenntnis gesetzt wurde602. Es blieb nichts anderes übrig, als den unheimlichen Alten aus der Welt zu schaffen. Er durfte seine Todesart wählen und liess sich (310) erwürgen. Zu Anfang des elften Jahrhunderts fand man zu Marseille sein Grab; die noch wohlerhaltene Leiche, reich einbalsamiert und geschmückt, lag in einem Bleisarg und dieser in einer Marmorwanne. Erzbischof Raimbald von Arles liess den Feind Gottes und Constantins samt allem ins Meer werfen, welches seither an jener Stelle bei Tag und Nacht heftig brausen soll603.
Wie mussten diese Vorgänge Diocletians letzte Jahre verbittern! Der Ehrgeiz, auf das Erbrecht gestützt, hatte sein System bereits zur Hälfte umgestürzt, ja er musste den Kummer erleben, dass selbst ausserhalb der Kaiserfamilien die Usurpation im Stil des dritten Jahrhunderts wieder ihr Haupt erhob, nachdem ein Aelianus und Amandus, ein Carausius und Allectus, ein Achilleus und Julian nebst den Ihrigen die angemasste Herrschaft mit Strömen Blutes gebüsst hatten. Ein Statthalter in Afrika, der Phrygier Alexander, von Maxentius auf unkluge Weise zur Huldigung angehalten, lässt sich von den Soldaten halb wider Willen mit dem Purpur bekleiden (308)604. Wir können es dem greisen, schicksalsforschenden Gärtner von Salona nicht verdenken, wenn er das schrecklichste Unheil, selbst den Untergang des Reiches, vor Augen zu sehen glaubte. – Natürlich warfen alle diese Bürgerkriege ihren unaufhörlichen Reflex in die Verfolgung hinein, so dass die mehrmaligen Rückfälle in die furchtbarste Strenge, welche in den Jahren 308 bis 313 zwischen den Pausen relativer Ruhe eintraten, mit den Thronfragen in engster Verbindung stehen. Von Maxentius berichtet Euseb, dass er wenigstens eine Zeit hindurch aus Feindschaft gegen Galerius die Christen schonte und sich sogar selber als Christ stellte, und auch Maximinus Daza war gegen die Christen abwechselnd mild oder grausam, je nachdem er dem Galerius trotzen oder schmeicheln wollte.
Indes begannen die Thronfragen sich zu vereinfachen. Galerius starb im Jahr 311, angeblich an einer scheusslichen Krankheit, zu Sardica in Mösien. Wir wollen den Lactantius in dem von Würmern zerfressenen Unterleib nach Herzenslust wühlen lassen und dafür konstatieren, dass der gewiss rohe und gegen die Christen unmenschliche Fürst bei den Heiden605 »ein braver Mann und tüchtiger Krieger« heisst; auch darf es ihm nicht vergessen werden, dass er die Charakterfestigkeit gehabt hatte, für seine eigene Familie auf den Thron zu verzichten, um seinem Freunde Licinius, den er für den Würdigsten hielt, die Herrschaft zuzuwenden. Noch kurz vor seinem Tode hatte er in einem mürrischen Toleranzedikt die Erfolglosigkeit der Staatsmacht in ihrem Kampfe gegen die Christen zugegeben und am Schlusse desselben die bisher Verfolgten zur Fürbitte für seine Person bei ihrem Gotte aufgefordert. Auch die Mitregenten unterzeichneten, Constantin, Licinius und indirekt sogar Maximinus Daza, insofern ein Erlass seines höchsten Beamten den nämlichen Dienst tat. Die aus Kerkern und Bergwerken heimkehrenden Christen wurden vielfach auch von der heidnischen Bevölkerung freudig begrüsst, so müde war man bereits der Henkerszenen. Die nähern Einzelbestimmungen, welche dem Edikte folgten, sind uns nicht mehr erhalten und nur aus einem spätem Erlass zu erraten; sie scheinen noch immer hart und in dem nämlichen grollenden Tone abgefasst gewesen zu sein, wie das Edikt selbst606.
Eine Verwickelung, die bei Anlass dieser Thronfolge zu drohen schien, löste sich unerwartet rasch und friedlich. Maximinus Daza, der frühere galerianische Caesar, der sich bereits bei einem andern Anlass den Augustustitel verschafft hatte607, glaubte von Licinius, der eigentlich zum Augustus des Westens bestimmt war, eine starke Beeinträchtigung seines orientalischen Reiches befürchten zu müssen; beide zogen mit Heeresmacht gegeneinander, versöhnten sich aber bei einer Konferenz auf Schiffen mitten im Hellespont (311) und machten diesen und den Archipelagus zur Grenze ihrer Gebiete, so dass dem Licinius die ganze Halbinsel zwischen diesem Meere und dem Adriatischen blieb. Was Diocletian zu einer solchen Teilung dachte, ist ganz unbekannt.
Zu derselben Zeit unterwarfen die Feldherrn des Maxentius das abgefallene Afrika; der Usurpator Alexander wurde geschlagen, auf der Flucht eingeholt und erwürgt, die unglückliche Provinz mit grösster Härte gezüchtigt. Die Stadt Cirta litt dabei so sehr, dass sie später unter Constantin neu gebaut werden musste608. In Rom affektierte Maxentius, als er seinen Triumph hielt, eine Erinnerung an die Feindschaft des alten Karthago gegen Rom609.
So gab es nun wieder zwei westliche und zwei östliche Regenten, Constantin und Maxentius, Licinius und Maximinus Daza. Aber wie weit entfernt war ihr Verhältnis von dem harmonischen »Tetrachord«, der einst Diocletian und seine Mitregenten verbunden hatte. Keine Unterordnung noch gegenseitige Verpflichtung wird anerkannt, jeder ist Augustus auf eigene Rechnung und misst die andern mit misstrauischen Blicken; ihre Gebiete sind scharf von einander abgegrenzt, und keiner würde es wagen, in dem Lande des andern mitregieren zu wollen, keiner aber auch dem andern Hilfe gewähren, bevor eine selbstsüchtige Kombination sie zu Einzelbündnissen treibt. Das Reich liegt nun einmal in vier Stücken, und der, welcher zuerst den Frieden gebrochen, Constantin, hat nun die Aufgabe, an die Stelle des frühern Zusammenhanges einen neuen treten zu lassen.
Wir verfolgen sein Leben zunächst in Beziehung auf die Art und Weise, wie er diese Aufgabe erfüllte.