Die wichtigsten Werke von Jacob Burckhardt. Jacob Burckhardt. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jacob Burckhardt
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9788027213764
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rel="nofollow" href="#ulink_675e9dc4-a7e8-5794-ab80-c29607ea48d6">441, das heisst die von bestimmter heiliger Stätte ausgehenden Antworten auf Anfragen über die Zukunft, waren noch keinesweges verstummt, obwohl ihnen in den herumziehenden Beschwörern eine furchtbare Konkurrenz an die Seite getreten war. Die verschiedenen heidnischen Religionen im ganzen Reiche waren einig in der Annahme begnadigter Orte und Stellen, wo man den Willen der Götter deutlicher als sonst vernehmen konnte, und so gab es Orakeltempel, Orakelquellen, heilige Erdspalten, Grotten usw. in allen Provinzen, oft aus sehr alter, vorrömischer Zeit, mit allen möglichen Arten der Befragung und der Antwort. In dieses Gebiet gehört schon das oben erwähnte Übernachten in den Tempeln des Aesculap und Serapis, zur Erzweckung von Heilträumen442, wobei sich oft eine sehr gebildete Gesellschaft zusammenfand. – Allerdings hatten die grossen, offiziellen, politischen Konsultationen aufgehört, oder die Fragenden hüllten sich ins tiefste Geheimnis und wandten sich dann lieber an Beschwörer; allein wenn auch keinem Croesus mehr in Hexametern geraten wurde, über den Halys zu gehen, so erhielten sich doch die namhaftem Orakel noch alle im Gang durch Pilger der verschiedensten Stände und Interessen, die ihre Gaben darbrachten; Pausanias besuchte die in Griechenland befindlichen der Reihe nach aus Frömmigkeit und Kuriosität443. In betreff Delphis reicht eine zwar spärliche, doch nie auf lange Zeit unterbrochene Reihe von Zeugnissen bis auf Constantin herab und knüpft später noch einmal an. Einzelne Erwähnungen der hellenischen und kleinasiatischen Orakel von Abae, Delos, Milet, Kolophon usw. gehen ebenfalls noch in ziemlich späte Zeit, und man darf sich nicht durch die Kirchenschriftsteller irre machen lassen, bei welchen es fast zum Dogma geworden ist, die Orakel seien seit Christi Geburt zum Schweigen gebracht. Am ehesten möchte dies noch von dem uralten Dodona gelten. Rom hatte und befragte noch zu Zeiten seine sibyllinischen Bücher, welche für die Schicksale des Staates im grossen das höchste Orakel waren; doch scheint sich gegen die letzte vorconstantinische Öffnung derselben, zur Zeit des Barbareneinfalls unter Aurelian, eine aufgeklärte oder andersgläubige Partei im Senat geregt zu haben444. Das beliebteste, auch von Kaisern befragte Privatorakel in der Nahe von Rom war dasjenige des herrlichen Fortunentempels von Praeneste, welcher von hoher Terrasse herab weit über die Gegend leuchtete. Neben den »praenestinischen Losen« behaupteten die sonst sehr angesehenen Schicksalstempel von Antium und Tibur nur einen untergeordneten Rang. In Oberitalien genoss noch die warme Quelle von Aponus unweit Padua einen grossen Kredit nicht nur um ihrer Heilkräfte, sondern auch um ihrer Orakel willen445, die wenigstens dem Claudius Gothicus in virgilischen Hexametern erteilt wurden. Auch die Quelle des Clitumnus unweit Spoleto mit ihrer bis heute so wunderlieblichen Umgebung war ohne Zweifel noch immer eine geweihte Stätte dieser Art, wie zur Zeit446 des jüngern Plinius; an dem einzigen erhaltenen von den vielen Tempeln und Kapellen, die einst den Ort schmückten, hat man in frühchristlicher Zeit christliche Embleme angebracht, wahrscheinlich nur, um die weissagenden Dämonen wegzubannen.

      In welches Verhältnis traten nun diese magischen Übungen zu der neuen Richtung des dritten Jahrhunderts auf heidnische Religiosität und Moralität und zu der neuplatonischen Philosophie?

      Was aber die Neuplatoniker