In Afrika stand bis auf die Zeit Diocletians die Himmlische Göttin zu Karthago in hohem divinatorischem Ansehen. Selbst Gallien ist nicht ganz ohne Orakel, wenigstens gibt die halbwarme Quelle beim Apollstempel zu Autun447 Entscheide über Eid und Meineid.
Von den Orakeln der östlichen Gegenden des Reiches finden sich einzelne fortlaufende Nachrichten über den Aesculapstempel zu Aegae, den des sarpedonischen Apoll zu Seleucia und den Tempel von Mallos, alle drei in Cilicien, sowie über den Venustempel zu Paphos auf Cypern, das tempellose Orakel auf dem Berg Karmel und mehrere Heiligtümer Ägyptens. Von den grossen Tempeln des asiatischen Binnenlandes war vielleicht keiner ohne Ansprüche dieser Art448; aus demjenigen zu Baalbek wurde noch zu Ende des vierten Jahrhunderts das Götterbild periodisch herausgetragen und weissagte (wie jener Apoll zu Hierapolis, S. 202) durch die Richtung, die es selber den Tragenden anwies; andere, gewöhnliche Bescheide erlangte man brieflich und durch Symbole. – Merkwürdig ist die emsige Götterbefragung der Palmyrener, welche sich an den sarpedonischen Apoll und an die Himmlische Aphrodite zu Aphaca wenden, um über die Dauer ihres Reiches Auskunft zu erhalten.
Zu einer zuverlässigen Statistik des Orakelwesens in der constantinischen Zeit wird man indes aus begreiflichen Ursachen nie mehr gelangen. Es ging damit parallel eine beständige, tägliche Befragung der Zukunft durch Beobachtung mancher ganz äusserlicher Zufälligkeiten, die der Aberglaube in das Gebiet der Omina gewiesen hatte. Das sehr beliebte Aufschlagen des Virgil ist eines von den geistreichern Mitteln dieser Art; eine Knechtschaft unter viel geschmackloserem Wahnglauben haben wir in der Einleitung bei Anlass des Septimius Severus kennengelernt (S. 26 f.), welcher ausser den Omina auch noch der Traumdeutung, der Astrologie, der Magie, den attischen Mysterien usw. huldigte. Zu der altrömischen Superstition hatte sich im Laufe der Zeit die der unterworfenen Völker und des Orientes gemischt; während man zu jeder Stunde durch Omina und Portenta sich erschrecken und bestimmen liess, befragte man das chaldäische oder ägyptische Stundenbüchlein für jeden Schritt, den man aus dem Hause tun wollte. Von Maximinus Daza erzählt Euseb, er habe ohne Weissagung und Orakel nichts mit den Fingern von der Stelle zu rücken gewagt449.
Hätte es aber nur dabei sein Bewenden gehabt! Teils um etwas Zukünftiges zu erfahren, teils um es magisch zu bewirken, griff der Römer der frühern Kaiserzeit nicht selten zu den abscheulichsten Mitteln, wobei in der Regel dieselben Chaldäer gebraucht wurden, die sonst aus den Sternen die Zukunft herauslasen. Oft waren schon die Zwecke verbrecherisch, die man erreichen wollte, und da fiel in betreff der Mittel vollends jede Bedenklichkeit weg. Als Germanicus mit tödlicher Magie umgeben und dadurch wirklich zu Tode geängstigt wurde450, kam es neben diesem grossen Frevel nicht in Betracht, dass vorher ohne Zweifel andere Mordtaten hatten stattfinden müssen, um dem Zauberer die nötigen Teile von Menschenkörpern zu schaffen. Aber auch wenn es keinen positiven Zauber, kein »Antun« galt, sondern blosse Erforschung der Zukunft oder Abwendung eines Unheils, waren doch oft die Begehungen von furchtbarer Art. Die Beschauung menschlicher Eingeweide hörte, solange es ein Heidentum gab, nie völlig auf; das Ansinnen eines freiwilligen Todes für den Kaiser Hadrian hat seinem Liebling Antinous das Leben gekostet; das Zerstückeln von Leichen zum Behuf magischen Zwanges, das Beschwören derselben zu einem Scheinleben, endlich die Beschwörung von Seelen waren noch immer allbekannte, keineswegs seltene Mittel der Divination – zahlreichen geringern Zaubers, namentlich der Liebestränke, gar nicht zu gedenken. Die allgemeine Angst vor Magiern muss wenigstens so stark verbreitet gewesen sein, dass man auch namhafte und hochgebildete Leute auf das gefährlichste durch Anklagen dieser Art verschreien konnte451.
In welches Verhältnis traten nun diese magischen Übungen zu der neuen Richtung des dritten Jahrhunderts auf heidnische Religiosität und Moralität und zu der neuplatonischen Philosophie?
Was von den geheimen Wissenschaften nicht geradezu verbrecherisch und abscheulich war, dauerte ohne Anfechtung fort und wurde sogar offiziell unterstützt, wie denn der fromme Alexander Severus den Haruspices und Astrologen Staatsbesoldungen zuerkannte und sie zu Vorträgen über ihre Fächer verpflichtete. Was weiter ging und nur durch Verbrechen erkauft werden konnte, dessen enthielten sich wenigstens die meisten Kaiser, namentlich als das rastlose Kriegsleben dem Hofe einen kräftigern, gesundern Ton verliehen und Decius die Herstellung der alten Religion zum Staatsziel erhoben hatte. Noch der abergläubige Diocletian erscheint in dieser Beziehung, soviel bekannt ist, tadellos, während wir seine Mitregenten schon wieder in wüstes Unwesen versunken finden werden.
Was aber die Neuplatoniker