Die Weiße Rose. Frank Sturms. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Frank Sturms
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783843803274
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Vertrag unterschrieben hatte, wurde 1921 von Mitgliedern der rechtsradikalen „Organisation Consul“ ermordet. Der passive Widerstand der Bevölkerung im französisch besetzen Ruhrgebiet gegen die „Erfüllungspolitik“ zeigte dann aber auch bei den Siegermächten Wirkung. Bereits im April wurde auf Betreiben der Amerikaner die Reparationsschuld auf 132 Milliarden Goldmark gesenkt.

      Die gewaltigen Staatsschulden, die das Kaiserreich während des Ersten Weltkriegs aufgehäuft hatte, und die Reparationsleistungen bewirkten einen Währungsverfall. Im Juli 1922 kostete ein US-Dollar 402 (Papier-)Mark, im Oktober bereits 1648 Mark.

      1923 war das Jahr der Hyperinflation. Am 12. Oktober kostete ein US-Dollar schließlich 4 Milliarden Mark. Die Vermögen und die Sparguthaben verfielen, Elend machte sich breit. Es kam zu Hungerunruhen und zu tumultartigen Szenen vor den Banken. Im Reich wurde der Notstand ausgerufen. Die immensen Kriegskosten wurden durch die Verarmung großer Teile der Bevölkerung bezahlt. Erst im November 1923 gelang es durch eine Währungsreform und durch die Einführung der Rentenmark, die Währung zu stabilisieren.

      Von den Währungsturbulenzen und der politisch instabilen Lage versuchte eine rechte Splitterpartei zu profitieren, die ursprünglich aus München stammte, nun aber dabei war, sich in ganz Deutschland auszubreiten: die NSDAP.

      1919 war der gescheiterte Kunstmaler und Weltkriegsgefreite Adolf Hitler der Deutschen Arbeiterpartei beigetreten, einer unbedeutenden politischen Vereinigung, die hauptsächlich aus Kleinbürgern und kleinen Geschäftsleuten bestand. Er fiel schon bald durch sein großes Redetalent auf, mit dem er seine Zuhörer fesseln und überzeugen konnte. Hitler nahm sogar Schauspielunterricht, um seine rednerischen Fähigkeiten zu optimieren. Bald schon verfügte er über ein Repertoire von einstudierten rhetorischen Posen, die er immer wirkungsvoller einzusetzen lernte und die sich bis heute ins kulturelle Gedächtnis eingeprägt haben.

      Schon wenige Monate nach Hitlers Eintritt wurde aus dieser Vereinigung politisierender Kleinbürger die „Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei“. Am 24. Februar 1920 wurde die neue Partei während einer ersten Großveranstaltung im Münchener Hofbräuhaus aus der Taufe gehoben. Hitler verkündete das 25 Punkte umfassende Parteiprogramm. Das am äußersten rechten Rand des politischen Spektrums angesiedelte nationalistische Programm fiel durch die Forderung nach einer Politik auf, die Arbeiter und Kleingewerbetreibende bevorzugte, und durch einen radikalen Antisemitismus.

      Im Dezember 1920 erlaubten reiche Gönner der Partei, eine kleine Zeitung zu erwerben. Der Völkische Beobachter wurde zum offiziellen Parteiorgan der NSDAP und zu einer stetigen Einnahmequelle. Seit 1923 erschien das Blatt täglich.

      Nach der SA-Gründung gelang es der NSDAP, auch außerhalb Bayerns Fuß zu fassen. Noch 1921 wurde in Zwickau die erste nicht-bayrische Ortsgruppe gegründet.

      Während sich die politische Lage durch den Währungsverfall immer weiter zuspitzte, kam es beim „Deutschen Tag“ in Coburg im Oktober 1922 zu ersten Straßenkämpfen zwischen SA-Männern und KPD-Mitgliedern. Der Terror der braunen Kolonnen hatte begonnen.

      Hermann Esser, ein Schriftsteller, der die NSDAP mitbegründet hatte, rief zu dieser Zeit Hitler zu „Deutschlands Mussolini“ aus. Aus dem Vorsitzenden einer rechtsradikalen Splitterpartei wurde der „Führer“ der Deutschland erlösen sollte. Ebenso wie der Hitlergruß wurde auch dieser Titel von den italienischen Faschisten übernommen. „Führer“ ist die deutsche Übersetzung von „Duce“ dem Ehrentitel Mussolinis. Der englische Historiker Ian Kershaw sieht in diesem Ereignis die Geburtsstunde des Hitlermythos und den Beginn des NS-Führerkultes.

      Doch noch wehrte sich die Demokratie. Schon im November wurde die NSDAP in Preußen verboten, Sachsen, Thüringen und Hamburg folgten. Die Regierungen dieser Länder hofften, den entstehenden deutschen Faschismus stoppen zu können. Denn in Italien hatten diese extremen Nationalisten durch Mussolinis „Marsch auf Rom“ gesiegt und alle Versuche, eine Demokratie in Italien aufzubauen, hinweggefegt.

      In Bayern, das einen Rechtsruck erlebt hatte, blieb die Hitler-Partei weiter erlaubt. Im Januar 1923 fand der 1. Reichsparteitag in München statt. Die Partei hatte zu diesem Zeitpunkt 20 000 Mitglieder. Hitler baute seine Machtbasis in der NSDAP weiter aus. Aus seinen ergebensten Anhängern selektierte er den „Stoßtrupp Hitler“. Aus dieser Parteigliederung entstand später die SS.

      Ende 1923 kam es zum Streit zwischen der rechtsgerichteten bayrischen Landesregierung und der Reichsregierung, die forderte, dass der Völkische Beobachter verboten werden sollte. Hitler musste befürchten, dass sein Sprachrohr, das mittlerweile im ganzen Reich gelesen wurde, mundtot gemacht werden sollte. Er plante deshalb wie Mussolini einen Marsch auf Berlin, um die demokratisch gewählte Regierung zu stürzen.

      Putschversuche gegen die Republik hatte es seit 1919 mehrere gegeben, der bisher letzte fand am 1. Oktober 1923 durch die „Schwarze Reichswehr“ in Küstrin statt. Alle Versuche scheiterten jedoch. Noch hielten die demokratischen Institutionen stand.

      Hitler glaubte aber, dass ein von ihm geführter Putsch größere Erfolgschancen haben würde. Er war ihm gelungen, den ehemaligen Ersten Generalquartiermeister des Heeres, Erich Ludendorff, auf seine Seite zu ziehen. Ludendorff war nach dem Krieg nach Bayern gezogen und ein hoch geachteter Teil der völkischen Bewegung geworden. Mit seiner Hilfe wollte Hitler die politische Rechte einigen.

      Um die Macht in Deutschland an sich zu reißen, plante er zuerst die bayrische Landesregierung zu beseitigen, um dann auf Berlin zu marschieren. Als Datum wählte er den 9. November 1923. Genau fünf Jahre vorher war die Republik ausgerufen worden, und der Kaiser war geflüchtet.

      Am Vorabend hielt er eine Versammlung im Hofbräuhaus ab und erklärte die bayrische Regierung für abgesetzt. Es gelang seiner Parteitruppe, einige Regierungsmitglieder festzusetzen.

      Die bayrische Regierung kapitulierte aber nicht. In einer Verzweiflungstat machte Hitler sich mit seinen Getreuen auf, um die Regierung doch noch zu stürzen. Die bayrische Polizei stoppte den Demonstrationszug vor der Münchener Feldherrenhalle. Polizeibeamte feuerten auf die Demonstranten, mehrere starben. Nur mit Glück entging Hitler einer Polizeikugel.

      Hitler wurde der Prozess wegen Hochverrats gemacht. Er kam mit einem milden Urteil davon und wurde nur zu fünf Jahren Festungshaft verurteilt. Sympathisanten in der bayrischen Justiz sorgten dafür, dass die Strafe nach 8 Monaten zur Bewährung ausgesetzt wurde. Hitler nutzte die freie Zeit und die komfortablen Haftbedingungen, um seine autobiografische Programmschrift „Mein Kampf“ zu verfassen. Während er im Gefängnis saß, löste sich die NSDAP in ihre Bestandteile auf. Ein gefährlicher Gegner der Demokratie schien besiegt zu sein.

      1924 sollte eine Expertenkommission unter dem Amerikaner Charles G. Dawes erneut über die Höhe der Reparationen nach der Einführung der Rentenmark verhandeln. Im Oktober wurde schließlich die Dawes-Anleihe eingeführt. Sie ermöglichte die Einführung der Reichsmark als international konvertibler Währung.

      Die Hyperinflation war damit endgültig vorüber. In der Folge strömte vor allem amerikanisches Kapital nach Deutschland. Die Wirtschaft erholte sich allmählich wieder und es begann eine kurze Zeit