Die Weiße Rose. Frank Sturms. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Frank Sturms
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783843803274
Скачать книгу
rel="nofollow" href="#ulink_3deae14b-0b50-5dd9-8d9f-1d988d487220">5 mit dem Angriff auf Stalins Stadt. Ein mehrere Tage andauerndes Artillerie-Bombardement und schwere deutsch-italienische Luftangriffe zerstörten sie fast vollständig. 40 000 Einwohner starben.

      In den Wochen zuvor hatte Stalin seine berüchtigte „Direktive 227“ herausgegeben: Kein Meter sowjetischen Bodens sollte den faschistischen Eindringlingen mehr überlassen werden. Um der Direktive Wirkung zu verleihen, schickte er seinen fähigsten Kommandeur an die Stalingrad-Front: General Wassili Tschuikow übernahm das Kommando über die sowjetische 62. Garde-Armee. Mit dem erfahrenen Armeechef kamen verstärkt Politoffiziere („Kommissare“) zu den Einheiten. Die Kommissare sollten durch ihre geschickte Agitation die Moral der Soldaten stärken. Den Politoffizieren folgten NKWD-Staatssicherheits-Einheiten, die hinter der sowjetischen Front jeden Deserteur aufspürten und erschossen. Den Soldaten der Roten Armee blieb damit nichts anderes übrig, als bis zum bitteren Ende zu kämpfen. Stalingrad musste gehalten werden, koste es was es wolle.

      Die Rote Armee grub sich in den Trümmern von Stalingrad ein. Unter großen Verlusten gelang es der Wehrmacht, fast 95 % der Stadt zu erobern. Nur ein etwa 150 Meter breiter und mehrere Kilometer langer Uferstreifen konnte von Tschuikows Truppen an der Wolga gehalten werden. Dieser Brückenkopf war für die Rückeroberung Stalingrads von entscheidender Bedeutung, weil die zum Gegenangriff übergehenden sowjetischen Truppen weiterhin über die Wolga versorgt werden konnten.

      Am 8. November 1942 verkündete Hitler im Münchener Löwenbräukeller die endgültige Einnahme der Stadt. Der Verkehr auf der Wolga, so prahlte er, sei unterbunden und die sowjetische Wirtschaft sei von wichtigen Rohstoffquellen abgeschnitten. Doch er hatte zu früh gejubelt.

      Am 19. November begann mit der „Operation Uranus“ der sowjetische Gegenschlag. Unter Tschuikows Führung griffen 500 000 sowjetische Soldaten an. Sie wurden von mehreren Hundert modernen Panzern unterstützt, die aus den neuen Fabriken jenseits des Urals stammten. Die Wucht des Angriffs überraschte die Deutschen und ihre Verbündeten. Die Wehrmachtsführung hatte geglaubt, dass die Rote Armee ausgeblutet sei und nicht mehr die Kraft zu einer so großen Offensive hätte.

      Am 22. November 1942 gelang es den Russen, die gesamte 6. Armee zusammen mit ihren italienischen, rumänischen und ungarischen Verbündeten einzuschließen. Die sowjetischen Generäle hatten die deutsche Taktik der Kesselschlacht übernommen.

      Hitler verbot persönlich Armeechef Paulus, den Belagerungsring zu sprengen, als dies noch möglich war. Die 6. Armee sollte sich „einigeln“. Luftwaffenchef Hermann Göring hatte Hitler zugesichert, dass er mit seinen Transportflugzeugen die gesamte Armee eine beliebig lange Zeit aus der Luft versorgen könnte.

      Doch selbst zu Beginn der Luftbrücke konnten nur etwa 40% der benötigten Güter eingeflogen werden. Hunderttausende Soldaten litten deshalb im russischen Winter unter Erfrierungen, Hunger und Krankheiten.

      Nahrung, Brennstoff und selbst Munition wurden im Kessel immer knapper. Dringend benötigte Panzerabwehrkanonen konnten nicht an umkämpfte Frontabschnitte gebracht werden, weil die zum Transport benötigten Pferde, die man sowieso nicht mehr füttern konnte, von den Soldaten getötet und aufgegessen wurden. Die wenigen deutschen Panzer, die im Kessel verblieben waren, hatten kaum Treibstoff und konnten nur wenige Kilometer weit fahren.

      Im Laufe der Zeit nahm die Menge der Güter, die in die zertrümmerte Stadt eingeflogen werden konnten, mehr und mehr ab, weil die sowjetischen Truppen die dem Kessel am nächsten gelegenen Feldflugplätze einnahmen, und die schwerfälligen deutschen Transportflugzeuge immer weitere Strecken zurücklegen mussten, in denen sie verstärkt der sowjetischen Luftabwehr ausgesetzt waren.

      Viel zu spät, als die Lage der Eingeschlossenen immer hoffnungsloser wurde, entschloss sich Hitlers Wehrmachtsführung, den Belagerungsring um die Stadt zu durchbrechen. Frische Truppen aus Frankreich, die teilweise mit dem neuen „Tiger“-Panzer ausgerüstet waren, wurden eilig nach Osten verlegt. Doch auch dieser Plan scheiterte. Am 23. Dezember 1942 musste die „Operation Wintergewitter“ nach heftigen Kämpfen abgebrochen werden. Die deutschen Panzerspitzen waren nur bis auf 40 km an ihre eingeschlossenen Kameraden im Kessel von Stalingrad heran gekommen.

      Dann begann eine weitere Offensive der Sowjets. Es gelang ihnen, den Kessel zu zerteilen und einen Teil von der Luftversorgung abzuschneiden. Den deutschen Soldaten ging die Munition aus; sie verhungerten und erfroren bei Temperaturen bis zu minus 30 Grad. Die Verwundeten konnten in diesem Teil nicht mehr versorgt und ausgeflogen werden. Stalingrad wurde zum Massengrab für die deutschen Soldaten. Ein deutscher Pathologe, der im Kessel die Leichen von deutschen Soldaten stichprobenartig untersuchte, stellte fest, dass etwa die Hälfte der Toten verhungert war. Seine Erkenntnisse durfte er nicht weitermelden. Das Märchen von einer ausreichenden Luftversorgung sollte unter allen Umständen aufrecht erhalten bleiben.

      Fritz Hartnagel, der Verlobte von Sophie Scholl, hielt als Oberleutnant bei der Luftwaffe im Kessel aus. Am 17. Januar 1943 schrieb er an seine Verlobte:

      So wie Hartnagel erging es vielen deutschen Soldaten im Kessel. Doch er hatte Glück. Mit einem der letzten Flugzeuge, das noch in Stalingrad landen konnte, wurde er ausgeflogen. Er kam zur Erstversorgung in ein Lazarett, das sich in der eroberten Ukraine befand. Verwundete Stalingradkämpfer durften das Reichsgebiet nicht betreten. Um die Moral an der Heimatfront nicht zu gefährden, sollte der deutschen Bevölkerung der Anblick von vielen Tausend verwundeten Soldaten aus Stalingrad erspart bleiben.

      Das sowjetische Oberkommando bot den deutschen Offizieren am 8. Januar 1943 die ehrenvolle Kapitulation an. So sollte weiteres Blutvergießen vermieden werden. Doch Hitler verbot den Eingeschlossenen, die Waffen zu strecken. Auf die Bitte General Paulus’, kapitulieren zu dürfen, antwortete Hitler Ende Januar in einem Telegramm:

      Die 6. Armee sollte im Kessel ausharren und auf diese Weise starke sowjetische Truppen binden, damit der Südabschnitt der deutschen Front für eine erneute Offensive im kommenden Sommer stabilisiert werden konnte.

      Mehr noch, in einer Rundfunkrede zum Jahrestag der sogenannten „Machtergreifung“ am 30.1.1943 konnten sich die Stalingradkämpfer die Leichenrede auf ihre eigene Armee anhören. Luftwaffenchef Göring musste die Rede halten, weil Hitler sich angesichts der sich abzeichnenden Niederlage nicht mehr traute, öffentlich vor einer großen Menschenmenge zu sprechen. In dieser Ansprache verglich Göring den Endkampf der 6. Armee unter anderem mit dem mythischen Untergang der Nibelungen an Etzels Hof. Er versuchte so, die militärische Katastrophe und sein eigenes Versagen zu einem neuen Heldenepos umzudeuten.

      Zur Feier des Jahrestages wurde General Paulus von Hitler zum Feldmarschall befördert. An diese Beförderung war allerdings die Erwartung geknüpft, dass Paulus sich erschießen würde. Die Sowjets sollten keinen deutschen Feldmarschall gefangen nehmen. Ein so hoher Offizier sollte heldenhaft mit seiner ganzen Armee sterben.

      Paulus entschied sich anders. Am nächsten Tag kapitulierte er und ließ sich von der Roten Armee in die Gefangenschaft führen.

      Der Nordkessel, der noch sporadisch aus der Luft versorgt werden konnte, gab zwei Tage später auf. Am 3. Februar 1943 wurde die Nachricht vom „heldenhaften Untergang“ der 6. Armee im deutschen Rundfunk verlesen. Die Kapitulation wurde nicht erwähnt.

      Im Sommer 1942 waren etwa 500 000 deutsche Soldaten nach Südosten aufgebrochen, um Stalingrad einzunehmen und bis zum Kaukasus vorzustoßen. Etwa 230 000 deutsche Soldaten wurden zusammen mit ihren Verbündeten in Stalingrad eingeschlossen. Bis zu 110 000