Die Weiße Rose. Frank Sturms. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Frank Sturms
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783843803274
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osteuropäischen Raum hinein. Künstler und Wissenschaftler strömten in die Spreemetropole. Das Kulturleben blühte auf und die Stadt erlebte einen Modernisierungsschub. Meilensteine der Filmgeschichte wie Fritz Langs „Metropolis“ entstanden in den Studios von Babelsberg. Im Großen Schauspielhaus mit seinen 3200 Plätzen revolutionierte Max Reinhard das Theater. Eine neue Kunstrichtung, die Neue Sachlichkeit, entstand. Das Bauhaus in Dessau setzte im Design neue Maßstäbe. Bedeutende und noch heute viel gelesene Schriftsteller wie Alfred Döblin, Erich Kästner, Hans Fallada lebten und arbeiteten in Berlin.

      Aus Deutschland kam die fortschrittlichste Technik. Ende 1924 fand die erste Deutsche Funkausstellung in Berlin statt. Der Rundfunk wurde zum Massenmedium. 1925 gab es bereits eine Million Rundfunkteilnehmer. Bei der Deutschen Automobilausstellung wurden die ersten Fahrzeuge mit Dieselmotor vorgestellt. Insgesamt 13 Deutsche erhielten während der Weimarer Republik den Nobelpreis.

      Die deutsche Republik präsentierte sich auch noch auf einem anderen Gebiet als High-Tech-Standort. Wagemutigen deutschen Fliegern gelang die schwierige Überquerung des Atlantiks von Ost nach West. Die Lufthansa wurde gegründet. Die neue Funktechnik ermöglichte es, Ferngespräche nach New York zu übertragen. Deutsche Zeppeline verbanden die Kontinente.

      Und die technische Entwicklung lief rasend weiter. Zum Ende des Jahrzehnts gab es die ersten vollelektronischen Fernsehübertragungen und die ersten Tonfilme.

      „Tempo“ war eines der Schlagworte der Zeit. Es ist kein Zufall, dass die Papiertaschentücher, die damals aufkamen, so genannt wurden. Auch die Wirtschaft veränderte sich. Unter dem Namen „Fordismus“ setzte sich die Fließbandproduktion immer stärker durch. Die neuen Produktionsmethoden ermöglichten niedrigere Preise für die Kunden. Kleidung aus den neuen Kunstfasern war auch für die ärmeren Bevölkerungsgruppen erschwinglich. In den Städten entstanden Großkaufhäuser, die „tausendfach unter einem Dach“ alle Güter des täglichen Bedarfs anboten, wie ein damals populärer Werbespruch lautete. Ein zunehmender Wohlstand ermöglichte erstmals Massenkonsum.

      1927 verabschiedete die Weimarer Koalition zwei bedeutende Sozialgesetze. Erstmals wurde eine Arbeitslosenversicherung eingerichtet und der gesetzliche Mutterschutz eingeführt.

      Auch in der Außenpolitik gelang es allmählich, Deutschland aus seiner Isolation herauszuholen. Durch die Entspannungspolitik von Gustav Stresemann und seines französischen Amtskollegen Aristide Briand gab es erste Versuche, die deutsch-französische „Erbfeindschaft“ zu überwinden. 1926 wurde Deutschland Mitglied des Völkerbunds, der Vorläuferorganisation der UNO. Gleichzeitig wurde ein Freundschafts- und Neutralitätsvertrag mit der Sowjetunion ausgehandelt. Im Briand-Kellogg-Pakt sprachen sich die großen Nationen für die Ächtung des Krieges aus. Stresemann und Briand wurde der Friedensnobelpreis zugesprochen.

      Die Republik schien konsolidiert zu sein, obwohl es immer wieder innenpolitische Turbulenzen gab. Die Zeit für einen revolutionären Umsturz schien aber vorbei zu sein.

      Als Hitler aus dem Gefängnis kam, war seine Anhängerschaft bis auf wenige Getreue in alle Winde zerstreut. Er musste 1925 die NSDAP neu gründen. Auf einer Führertagung in Bamberg im folgenden Jahr setzte er seine Linie erneut gegen sozialrevolutionäre national-bolschewistische Bestrebungen durch. Die Partei sollte nun versuchen, auf legale Weise die Macht zu erringen. Erst dann sollte es zu einer nationalsozialistischen Umgestaltung von Staat und Gesellschaft kommen.

      Der Kampf um die öffentliche Meinung und gegen die Demokratie sollte von der SA auf den Straßen geführt werden. Ein erfolgloser junger Schriftsteller sah darin seine Chance. 1926 wurde Dr. Joseph Goebbels zum „Gauleiter“ von Berlin. Er sollte die Hauptstadt für Hitler erobern. Nachdem durch den Legalitätskurs das Redeverbot für Hitler in Preußen aufgehoben wurde, erhielt er die Möglichkeit, in Berlin sprechen zu dürfen. 1928 sprach er zum ersten Mal auf einer Großkundgebung im Berliner Sportpalast. Die NSDAP und die SA wurden auch im traditionellen „roten“ Berlin zur Massenbewegung. Mit der Ernennung Heinrich Himmlers zum „Reichsführer SS“ baute Hitler seine Machtbasis in der Partei weiter aus.

      Trotz der wirtschaftlichen Erholung gelang es nie, Vollbeschäftigung zu erreichen. Bereits 1929 gab wieder 2,7 Millionen Arbeitslose, die Anspruch auf staatliche Unterstützung hatten. Am 24. Oktober 1929 kam es zum Kurssturz an der New Yorker Börse. Zum ersten Mal riss die Wall Street die Weltwirtschaft in den Abgrund. Das „Jazz Age“ mit seinem langen Wirtschaftsaufschwung endete. Das konjunkturelle Wachstum war durch eine gigantische Verschuldung von Staat und Bürgern finanziert worden. Es folgte eine lange wirtschaftliche Depression, die in den USA bis in die ersten Kriegsjahre andauern sollte.

      Das Erdbeben an der New Yorker Börse war besonders in Deutschland zu spüren. Die fragile und weiterhin durch hohe Reparationen belastete deutsche Volkswirtschaft, und mit ihr die gesamte Weimarer Republik, wurden in ihren Grundfesten erschüttert.

      Innerhalb weniger Wochen stieg die Arbeitslosenzahl um eine weitere halbe Million. In einer Zeit, in der die Arbeitslosenunterstützung nur das knappe Überleben sicherte, bedeutete Arbeitslosigkeit für die betroffenen Familien den Sturz ins Elend. In den wenigen Jahren seit der Hyperinflation war es den Wenigsten gelungen, finanzielle Reserven aufzubauen. Arbeitslose standen oftmals vor dem Nichts.

      Von der sich immer weiter verschärfenden wirtschaftlichen Lage profitierten die extremistischen Parteien. Die KPD auf der extremen linken und die NSDAP auf der extremen rechten Seite des politischen Spektrums versprachen eine radikale Veränderung der Verhältnisse. In den Augen ihrer Anhänger hatte sich die Demokratie als untauglich erwiesen. Die Probleme Deutschlands sollten mit diktatorischen Mitteln gelöst werden, sei es durch die Diktatur des Proletariats, sei es durch eine faschistische Führerdiktatur. Noch versuchte die Republik, sich zu wehren. So verbat die preußische Regierung 1930 ihren Beamten die Betätigung in KPD und NSDAP. Die Krise war aber bereits so tief, dass alle Versuche, den immer stärker werdenden Extremismus einzudämmen, zum Scheitern verurteilt waren.

      Die demokratischen Regierungen lösten einander immer schneller ab. Die „Weimarer Koalition“ aus SPD, Zentrum und den Liberalen zerbrach. Rechtsbürgerliche, rechte und nationale Parteien wurden stärker. 1930 wurde Heinrich Brüning Chef einer bürgerlichen Minderheitsregierung, die sich auf das Vertrauen des 1925 zum Reichspräsidenten gewählten ehemaligen Feldmarschalls Paul von Hindenburg stützen konnte. Mit Notverordnungen, also unter Umgehung des Parlaments, versuchte Brüning der Lage Herr zu werden. Um eine erneute Hyperinflation zu verhindern, verordnete er ein striktes Sparprogramm, mit dem er den Anstieg der Staatsverschuldung bremsen wollte („Deflationspolitik“). Diese Austeritätspolitik verschärfte die Krise weiter, und durch eine Entlassungswelle bei den Staatsbediensteten wurde das Heer der Arbeitslosen zusätzlich vergrößert. Anfang 1931 stieg die Zahl der Arbeitslosen auf 4,97 Millionen.

      Bei der Reichstagswahl im September 1930 erreichte die NSDAP eine spektakuläre Steigerung ihres Stimmenanteils von 2,6% auf 18,3%. Die Nationalsozialisten konnten nicht länger ignoriert werden. Nachdem in Thüringen ein Nationalsozialist, Wilhelm Frick, Minister geworden war, kam es im Oktober zu einer ersten Unterredung zwischen Brüning und Hitler. Es sollte die Möglichkeit einer Regierungszusammenarbeit ausgelotet werden.

      Um den politischen Kampf auf den Straßen gegen Demokraten und Kommunisten effektiver führen zu können, ernannte Hitler den ehemaligen Offizier Ernst Röhm 1931 zum Chef der SA. Die SA hatte zu diesem Zeitpunkt die doppelte Mannstärke der Reichswehr.

      Hitler wollte, dass der politische Kampf auch in die Betriebe getragen wurde. Im Januar 1931 wurde die Nationalsozialistische Betriebszellenorganisation gegründet. Die NS-Betriebszellen sollten das Gegengewicht zu den Gewerkschaften bilden.

      Die Krise verschärfte sich immer weiter. Mitte 1931 standen die deutschen Staatsfinanzen vor dem Zusammenbruch. US-Präsident Herbert Hoover setzte durch, dass die Reparationszahlungen für ein Jahr ausgesetzt wurden. Die Londoner Sieben-Mächte-Konferenz beschloss, dass die kurzfristigen privaten deutschen Auslandsschulden nicht mehr bedient werden mussten.

      Die Demokratiefeinde formierten sich unterdessen. Im Juli 1931 wählte der Deutsche Studententag erstmals einen Nationalsozialisten zum Vorsitzenden. Im Oktober 1931 formierte sich die „Harzburger Front“ aus der NSDAP und dem nationalistischen „Stahlhelm“-Verband.