»Hatten die beiden denn später noch etwas miteinander?« forschte Wyatt.
»Aber ja. Cumberland wollte ihm das Land abkaufen. Für einen Dreckpreis. Termolen lehnte ab. Dann kam der Goldene Bill und warb ihm die Cowboys ab. Innerhalb eines einzigen Jahres gab es keinen Mann mehr, der für Termolen reiten wollte. Und wenn es dem Alten mal gelungen war, ein paar Burschen zu finden, kam Big Bill und holte sie ihm weg. Er ließ es sich etwas kosten, den Alten zu ruinieren.«
Langsam zogen sie auf die Ranch zu.
Am Tor hielten sie an.
Immer noch stand der alte, halbzerfallene Wagen neben dem Brunnen, das Scheunentor hing immer noch quietschend in der einen Angel, und oben am Ranchhaus stand die Tür halboffen, wie damals, als Wyatt hier gewesen war.
Sie ließen den Wagen vor der Veranda stehen, rutschten aus den Sätteln und stiegen die wenigen Stufen hinauf.
Walker klopfte an die Tür. »Termolen, ich bin es, Walker. Kann ich reinkommen?«
Nichts rührte sich.
Nur das schaurige Jammern des Scheunentores klang über den Hof.
Ein eigenartiges Gefühl beschlich Wyatt. Er schob sich an dem Rancher vorbei in den Raum – und blieb wie erstarrt stehen.
Walker kam nach. »Was gibt’s?«
Und dann sah er es auch.
Langausgestreckt, mit dem Gesicht auf den Dielen, lag der Greis vorn in der Halle. Sein Hemd war über dem Rücken aufgerissen und blutig.
Eine Kugel hatte seinem zähen Leben ein Ende gemacht.
Er mußte schon mehrere Tage da gelegen haben. Wyatt und der Small Rancher schaufelten ihm eine Grube und betteten den Alten hinein.
Als sie schließlich an dem Erdhügel standen, die Hüte abnahmen und stumm auf das kleine Grab blickten, fing es in großen Tropfen an zu regnen.
Da hörte Walker den Mann neben sich sagen. »Er hat jahrelang auf den Tod gewartet. Am 24. Oktober wäre er hundert geworden. Und irgend so ein elender Bandit hat ihm den Tod gebracht. Durch eine Kugel in den Rücken.«
Nichts im Haus deutete darauf hin, wie sich das Drama abgespielt hatte, wie die letzten Minuten des steinalten Ranchers ausgesehen hatten.
Nur der alte Colt lag auf dem Boden.
Wyatt hob ihn auf, ließ die Trommel rotieren und sah dabei, daß eine Kugel fehlte.
Nur ein Gedanke war in dem Kopf Wyatt Earps: Möge diese eine Kugel getroffen haben!
Wyatt warf von innen den schweren Riegel vor die Haustür und stieg durch eines der hochliegenden, kleinen Fenster aus, das er dann von außen zuschob.
Mit düsteren Mienen ritten die beiden Männer aus dem Hof.
Wyatt hielt auf die Weide zu, die er neulich auf dem Heimritt gestreift hatte, und wo er Herefords gesehen hatte.
Am späten Nachmittag trafen sie die Herde. Ein paar Cowboys bewachten sie und erklärten, daß die Tiere und das Land dem jungen Roger Dunham gehörten. Sie zeigten ihnen den Weg zur Ranch.
Gegen Abend waren Wyatt Earp und Harry Walker an ihrem Ziel.
Der junge Dunham begrüßte sie freundlich und führte sie ins Haus. Man war sich schnell über den Handel einig. Er sollte am nächsten Morgen abgeschlossen werden.
Die beiden Männer bekamen für die Nacht Quartier. Früh am nächsten Morgen ritten sie mit dem Rancher auf die Weide.
Die Tiere waren bald ausgesucht und ein Dollarbündel wechselte den Besitzer.
Wyatt ahnte nicht, daß er den Mann viel später noch einmal wiedersehen sollte: Es war der gleiche Roger Jeff Dunham, der drei Jahre später unten in Dodge von der Kugel des wirklichen Young Bill Hickok in der Frontstreet vor dem Long Branch Saloon erschossen werden sollte...
*
Bill Cumberland lief mit großen, dröhnenden Schritten durch das geräumige Wohnzimmer seiner Ranch. Die Dielen ächzten unter dem Gewicht des schweren Mannes.
Drüben am Kamin lehnte der Revolvermann Seroon. Sein Blick folgte der rastlos auf und ab gehenden Gestalt des Ranchers.
Plötzlich blieb Cumberland stehen und wandte sich mit einem Ruck um. Seine Augen hafteten auf dem Gesicht Seroons. »Es muß ein Ende gefunden werden, Seroon. Wozu bezahle ich Sie...«
»Nicht dafür, daß ich die Dummheiten Hayleys ausbade, Mister.«
Mit harten Schritten kam der Rancher auf ihn zu und blieb ganz dicht vor ihm stehen. »Welche Dummheiten?« forschte er rauh.
Seroon hob gleichgültig die Schultern. »Er macht am laufenden Band Dummheiten, Mister. Er ist zu unüberlegt. Vielleicht ist er ein guter Mann für die Weide; mit Menschen kann er nicht umgehen.«
Cumberland nahm die Hände auf den Rücken und warf den Kopf mit einer gebieterischen Gebärde in den Nacken. »Ich verstehe Sie, Seroon. Sie wollen damit sagen, daß ich Dummheiten mache und mit Menschen nicht umgehen kann, he?«
Der Schießer feixte. »Das habe ich nicht gesagt, Mister. Ich sprach von Hayley.«
»Der Vormann tut nur, was ich anordne.«
»Das wäre betrüblich.«
Plötzlich senkte der Rancher den Kopf. Seine gelblichen Augen bohrten sich in die des anderen. Seine Stimme klang hart und rauh, als er jetzt sagte: »Seroon. Sie räumen den Mann aus dem Wege.« Er hatte es nicht sehr laut gesagt, aber mit einem deutlichen, drohenden Unterton.
»Wie soll ich das verstehen?«
»Genau, wie ich es gesagt habe.«
»Ich soll diesen Evans fordern?«
»Yeah.«
»Das werde ich nicht tun, Mister.«
»Ach?« ein unendlich höhnischer Zug war in dem ledernen, gegerbten Gesicht des wuchtigen Ranchers. »Das werden Sie nicht tun? Sieh mal einer an!« Blitzschnell schoß die Faust Cumberlands vor und krallte sich in die Westenaufschläge des Schießers. »Das werden Sie also nicht tun?« Cumberland zog den Mann mit einem Ruck zu sich heran. Dicht vor dessen Gesicht flüsterte er heiser: »Wo ist denn dein Verstand geblieben, Bursche? Du hast wohl vergessen, was ich von dir weiß? Wer war doch der smarte Gentleman, der unten in Newton den Kartenhai Pallgreem niederschoß, he? Du weißt, daß ich Zeuge war, daß du den Mann ohne Forderung getötet hast, aus blasser Wut heraus, weil er dich beim Spiel hereingelegt hat. He..., solltest du das etwa vergessen haben, Amigo?«
Das Gesicht des Schießers wurde aschfahl.
Cumberland stieß ihn so hart gegen den Kamin zurück, daß Seroon seinen Hut verlor. Er wagte es jedoch nicht, sich danach zu bücken. Ganz leise sagte er: »Sie sind ein Erpresser, Mister – ein ganz verdammter Erpresser.«
Cumberland maß ihn mit einem kalten Blick. »Noch einmal solch ein Wort, Bursche, und ich stampfe dich in den Boden. Was bist du denn, he? Ein dreckiger, kleiner Köter mit einem Colt! Der vor dem ersten harten Burschen den Schwanz einzieht! – Hör genau zu, Ted Seroon: Du forderst diesen Evans...«
»Er heißt nicht Evans!« begehrte der Revolvermann auf.
»Wie denn?« brüllte der Rancher. »Du siehst Gespenster! Der Mann blufft doch nur!«
»Er blufft nicht. Ich sah es seinen Augen an.«
»Augen!« polterte der Rancher. »Was kümmern mich seine Augen. Er ist natürlich ein harter Bursche, sicher – und vielleicht hat Lopin recht, wenn er meint, daß er den Colt höllisch schnell handhabt...«
»Nicht nur vielleicht, Mister, bestimmt! Ich rieche einen Revolverkämpfer. Sie können sich darauf verlassen. Ich habe eine Nase dafür. Ich spüre ihn, sehe es