Der Mann fiel wie ein leerer Sack ins Gas.
»Also, Boys«, begann Wyatt so, als sei nichts Besonderes geschehen, »das war eine nette Sache. Glücklicherweise leben wir noch und können euch für diese muntere Überraschung danken. Eine Bitte noch: Keine weiteren Scherze, da drüben im Wagen steckt noch ein Mann, der auch eine fleißige Winchester im Anschlag hat. So, Männer, und nun flott, einer nach dem anderen kommt her zu mir und reicht mir seine Pfoten.«
Wyatt stand mit Absicht so, daß er dem Rancher nicht in der Schußlinie war.
Und langsam kam einer nach dem anderen zu ihm hin und ließ sich die Hände mit einem Lederriemen auf den Rücken fesseln.
Als die vier Banditen schließlich gebunden waren und an der Erde saßen, sagte der Marshal: »Das war ein hübscher Überfall, Boys. Aber leider verstehen wir in diesen Dingen keinen Spaß.« Er band die vier mit einem Lassso aneinander. »So, das wär’s.«
Im Morgengrauen setzte sich der Treck wieder in Bewegung. Hinten am Planwagen waren die vier Banditen angebunden. Sie mußten nun zu Fuß den mühseligen Weg nach Harrington mitmachen, umgeben von blökenden und stampfenden Rindern, inmitten einer gewaltigen Wolke von Staub.
Wyatt hatte am Morgen ihre Pferde gefunden. Sie wurden mit einer Freileine an die Deichsel gespannt und mußten dem Braunen dabei helfen, den Wagen zu ziehen.
Zwei Tage später waren sie am späten Nachmittag am Rande eines breiten Talkessels, in dessen Mitte eine kleine Stadt lag.
Wyatt trieb seinen unermüdlichen Schimmel neben Walker und deutete mit dem ausgestreckten Arm ins Tal. »Harrington, Mister Walker. Wir sind am Ziel.«
Walker blinzelte auf die Häuser hinunter. »Wollen wir heute noch das Geschäft erledigen?«
»Selbstverständlich.«
Dicht vor der Stadt ließ Wyatt die Herde stehen. Walker blieb bei den Tieren, während Wyatt die vier Banditen vor sich hertrieb und auf die breite Mainstreet zuritt.
Ein großes Schild inmitten der Straße zeigte das Sheriff-Office an.
Der Cowboy lieferte die vier Banditen ab.
Dazu sagte er: »Sie haben uns mitten in der Nacht überfallen. Vier Schüsse sind gefallen. Jeder hat geschossen. In jedem Colt fehlte eine Patrone. Und alle haben sie die Decken getroffen, unter denen sie mich und den Boß wähnten...«
Der Sheriff, ein zwergenhaft kleiner Mann mit rotem Gesicht und hellen Augen pfiff leise durch die Zähne. »Aha, das ist prächtig, Cowboy. Ich kenne zwei von ihnen, die beiden anderen werden mich auch kennenlernen.« Plötzlich stutzte er. »He!« Er ging auf einen der Banditen zu und blickte ihm ins Gesicht. »Ist das nicht Nils Cumberland?«
Wyatt fuhr herum. »Cumberland?«
»Yeah.« Der kleine Sheriff zog die Brauen zusammen und stieß den Banditen an. »He, Brother – wir kennen uns doch. Du bist Nils Cumberland! Gib es schon zu.«
Da öffnete der Gefangene die Lippen und zischte. »Ja, ich bin Nils Cumberland.«
»Prächtig«, grunzte der Sheriff. »Dein Vater weiß natürlich mal wieder nichts von deinen Schandtaten.«
»Doch!« sagte der junge Mann. »Er weiß es. Diesmal, wo man mir vielleicht einen Strick drehen will, weil ich auf schlafende Viehtreiber geschossen habe, gibt es für mich keinen Grund mehr zu lügen.«
Und nun gestand der verkommene Bursche, daß Big Bill Cumberland den verstoßenen Sohn wieder daheim aufgenommen hatte, unter der Bedingung, daß er die beiden Viehtreiber, die Rinderdiebe seien, erledigte.
»Er ist ein Strauchdieb. Und zum Kummer seines stolzen Vaters in der ganzen Gegend bekannt. Aber seit drei Jahren hat man nichts mehr von dem Falschspieler, Säufer und Revolverschwinger gehört. Nun ist er also wieder da, und gleich verdient er sich einen Strick.« Der Sheriff reckte seinen Kopf zurück. »Hör zu, Cumberland, es ist gut, daß es gleich nach deiner Heimkehr mit dir zu Ende geht. Du hättest deinen Vater noch viel Ärger gemacht!« Sich an Wyatt wendend, meinte der Sheriff: »Natürlich weiß Big Bill nichts davon. Dieser Strolch ist sein ganzer Kummer...«
Obgleich der junge Cumberland protestierte, beharrte der Sheriff auf seiner Ansicht und ließ die vier von seinen beiden Deputys abführen.
Wyatt hielt es nicht für notwendig, den Sheriff über den wahren Sachverhalt aufzuklären. Er war überzeugt, daß der junge Cumberland irgendwo in der Nähe auf den alten gewartet hatte und dort von ihm den Auftrag, die beiden zu ›erledigen‹, erhalten hatte.
»Ein paarmal hat ihn der Alte aus der Tinte holen können«, meinte der Sheriff. »Diesmal wird er eine Faust in der Tasche machen müssen. Der Bursche wird mit den vier anderen hängen. Sie haben vor drei Wochen oben bei Abilene zwei Siedler überfallen und ermordet. Ein Indianeragent hat sie gesehen – und zwei davon hat er erkannt. Lut Gennan und Steve Hinrichs. Es waren noch zwei dabei. Das können nur Nils Cumberland und der rothaarige Halunke gewesen sein. Diesmal ist es um den Erben der C-Ranch geschehen...«
*
Der Sheriff hatte Wyatt zu Pat Bloomfield geschickt, der kaufte laufend Vieh auf.
Bloomfield erwies sich als ein gichtiger, krummer Texaner, der immerzu fluchend und hustend seinen Wagen bestieg und hinter dem Cowboy vor die Stadt fuhr, um sich die kleine Herde anzusehen.
Er bot drei Dollar pro Rind.
Walker machte ein betretenes Gesicht, aber er wollte zustimmen.
Da knurrte Wyatt: »Drei Dollar? Sind Sie noch gescheit, Bloomfield? Harry Walker hat die besten Longhorns von Florence. Wenn Sie das Stück für vier Dollar kriegen, haben Sie ein gutes Geschäft gemacht!«
»Unmöglich!« rief der Texaner, dann hustete er und fluchte lästerlich.
»Gut«, lenkte Wyatt ein, »wir wollen uns nicht streiten. Ich hatte mich sowieso an Sam Havercorn wenden wollen...«
Bloomfield warf den Kopf herum. »Havercorn, diesem Betrüger wolltet ihr Vieh verkaufen...?«
Wyatt hatte sich vom Sheriff sagen lassen, daß Havercorn der Konkurrent Bloomfields sei und daß sich die beiden unentwegt bekämpften.
»Natürlich! Immerhin hat Havercorn ein Auge für gutes Vieh. Und als er neulich bei uns vorbeikam, meinte er, daß wir prächtige Tiere hätten.«
Pat Bloomfield zahlte vier Dollar pro Stück.
Er zahlte gleich an Ort und Stelle in bar.
Wyattt und der Small-Rancher machten sich noch vor Einbruch der Dunkelheit auf den Weg nach Südwesten.
In dieser Nacht stellten sie keine Wachen auf. Wyatt hatte dem Rancher nicht erzählt, daß einer der Banditen der ungeratene Sohn Big Bills gewesen war. Was hätte es für einen Sinn gehabt, darüber zu sprechen.
Bloomfield hatte ihnen die Hacatt-Ranch empfohlen. James Hacatt sei ein bekannter Züchter von Hereford-Rindern. Leider machten die beiden den Weg von anderhalb Tagen umsonst. Hacatt hatte keine Herefords zu verkaufen. Er hatte erst vor wenigen Wochen eine Herde abgegeben.
Durch diesen Umweg büßten die beiden Männer insgesamt drei Tage ein. Sie kamen durch den Wagen, der die unentbehrlichen Gerätschaften für den Trail beherbergte, leider nicht sehr schnell vorwärts.
An einem trüben, regnerischen Vormittag sahen sie rechts am Weg einen halbverfallenen Holztorbogen, der oben auf den Latten die eingebrannte Inschrift Termolen-Ranch trug.
»Wir wollen dem Alten einen kurzen Besuch abstatten«, meinte Walker.
Wyatt war einverstanden. Er hatte es ohnehin tun wollen.
Sie bogen rechts über die Weide auf das hügelige Land zu und kamen nach anderthalb Stunden an eine Stelle, wo sie direkt im Süden vor sich die alte Ranch liegen sahen.
Wyatt