Über das schmale Gesicht des Small-Ranchers glitt ein bitteres Lachen. »No, Evans, das werden Sie nicht erleben. Ich verkaufe mein Land an Big Bill genauso teuer wie die Hartmanns, nämlich nur mit meinem Leben!«
Ein Cowboy hatte ihm Essen in die Hütte gebracht, und dann hatte auch das Mädchen mehrmals nach ihm gesehen. Die selbstherrlichen Männer hatten es nicht für nötig gehalten, einen besonderen Wächter bei ihm zu lassen.
Anderntags gegen Abend erreichten sie die Ranch. Sie untersuchten sofort sämtliche Schlösser und fanden sie unversehrt. Big Bill hatte es nicht gewagt, der kleinen Ranch einen Rachebesuch abzustatten. Vielleicht hatte die Drohung, die Wyatt der Frau gegenüber geäußert hatte, gewirkt: Wenn der kleinen Ranch Harry Walker etwas geschieht, geht die C-Ranch in Flammen auf.
Irgendwie schienen sie vor dem waffenlosen Cowboy doch einen höllischen Respekt zu haben.
Die beiden Männer saßen bis spät in die Nacht hinein im Wohnhaus um den Tisch und sprachen miteinander.
Walker schüttelte bekümmert den Kopf. »Ich werde aushalten, Evans, aber im Grunde ist es ein sinnloser Kampf. Big Bill hat den längeren Arm und den weiteren Atem. Mit meinen wenigen Rindern komme ich nie vorwärts, da hat Mac Hayley völlig recht. Leider Gottes. Mit den paar Longhorns komme ich zu nichts. Sie setzten zu wenig an...«
»Eben«, unterbrach ihn Wyatt. »Deshalb überlege ich schon die ganze Zeit, ob es nicht doch noch besser ist, wenn Sie sich eine kleine Herde mit Herefords anschaffen.«
»Sie sind empfindlicher als die Longhorns.«
»Schon, aber sie setzen mehr Fleisch an. Sie bringen also bedeutend mehr Geld ein. Ich kannte einen Small-Rancher drüben bei Lamar in Missouri, der hatte nicht viel Weideland. Weit weniger als Sie. Und wenn er da Longhorns gehalten hätte, wäre er eingegangen. Er hat sechzig Herefords gekauft und mehr damit verdient, als mit der vierfachen Zahl an Longhorns. Natürlich, die Weißnasen sind empfindlicher, benehmen sich dümmer und müssen besser bewacht werden, aber wenn sie dann verkauft werden, lohnt der Preis alle Mühe.«
Walker rieb sich nachdenklich das Kinn. »Dazu müßte ich meine Tiere alle verkaufen. Ich habe sonst nicht genug Geld. Wenn ich ein halbes Hundert junger Herefords ankaufe, muß ich meine Longhorns alle drangeben. Und wo bekomme ich die Tiere jetzt her?«
»Da wüßte ich Rat. Ich habe auf meinem Ritt zu Termolen die Weide eines Viehzüchters gestreift, der Herefords hatte. Wir könnten ihn besuchen. Er wird sicher eine so kleine Zahl abgeben.«
»Und die Longhorns?«
»Die nehmen wir mit und verkaufen sie vorher.«
»Wo?« fragte der Rancher unsicher.
»Auf dem Rindermarkt in Harrington.«
*
Der Braune mit dem Planwagen führte den Treck an. Das Pferd war von dem Allein-Rancher Walker daran gewöhnt worden, allein seinen Turn zu ziehen. Es blieb immer in der dünnen, oft völlig überwachsenen Wagenspur, die den Weg nach Norden bildete. Die beiden Männer ritten an den Seiten des Trecks.
Bei hereinbrechender Dunkelheit schlug Wyatt dem Rancher vor, in einer geschützten kleinen Mulde das Nachtlager aufzuschlagen.
Walker war einverstanden. Er zündete das Holz an, das der Cowboy zusammengetragen hatte, stellte das eiserne Dreibein über das Feuer, hängte den Kupferkessel auf und bald zog der Duft einer kräftigen Suppe vom Feuer.
Anschließend gab es im kleinen Kessel noch einen Kaffee.
Wyatt übernahm die erste Wache. Als er schließlich Walker weckte, war alles ruhig. Die Rinder standen still in der Mulde, und die Pferde verhielten sich drüben beim Wagen still.
Als Wyatt zu einer zweiten Wache geweckt wurde, stand der zunehmende Mond hoch am Himmel. Die Sterne glitzerten klar und warfen sein silbernes Licht auf das Land.
Wyatt machte eine Runde um die Herde und stieg dann aus der Mulde auf einen Hügel, um über das weite, nächtliche Land zu blicken. Es lag still und in tiefstem Frieden da.
Einmal nur heulte in der Ferne eine Hyäne.
Dann war alles wieder still. Die Longhorns waren das Leben in der Wildnis seit vielen Generationen gewohnt, sie kannten diese Trecks und wurden nicht unruhig. Hin und wieder blökte ein jüngeres Tier.
Plötzlich duckte sich der Mann an die Erde, legte das linke Ohr flach auf den Boden und lauschte.
Der Hufschlag mehrerer Pferde drang durch die Erde an sein Ohr.
Zu sehen war noch nichts.
Wyatt lief zurück ins Lager und weckte Walker auf. »Schnell, in den Wagen.«
Der Rancher wischte sich den Schlaf aus den Augen und stand taumelnd auf. »In den Wagen!« rief Wyatt halblaut.
Während Walker zum Wagen humpelte, rollte Wyatt die Decken und Mäntel vor den beiden Sätteln zusammen, daß es im schwachen silbernen Licht des Mondes aussah, als lägen die beiden Männer dort.
Walker hatte sich schon im Wagen postiert und einen Colt in der Hand.
Als Wyatt einstieg und die Plane hob, winkte er ab. »Das ist nichts, Boß. Nehmen Sie ein Gewehr.«
»Und Sie?«
»Wir können abwarten. Wenn’s nötig ist, nehme ich die Winchester hier. Ich habe gesehen, daß Sie sie im Wagen verstaut haben.«
»Ja, das habe ich«, versetzte der Rancher flüsternd. »Und geladen sind sie beide mit zehn Schuß...«
Es dauerte ziemlich lange. Schließlich flüsterte Walker: »Worauf warten wir denn?«
»Auf lieben Besuch«, gab der Cowboy eisig zurück.
»Haben Sie die Leute gesehen?«
»Nein, aber gehört.«
»Banditen?«
»Möglich. Ich weiß es nicht. Jedenfalls stecken wir hier hinter den dicken Holzplanken besser als unten auf dem freien Platz bei den Sätteln.«
Plötzlich begann der Tupfschimmel draußen hinter dem Wagen unruhig zu werden.
»Sie sind da!« flüsterte Wyatt.
Und richtig. Drüben von der Anhöhe lief ein Schatten hinunter auf ein Gebüsch zu, das unweit von den Sätteln stand.
Bald darauf gewarte Wyatt einen zweiten Schatten, der von der anderen Seite kam.
Ein dritter Mann stand oben am Rand der Mulde. Seine Silhouette zeichnete sich deutlich gegen den Nachthimmel ab.
Und dann krachten Schüsse. Vier zu gleicher Zeit.
Die Kugeln bohrten sich unten in die Decke.
Es blieb einen Augenblick still, dann rannten vier Männer auf den Lagerplatz zu. Einer hatte unweit des Wagens gelegen. Sie stürzten sich auf die vermeintlichen Schläfer.
Jetzt stieß Wyatt seine Winchester unter der Plane vor. »Hands up, Boys!« Kalt und schneidend fuhr seine Stimme über den Platz.
Die Männer fuhren hoch. Einer langte zum Colt.
Da heulte die schwere Winchester auf.
Der Mann schrie sofort wie wahnsinnig los und riß die Hand an den Mund.
»Werft eure Waffen weg!« rief der Marshal rauh. »Los, sonst geht die Kanone hier wieder los. Es sitzen noch neun heiße Kameraden drin!«
Langsam ließen sie Männer die Waffen fallen.
»Sie geben mir Rückendeckung«, raunte Wyatt dem Rancher zu und stieg aus.
Er hatte das Gewehr im Wagen gelassen.
Walker preßte die Zähne und die Lippen so hart aufeinander, daß ihn die Kiefer schmerzten. Da sah er den eiskalten Mann quer über den Lagerplatz zu den Banditen hinübergehen. Er hob die Waffengurte auf