Wyatt stand eiskalt da, wie immer im Augenblick der Gefahr, ließ das Tier herankommen, warf die Arme vor und schlug sie hinter dem Genick des Tieres wie ein Fangeisen zusammen.
Es war ein kurzes, stummes Ringen, dann sackte der Hund betäubt zu Boden. Es widerstrebte dem Mann, das Tier zu töten. Aber er konnte auch nicht riskieren, den gefährlichen Hund hier liegen zu lassen. Wenn das Tier wieder zu sich kam, würde es sich sofort auf die Fährte seines Peinigers setzen. Wyatt band ihm die Vorder- und Hinterläufe zusammen und schlang einen weiteren Riemen fest um Schnauze und Nacken. So konnte der Hund atmen und lag doch stumm und bewegungslos am Boden.
Das Gebell hatte Leben in den stillen Hof gebracht.
Wyatt sah einen Mann um die Ranchhausecke kommen. Er hatte ein Gewehr in der Hand.
»Liff! He, Liff! Wo steckst du? Verdammter Köter...« Brummend lief der Mann hinter dem Haus her, kam noch einmal zurück und verschwand dann.
Wenn das schwerbetäubte Tier wieder zu sich kam, würde es immerhin jaulen können, überlegte Wyatt. Er hatte also nicht allzuviel Zeit zu verlieren.
Er wußte genau, was er tat: Er drang hier in das Anwesen Bill Cumerlands ein; in die Ranch eines Mannes, der mit brutaler Kälte alles niederwalzte, was ihm im Wege stand. Wenn er jetzt zurückkehrte und ihn hier fand, würde er ihn rücksichtslos niederschießen.
Behutsam näherte er sich der Hauswand, huschte daran entlang und lauschte zum Bunkhaus hinüber.
Mit einem Sprung war der Eindringling auf dem Holzvorsprung der Verandabrüstung, schwang sich über das Geländer und ging dann mit normalem Schritt auf die Tür zu, öffnete sie und betrat die Halle des Wohnhauses.
Wyatt setzte sich auf einen Stuhl neben einer Tür und wartete.
Nach einer Minute wurde die Tür geöffnet. Mary Cumberland stand neben ihm.
Wyatt erhob sich. »Guten Abend.«
Die Frau fuhr zusammen, wurde blaß und drehte sich langsam um. Wie ein Gespenst starrte sie den Mann an.
»Sie... Sie sind hier?« stieß sie heiser hervor.
»Ja, wo sollte ich denn sonst sein?«
»Ich weiß nicht...«, stammelte sie noch immer zitternd und mit wachsbleichem Gesicht.
»Ich will es Ihnen sagen, Miß Cumberland: Ich sollte jetzt eigentlich auf dem Weg zur Poststation Loovecreek unterwegs sein. Das heißt, ich hätte natürlich noch etwas Zeit –«
»Wieso?«
»Bis morgen früh... oder...«
»Mittag..., nein..., ich weiß nicht..., was wollen Sie überhaupt?« Eine jähe Röte schoß in ihr blasses Gesicht.
»Richtig. Morgen mittag sollte ich an der Station sein, um meinen Vater und meine beiden Brüder zu erwarten, nicht wahr? Und das Zusammentreffen wollte Big Bill sich natürlich nicht entgehen lassen. Gleich vier seiner Feinde auf einem Fleck; das wäre ein schneller Fliegenklaps gewesen, nicht wahr?«
Die Frau starrte ihn immer noch entgeistert an.
»Ich habe es geahnt, daß es so kam. Deshalb habe ich die Nachricht auch aufgegeben. In Florence haben sie alle Angst vor Big Bill: weshalb sollte da der kleine Posthalter eine Ausnahme machen? Er hat den Text der Nachricht, die ich aufgab, gleich an seinen großen Boß Big Bill Cumberland weitergegeben.«
Mary hatte sich wieder gefaßt. »Und was tun Sie hier?« fragte sie jetzt scharf.
»Ich wollte Ihnen nur sagen, daß Wild Bill Hickok weder in Topeka wohnt, noch daß ich so dumm bin, eine Drahtnachricht an ihn zu senden. Aber es freut mich, daß die C-Mannschaft so geschlossen unterwegs ist, um die nicht eintreffenden Revolvermänner aus Topeka zu begrüßen. Wird das eine Freude sein.«
Da holte die Frau aus.
Blitzschnell.
Aber noch schneller hatte der Mann ihre Hand gefaßt, preßte sie hart und ließ sie wieder los. »Keine Schläge austeilen, Miß Cumberland. Ich habe nämlich noch etwas auf dem Herzen, da ich gerade mal hier bin. Wo ist Harry Walker?« Die letzten vier Worte hatte der Marshal hart und scharf ausgestoßen.
Die Frau riß die Augen auf.
»Wo?« fuhr der Mann sie an.
Ihre Hand zuckte zum Colt, der rechts an ihrem schmalen zierlichen Gurt im Halfter steckte.
Wyatt blieb ruhig stehen. »Schießen Sie, Mary Cumberland. Löschen Sie mich aus. Es gibt ja noch andere Männer, die für die C-Ranch reiten können. Vielleicht kommt ja Wyatt Earp!«
Da riß die Frau den Colt hoch.
Der Hahn knackte.
»Schießen Sie nur«, sagte der Marshal kühl. »Vielleicht stärkt das Ihren Stolz noch mehr.«
Sie starrte in seine Augen. Und als er den linken Arm ausstreckte, um ihr die Waffe wegzunehmen, vermochte sie sich nicht mehr zu wehren. Sie hatte die rechte Hand noch erhoben, als Wyatt den kleinen Revolver schon in seine Jackentasche schob.
»Wo ist Harry Walker?«
Die Frau löste sich aus ihrer Starre. Sie ließ die Hand sinken und blickte an dem Mann vorbei. »Ich weiß es nicht.«
»Sie wissen es, Mary. Und Sie werden es mir jetzt sagen!«
»Ich denke nicht daran.«
Wyatts Stimme klang plötzlich rauh und metallen: Sie werden es mir sogar sofort sagen, Mary Cumberland. Sie kennen mich doch, wie Sie behaupten. Dann wissen Sie auch, daß ich kalt und rücksichtslos bin. – Wo ist Walker?«
Sie sah ihn an, und das war wieder ihr Pech. Sie erlag erneut dem funkelndem Glimmen, das aus den Tiefen seiner Augen kam. »In der Hütte«, kam es halblaut von ihren Lippen.
»In welcher Hütte?«
»Drüben, hinter...« Sie senkte den Kopf und fand ihren Stolz sofort wieder. »Lassen Sie mich in Ruhe. Sie sind hier eingedrungen. Ich werde die Leute rufen. Ich werde...«
»Sie sind heute abend in der Hütte gewesen, wo Walker festgehalten wird?«
»Festgehalten?« Sie sah ihn an.
Wyatts Augen wurden schmal wie Schießscharten. »Oder sollte er etwa nicht mehr leben? Ich will es in Ihrem Interesse annehmen, daß er noch lebt.«
Da lachte sie schrill auf.
Unbemerkt von den beiden wurde drüben der Türknopf gedreht.
Die Tür flog auf, und Jeff Lopin, der blondhaarige, hartgesichtige Bursche stand in der Öffnung, den Colt in der vorgestreckten Faust. »He, Brother!«
Wyatt musterte ihn kühl.
Mary sprang zur Seite. »Jeff!« schrie sie. Dann blieb sie stehen und sah zu Wyatt hinüber.
»Du bist also hier, Brother!« schnarrte der Bursche näselnd. »Good, ich mach’s kurz!«
Er ließ den Hahn knacken und stieß nach Art der Trickschießer, die Waffe nach vorn, als wolle er sie werfen.
Im gleichen Moment fauchte ein peitschender Doppelschuß durch den Raum.
Jeff Lopin wurde der Colt aus der Hand geschleudert. Die Kugel hatte ihm den Unterarm aufgerissen. Seine eigene Kugel war zwei Zoll vor Wyatts Stiefelspitzen in die Dielen gefahren.
Wyatt zog die Hand aus der linken Rocktasche und hatte die Faust noch um den Knauf des kleinen Colts gespannt, genauso wie in der Sekunde, in der er die Waffe eingesteckt und auch, in der er geschossen hatte.
Lopin war aschpfahl geworden. Er stierte Wyatt grimmig an. »Los, schieß doch..., Mach Schluß!«
»Nein, Brother«, versetzte Wyatt. Er ging auf ihn zu, nahm den Colt, stieß die Patronen aus der Trommel und steckte