Der Geisterjäger Staffel 2 – Gruselroman. Andrew Hathaway. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Andrew Hathaway
Издательство: Bookwire
Серия: Der Geisterjäger Staffel
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740936938
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die er vor dem Verlassen des Zimmers an sich genommen hatte. Als er vor die Station trat, blieb er staunend stehen.

      So hatte er die Umgebung noch nicht gesehen. Er kniff die Augen zusammen, die Schneebrille brauchte er nicht, aber seine Sonnenbrille mußte er aufsetzen, um die Augen gegen das gleißende Sonnenlicht zu schützen.

      Der Himmel war wolkenlos und tiefblau. Die Sonne strahlte, als befänden sie sich in einer milden Klimazone. Sofort spürte der Geisterdetektiv die Wärme in seinem Gesicht. Der Fellanzug wäre gar nicht nötig gewesen.

      Damit waren die Überraschungen jedoch noch nicht zu Ende. An mehreren Stellen kamen aus dem Schnee grüne Inseln hervor. Dort wuchsen widerstandsfähige Gräser, Mose und Flechten.

      Sommer in der Antarktis!

      Rick Masters schätzte die Schneemenge, die bei seiner Ankunft und noch bei seinem letzten Ausflug rings um Charly gelegen hatte. Und er kam zu dem Schluß, daß hier einiges nicht mit rechten Dingen vor sich ging. Die Wolken mochten durch eine abrupte Veränderung der Wetterlage verschwunden sein. Das akzeptierte er noch. Aber der Schnee konnte nicht so schnell geschmolzen sein.

      Die übrigen Bewohner von ›Charly‹ merkten offenbar nichts von diesen Widersprüchen. Sie gebärdeten sich vor Freude wie rasend, schrien, lachten und fielen einander um den Hals. Und sie hielten Ausschau nach dem Schiff, dessen Sirene sie in kurzen Abständen hörten und das noch hinter einer Landzunge verborgen war. Es kam jedoch immer näher, den Schallwellen nach zu schließen.

      Hier stimmte etwas nicht. Beunruhigt sah Rick sich um.

      Und dann zuckte er heftig zusammen.

      Jetzt wußte er, welch teuflisches Spiel die bösen Mächte mit ihnen allen trieben!

      *

      Der Geisterdetektiv wollte niemanden bei sich haben, als er losging. Er brauchte sich keine Sorgen zu machen. Die Wissenschaftler gebärdeten sich wie Kinder, die kurz vor einer wunderbaren Überraschung standen. Niemand achtete auf ihn.,

      Er entfernte sich hastig von ›Charly‹. In einiger Distanz hatte er kleine dunkle Erhebungen auf dem grünen Boden gesehen. Sie hatten fast die gleiche Farbe wie der Untergrund. Deshalb waren sie ihm nicht sofort aufgefallen.

      Den letzten Beweis, daß es sich bei diesem friedlichen Sommerbild um dämonisches Blendwerk handelte, erhielt er gleich darauf. Er suchte vergeblich den haushohen Eisblock, in dem der Untote eingefroren war. Er existierte nicht. Selbst wenn es noch möglich gewesen wäre, daß der Schnee innerhalb weiniger Stunden wegschmolz, ein solcher Eisblock konnte nicht in so kurzer Zeit verschwinden. Es hatte sicherlich Jahrzehnte gedauert, bis er in seiner heutigen Größe entstanden war. Es würde zumindest Jahre dauern, bis er sich auf natürliche Weise auflöste.

      Rick Masters erreichte die erste Stelle. Zögernd ging er auf die dunkle Erhebung zu. Er scheute sich davor, den letzten Schritt zu tun und wußte doch, daß er keine andere Wahl hatte. Er mußte sich Gewißheit verschaffen.

      Ehe er sein Ziel erreichte, hörte er hinter sich Schritte. Rasch wandte er sich um.

      Mervin Sanders beeilte sich, seinen Freund einzuholen. Rick blieb stehen und sah dem Leiter von ›Charly‹ mit steinernem Gesicht entgegen.

      »Du hättest bei den anderen bleiben sollen«, sagte Rick, als sein Freund endlich atemlos vor ihm stehenblieb. »Es ist besser, glaube mir!«

      Mervin Sanders schüttelte den Kopf. »Meinst du, ich bin blind? Ich habe längst begriffen, daß es sich hier um keine echte Landschaft handelt. Das ist…« Er suchte nach einem passenden Ausdruck. »Es ist Blendwerk der Hölle, wenn du so willst. Was sind diese dunklen Haufen?«

      »Komm!« sagte Rick mit belegter Stimme und ging weiter.

      Mervin folgte ihm.

      Beim Näherkommen erkannte der Geisterdetektiv, daß er sich nicht geirrt hatte. Es war, wie vermutet, ein menschlicher Körper.

      Rick umrundete die reglose Gestalt, deren Kleidung so schmutzig war, daß sie die gleiche Farbe wie der Erdboden angenommen hatte.

      Er biß die Zähne zusammen, als er einen Blick in das Gesicht des Toten warf.

      »Red«, zischte er.

      Mervin Sanders stöhnte auf, als er ebenfalls den Geheimagenten erkannte. »Wie… wie lange… ist er schon tot?« fragte er stockend und wandte sich schaudernd ab.

      »Das ist unwichtig«, erklärte Rick Masters. »Wir leben im Moment in einer Vision. Was wir hier sehen, braucht noch nicht geschehen zu sein.

      »Aber es könnte bereits eine vollendete Tatsache sein?« erkundigte sich Mervin Sanders.

      »Frag nicht soviel«, antwortete Rick gereizt. »Ich weiß auch nicht alles. Sehen wir uns lieber die anderen an.«

      Rick Masters vermutete, daß es sich um Mitglieder der Expedition handelte, die vor hundert Jahren in der Nähe der heutigen Station ›Charly‹ erfroren waren. Red war durch dämonische Einflüsse zu ihnen geraten, hatte sich ihnen angeschlossen und gemeinsam mit ihnen den Tod gefunden.

      Das Ende der Expedition war in den Winter gefallen. Nun war Sommer. Durch die lange Zeit war die Kleidung der Toten bereits arg mitgenommen. Zuerst hatte sie die eisige Kälte konserviert. Nun herrschten jedoch höhere Temperaturen.

      Mit müden Schritten ging der Geisterdetektiv auf den nächsten Toten zu. Der Mann lag auf dem Rücken.

      Kaum hatte Rick einen Blick in sein Gesicht geworfen, als er mit einem Schrei zurückprallte. Mervin Sanders stöhnte entsetzt.

      Es war niemand anders als… Mervin Sanders!

      »Um Himmels willen!« Sanders krallte sich an Ricks Arm fest. »Was bedeutet das? Das – das bin – doch ich!«

      »Ganz ruhig bleiben!« sagte Rick Masters eindringlich. »Ich durchschaue das Spiel der Dämonen auch noch nicht, aber du mußt jetzt die Nerven behalten. Ich fürchte, die übrigen Toten sind deine Kollegen.«

      Hastig setzten sie die Suche fort. Bei jeder Leiche, die sie erreichten, nannte Mervin Sanders den Namen eines seiner Kollegen oder einer Kollegin. Es war so, wie Rick es vermutet hatte. Auch er erkannte die ›Toten‹, die ihnen die Eisdämonen zeigten. Obwohl diese Menschen im Augenblick gesund und wohlbehalten auf die Meeresbucht zuliefen, lagen sie scheinbar hier als Leichen.

      Rick Masters zählte. Mit Red hatten sich dreißig Personen in der Station befunden. Die dreißigste Leiche war Lilian Harper.

      »Da drüben!« rief Mervin erstickt aus. Er deutete zur nächsten Grasinsel.

      Rick stockte der Atem. Dort lag noch ein Toter.

      Als er auf die Leiche zuging, wurden ihm die Knie weich. Eine Gänsehaut lief über seinen Rücken.

      Und dann stand er vor der Leiche.

      Es war – er selbst…

      *

      Später hatte der Geisterdetektiv keine Ahnung mehr, wie lange er vor diesem dämonischen Trugbild gestanden hatte. Mervin Sanders riß ihn aus seiner Erstarrung, indem er ihn heftig am Arm rüttelte.

      »Schnell, Rick, komm!« rief der Leiter von ›Charly‹. »Das Schiff muß jeden Moment auftauchen.«

      Rick Masters riß sich zusammen und drehte sich um. Sein Blick glitt über die Meeresbucht, die jetzt eisfrei war.

      In diesem Augenblick schob sich der Bug eines großen Schiffes um die Landzunge. Noch einmal ließ die Besatzung die Sirene aufheulen.

      »Sie kündigen den Expeditionsteilnehmern ihre Rückkehr an«, sagte der Geisterdetektiv bitter. »Die Leute liegen aber bereits tot an der Bucht.«

      »Wir liegen tot an der Bucht«, korrigierte ihn Mervin.

      Rick winkte ab. »Das ist noch lange nicht sicher«, entgegnete er mit neu erwachendem Tatendrang. »Noch können wir es verhindern. Die Eisdämonen haben uns nur gezeigt, wie es für uns ausgehen