Der Geisterjäger Staffel 2 – Gruselroman. Andrew Hathaway. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Andrew Hathaway
Издательство: Bookwire
Серия: Der Geisterjäger Staffel
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740936938
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sie rasch einen ersten Überblick.

      Einige Männer und Frauen hatten Erfrierungen erlitten. Bei keinem waren die Verletzungen jedoch lebensgefährlich oder auch nur sehr schwer. Sie alle hatten Glück im Unglück gehabt.

      Doch dann zählten sie die Geretteten durch.

      »Eine Person fehlt«, stellte Mervin Sanders fest.

      Rick wußte es bereits. Er vermißte sie nämlich schon die längste Zeit.

      Lilian Harper, Mervins Stellvertreterin.

      Sie war in der Eis- und Schneewüste zurückgeblieben.

      *

      Sie hatten sich alle in einem Raum versammelt. Rick musterte flüchtig die Einrichtung. Hier fanden sonst wohl auch Zusammenkünfte statt, aber unter ganz anderen Vorzeichen. Der Raum hatte früher als Speisesaal gedient, vermutlich auch für kleinere Feste.

      Nun beherbergte er schweigende, niedergeschlagene Menschen. Diejenigen, die Verletzte versorgten, arbeiteten verbissen weiter. Die übrigen saßen oder standen wie erstarrt herum. Der Verlust Lilian Harpers traf sie schwer, schockierte sie und machte sie unfähig, etwas zu unternehmen.

      Die Lage war aussichtslos. Wie sollte man in dem Schneesturm und bei den extrem niedrigen Temperaturen die Vermißte finden?

      »Rick!« Mervin Sanders schob sich zwischen zwei Kollegen näher an den Geisterdetektiv heran. Er sprach so laut, daß ihn alle hörten, obwohl seine Worte nur für Rick Masters bestimmt waren. »Wir haben getan, was in unseren Kräften stand. Mehr ist nicht möglich. Du brauchst dir keine Vorwürfe zu machen.«

      Rick verstand, was sein Freund damit bezweckte, obwohl es vermutlich Mervin nicht einmal selbst bewußt wurde. Er wollte sich vor sich selbst und den anderen von jeder Schuld reinwaschen.

      »Du hast recht«, stimmte ihm Rick zu. Er meinte es absolut ehrlich. »Trotzdem gehe ich noch einmal hinaus.«

      »Aber – das ist doch Wahnsinn!« fuhr Mervin auf.

      »Sicher.« Rick ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. »Trotzdem versuche ich es. Ich habe so das Gefühl, daß ich weiß, wo ich Miss Harper eventuell finden könnte.«

      Mehr wollte er nicht sagen, obwohl ihn alle mit Fragen bedrängten. Als sie einsahen, daß er verschwiegen blieb, ließen sie ihn gehen.

      »Nimm die Sicherungsleine«, bat Mervin. »Du findest sonst nicht zurück.«

      Wenigstens in diesem Punkt gab der Geisterdetektiv nach. Er band sich wieder die dünne Plastikschnur um den Körper, obwohl sie ihn etwas behinderte, wenn es zu einem Kampf käme. Und mit einem Kampf rechnete der Geisterdetektiv. Das alles war das Werk der Eisdämonen, wie er die Geister der verstorbenen Expeditionsteilnehmer nannte. Inzwischen mußten sie erkannt haben, daß er gegen sie arbeitete. Irgendwann versuchten sie bestimmt, ihn auszuschalten.

      Diesmal hatte Rick Masters ein bestimmtes Ziel. Er war den Weg schon mehrmals gegangen, so daß er ihn trotz der schlechten Sichtverhältnisse auf Anhieb wiederfand.

      Bereits nach wenigen Minuten stand er vor dem haushohen Eisblock, der sich über dem Massengrab der Expeditionsteilnehmer schob.

      Er sah sich ständig nach allen Seiten um und schob vorsorglich auch wieder seine Silberkugel in den Handschuh. Diesmal steckte die Pistole in einer Außentasche seiner Fellkombination. Er wollte für alle Fälle gerüstet sein.

      Der erwartete Angriff blieb aus. Seine sonstigen Befürchtungen bestätigten sich jedoch.

      Er entdeckte Lilian Harper. Sie war nicht weiter als auf Armeslänge von ihm getrennt, als er endlich vor ihr stand. Allerdings befand sich eine Eisschicht zwischen ihnen.

      Lilian Harper war in dem gewaltigen Block eingeschlossen. Sein Gefühl hatte ihn nicht getrogen.

      Das Eis verzerrte die Konturen. Rick konnte Lilians Gesicht aber noch so deutlich erkennen, daß er erleichtert aufatmete.

      Obwohl sie gleichsam in Eis eingegossen war und ihr nicht einmal eine Blase für Atemluft blieb, lebte sie. Er sah genau, daß sie atmete. Die Augen hielt sie geschlossen. In ihrem Gesicht rührte sich kein Muskel.

      Rick klopfte mit der Pistole gegen das Eis. Er hatte einmal gehört, daß sich der Schall innerhalb eines Eisblocks gut fortpflanzte. Eigentlich hätte Lilian ihn hören müssen. Sie reagierte aber nicht.

      Vielleicht war sie ohnmächtig. Möglicherweise existierte sie auch in einer anderen Zeit. Wie schon lange nicht, so spielte gerade die Zeit in diesem Fall eine wichtige Rolle. Nicht nur, daß immer wieder Visionen aus der Vergangenheit auftauchten, auch Red war in der Vergangenheit verschwunden. Nun hatte Lilian wahrscheinlich das gleiche Schicksal erlitten.

      Rick sah sich nach dem Untoten um. Irgendwo mußte auch die lebende Leiche in dem Eis eingeschlossen sein. So sehr er jedoch suchte, er fand sie nicht.

      Der Geisterdetektiv nahm sich nicht die Zeit, lange über das Verschwinden des Untoten nachzudenken. Er mußte Lilian helfen.

      Allein war er zu schwach. Nur mit den Mitteln der Station konnte er die Frau aus ihrem Gefängnis holen.

      Rick machte sich auf den Rückweg. Er beeilte sich, denn jede Minute konnte Lilian Harper den Tod bringen.

      *

      Es fiel den Wissenschaftlern offensichtlich schwer, Rick zu glauben. Sie hatten nun schon vieles akzeptiert, doch jede neue Hiobsbotschaft wurde absurder.

      Einige Besatzungsmitglieder der wissenschaftlichen Station weigerten sich rundweg, Ricks Behauptung hinzunehmen, Lilian Harper sei in Eis eingeschlossen und werde trotzdem in einer Art Trancezustand leben. Dabei hatte der Geisterdetektiv nicht einmal seine Theorie vertreten, daß sich Lilian in einer Zeitblase befand, irgendwo in der Vergangenheit oder Zukunft.

      Mervin Sanders jedoch hielt zu dem Geisterdetektiv. Er glaubte alles, was von Rick kam.

      »Wir brauchen Brennstoffe, um das Eis zu schmelzen«, ordnete der Geisterdetektiv an. »Am besten wäre ein Flammenwerfer.«

      »Den haben wir nicht, das habe ich dir schon gesagt«, erwiderte Mervin. Er senkte die Stimme. »Ich besitze noch eine eiserne Reserve an Heizöl. Die anderen wissen das. Ich wollte sie eigentlich verwenden, wenn die gesamte Energieversorgung zusammenbricht. Aber wenn du das Öl für Lilian brauchst… Wir sollten es allerdings vorher noch auf andere Art versuchen.«

      »Wenn du einen Vorschlag hast, höre ich dir gern zu«, erwiderte Rick ungeduldig. »Es sollte nur schnell gehen. Ich weiß schließlich nicht, wie lange Lilian im Eis noch durchhält.«

      »Hacken!« Mervin blickte Rick hoffnungsvoll an. »Wir können das Eis aufhacken.«

      »Ich habe mit dem Pistolenlauf dagegen geschlagen«, erwiderte Rick. »Hat sich angefühlt, als wäre das Eis härter als Beton. Aber bitte, versuchen wir es.«

      Er versprach sich nicht viel davon, aber er fürchtete andererseits, daß unter den Wissenschaftlern ein Tumult ausbräche, wenn er ihre eiserne Reserve an Brennstoff verfeuerte.

      Es fanden sich noch zwei freiwillige Helfer, die Rick und Mervin begleiteten. Zu viert machten sie sich auf den Weg zu dem Eisblock, fanden alles unverändert vor und begannen mit der Rettungsaktion.

      Rick holte weit aus und schlug mit ganzer Kraft gegen das Eis. Mit einem hellen Ton zersprang die Hacke. Der vordere Teil flog weg und hätte um ein Haar Mervin am Kopf verletzt. Er bohrte sich tief in den Schnee.

      Rick ließ die wertlos gewordene Hacke fallen und deutete auf den Block. »Genau, wie ich vermutet habe. Nicht einmal eine Schramme in der Oberfläche.«

      Die anderen versuchten es ebenfalls. Vergeblich. Ein Stück daneben ging es. Das Eis brach auf.

      Sie wechselten sich ab und arbeiteten sich von der Seite her an Lilian heran. Zuerst bohrten sie sich tief in den Block vor, ehe sie umschwenkten.

      Doch dann erreichten sie wieder eine Zone, in der sie nicht ein einziges Stück losbrechen konnten. Es hatte keinen