Franz Ferdinand. Alma Hannig. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Alma Hannig
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Философия
Год издания: 0
isbn: 9783902862792
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immer Art«37. Ein junger Mensch solle nicht »vergnügungssüchtig seyn, d. h. das Vergnügen über die Pflichterfüllung im weitesten Sinne des Wortes setzen«. Vor einer ganz bestimmten Art der Vergnügung, der Franz Ferdinand regelmäßig und exzessiv frönte, warnte er ihn besonders: »Die Jagd darf nie Leidenschaft werden; sie muß nur erlaubtes Vergnügen ohne Schädigung jedweder Pflichterfüllung bleiben.«38 Als Franz Ferdinand im Herbst des Jahres 1888 zum Major befördert und dem Infanterieregiment Nr. 102 »Freiherr von Catty« nach Prag zugeteilt wurde, bekam er einen ernsten Brief von seinem Onkel, weil er vor der Versetzung einen zweimonatigen Urlaub nehmen wollte: »Und warum? Um sich zu unterhalten!«39 Erzherzog Albrecht riet ihm dringend dazu, den Urlaub zu verschieben, um keinen schlechten Eindruck bei dem neuen Regiment zu hinterlassen.

      Auch wenn er viele ähnliche Schreiben seines Onkels erhalten hatte, die ihn damals nicht erfreut haben, zog Franz Ferdinand im Gegensatz zu seinem Cousin Rudolf später nach dem Tod Albrechts ein positives Fazit: »Was ich als Soldat bin, was ich gelernt habe, die Lust und Liebe zu unserem schönen Handwerk verdanke ich größtenteils ihm. Er war ein selten edler, nobler Charakter […], ein treuer Diener und Berater seines Kaisers, ein unersetzlicher Mann für die Armee und der Vertreter des altkonservativen Elementes in unserer Familie.«40 Er habe ihm viel erzählt, ihm »Lehren aus dem reichen Schatze seiner Erfahrungen« gegeben und war für ihn »immer von wahrhaft väterlicher Güte«.41 Kurzum, Erzherzog Albrecht sei sein Vorbild gewesen.42

      Die Versetzung nach Prag 1888 kam Franz Ferdinand sehr gelegen, denn im März 1887 hatte er bereits Schloss Konopischt in der Nähe von Prag gekauft. Die Herrschaft gehörte ursprünglich der Familie Lobkowitz und befand sich in einem etwas vernachlässigten Zustand, sodass viel Zeit und große Geldsummen notwendig waren, um es zu renovieren, zu modernisieren und einzurichten. Franz Ferdinand baute es im Laufe der Jahre zu seinem Fürstensitz aus. Zahlreiche Häuser und Industrieanlagen aus der Umgebung mussten dem Großprojekt weichen: Der Erzherzog legte einen 300 Hektar großen Park an, um dessen Gestaltung und Bepflanzung er sich persönlich kümmerte. Der Rosengarten wurde zum schönsten und außergewöhnlichsten Teil der gesamten Parkanlage. Die umliegende Landschaft wurde ebenfalls umgestaltet, die Wirtschaftsgebäude und Meierhöfe renoviert bzw. errichtet. Es entstanden auch zwei Tiergärten mit Rotwild und Rehwild.

      Das Schloss wurde auf den neuesten Stand der Technik gebracht: Elektrizität und hydraulische Aufzüge sowie moderne Badezimmer und neue Treppenaufgänge hielten Einzug. Um eigenen Strom zu erzeugen, wurde unterhalb des Schlosses ein eigenes Wasserkraftwerk errichtet. Die wertvollen Kunst- und Waffensammlungen aus dem estensischen Erbe wurden Stück für Stück nach Konopischt übersiedelt und von bekannten Bildhauern kunstvoll arrangiert.43

      Im April 1889 schenkte Erzherzog Carl Ludwig seinem ältesten Sohn das in Niederösterreich gelegene Schloss Artstetten. Obwohl er sich anfangs dort viel seltener aufhielt als in Konopischt, ließ er es genauso modernisieren und technisch optimal ausstatten. Das Schloss erlangte seine Bedeutung erst durch den Bau der Gruft im Jahr 1909, in der später Franz Ferdinand und seine Familie bestattet werden sollten.44

      Der Erzherzog fühlte sich wohl in Prag. Er richtete sich auf dem Hradschin in den Räumlichkeiten, die Kronprinz Rudolf als Oberst bewohnt hatte, neu ein. So sehr er sich auch bemühte, die tschechische Sprache zu erlernen, beherrschte er sie laut Qualifikationsliste nur »zum Dienstgebrauch genügend«.45 Sein Leben dort war um einiges angenehmer und unterhaltsamer als in Enns, bis ihn im Januar 1889 die Nachricht vom Tod seines Cousins erreichte.

      2. Unerwünschter Thronfolger

      Im Jahr 1889 sollte sich das Leben des Erzherzogs Franz Ferdinand grundlegend ändern. Der Selbstmord des einzigen Sohnes Kaiser Franz Josephs katapultierte Franz Ferdinand über Nacht auf Platz eins in der Thronfolge. Aufgrund des hohen Alters des Erzherzogs Carl Ludwig galt nun dessen Sohn als Thronfolger der Habsburgermonarchie. Über die Umstände des Todes seines Cousins Rudolf in Mayerling, mit dem er stets freundschaftlichen Umgang gepflegt hatte, erfuhr Franz Ferdinand erst nach seiner Ankunft in Wien. Eine offizielle Bekanntmachung des neuen Thronfolgers blieb auf Wunsch des Kaisers wegen der Trauer um Rudolf aus. Außerdem rangierte Erzherzog Carl Ludwig in der Thronfolge immer noch vor seinem Sohn, sodass eine solche Bekanntmachung ein unnötiger Affront Franz Josephs gegen den eigenen Bruder gewesen wäre. Daraus resultierte die Entscheidung, auf die sonst üblichen medialen Mittel zur Steigerung der Bekanntheit und Popularität – lancierte Presseartikel über die Kindheit und Jugend des Thronfolgers – zu verzichten. Eine weitere Folge dieser Entscheidung war die persönliche Unsicherheit Franz Ferdinands über die eigene Position, da während seiner Krankheit in den Jahren 1894 bis 1897 sein Bruder Otto ins Gespräch gebracht worden war.

      Erzherzog Albrecht sah in seinem 25-jährigen Neffen sofort den neuen Thronfolger und verstärkte deshalb sein Engagement, ihn nun auf das angemessene Verhalten in seiner neuen Position vorzubereiten. Eindringlich appellierte er an Franz Ferdinand, seinen Verpflichtungen gewissenhafter nachzukommen und die gesellschaftlichen und Jagdvergnügen zu reduzieren. Klug und aufgeklärt brachte Erzherzog Albrecht die Besonderheit der Situation auf den Punkt: »In Deiner Jugend nicht zum Thronfolger bestimmt, war es natürlich, daß Du nicht jene eindringlichen Studien, insbesondere in Staatsrecht, Staatengeschichte wie vaterländische, u.s.w. gemacht hast, welche für jeden Regenten, am allermeisten aber für einen konstitutionellen unentbehrlich sind, soll er nicht zum blinden Werkzeuge in den Händen Anderer, und zwar meistens seiner ärgsten Feinde, herabsinken. […] In diesen zwei Richtungen: als höherer Offizier wie als künftiger Regent wirst Du viel Zeit bedürfen, um Dich gewissenhaft vorzubereiten.«46 Zudem erinnerte er Franz Ferdinand an seinen schnellen Aufstieg innerhalb der Armee. Dies war zwar eine »für Habsburger übliche Blitzkarriere«47, aber sie würde einen dazu verpflichten, umso mehr zu arbeiten, um der neuen Stellung zu entsprechen.

      Da der Neffe den Ernst der Lage noch nicht erfasst und sich in den folgenden Wochen mehrere Eskapaden mit seinem Bruder Otto geleistet hatte, ermahnte ihn Erzherzog Albrecht nun durch die Nennung des Negativbeispiels Rudolf. Dieser habe »nicht bloß durch seine Todesart und was daran hängt, sondern schon seit Jahren durch seine Lebensart und Ausschweifungen dem monarchischen Principe und dem Ansehen des Kaiserhauses geschadet«.48 Abschließend beschwor er ihn, im Interesse der Monarchie, sich nicht mehr wie ein junger Leutnant, sondern wie ein erwachsener Mann zu verhalten. Ob dieser Appell einen besonderen Eindruck auf Franz Ferdinand hinterlassen hat, ist schwer zu beurteilen. Weitere Ermahnungen dieser Art sind jedenfalls nicht mehr erfolgt. Das Verhalten des Thronfolgers sorgte allerdings in einem anderen Kontext für große Diskussionen und Aufregung.

      Im Frühjahr des Jahres 1890 trat Franz Ferdinand seinen Dienst als Oberst beim Husaren-Regiment Graf Nádasdy Nr. 9 in Ödenburg (Sopron) an. Die Stadt war zur Hälfte von Deutschen, zur Hälfte von Magyaren bewohnt und beheimatete lediglich eine kleine Garnison. Die Erfahrungen, die er dort während seines fast zweijährigen Dienstes machte, sollten sein Bild von Ungarn, von der Monarchie und der Nationalitätenproblematik entscheidend prägen.

      Während die Mannschaften sich aus verschiedenen Nationalitäten zusammensetzten, gab es in der Garnison fast nur ungarische Offiziere, die untereinander ausschließlich Ungarisch sprachen. Da der Erzherzog die Sprache nicht ausreichend beherrschte, um deren Gesprächen zu folgen, ärgerte er sich umso mehr über die Nichteinhaltung der deutschen Dienstsprache. Sein undiplomatisches Auftreten und die öffentliche Kritik am ungarischen Nationalismus sorgten schließlich für negative Schlagzeilen in der ungarischen Presse und Ermahnungen vonseiten des Erzherzogs Albrecht sowie seines ehemaligen Lehrers Degenfeld, der ihn in einem 17-seitigen Brief über die Bedeutung des übernationalen Handelns eines österreichisch-ungarischen Thronfolgers aufklärte.49

      Franz Ferdinands Ressentiments gegenüber dem ungarischen Nationalismus verstärkten sich allerdings mit jedem Tag seines Aufenthalts in diesen Gebieten. Während der Manöver in Mezöörs (ca. 100 km von Ödenburg entfernt) im August 1890 brachte er in einem Brief an Marie Gräfin Thun, seine spätere Schwägerin, die Verärgerung über den Dienst in den ungarischen Gebieten zum Ausdruck. In typischer Manier beschrieb der Erzherzog