Die wichtigsten Werke von Jodocus Temme. Jodocus Temme. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jodocus Temme
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027238149
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sich.

      Dann stand er wieder; er sprach einige Worte mit dem General Witzleben.

      Der General nahte sich allein der Duellgesellschaft.

      »Meine Herren, Seine Majestät kennt die Veranlassung dieses Duells. Er verbietet Ihnen jede Fortsetzung desselben. Er hat mir zugleich den Befehl·erteilt, Ihnen Ihr Ehrenwort abzufordern, dass Sie aus Veranlassung Ihres Streites kein neues Duell entrieren wollen. Ich bitte um Ihr Wort.«

      Es war der Befehl des Königs.

      Die beiden Duellanten gaben ihr Ehrenwort.

      Der General von Witzleben wandte sich an Friedrichs.

      »Mein Herr, der König lässt sie um Ihren Namen fragen. Seine Majestät meint Sie schon gesehen zu haben. Auch mir scheinen Sie bekannt zu sein.«

      »Gerichtsassessor Friedrichs!« war die Antwort.

      »Gerichtsassessor mit diesem höchsten militärischen Orden?«

      »Ich war Obristlieutenant in der Landwehr —«

      »Ah, mein Herr, ich weiß genug.«

      Der General drückte herzlich die Hand des Gerichtsassessors.

      Er musste zum König zurückkehren.

      Dem Könige und ihm folgten die andern.

      Zu ihnen durfte sich Gisbert von Aschen wieder gesellen.

      »Herr Graf«, sagte der junge Freiherr zu dem Grafen, »ich nehme jedes Wort, das ich zu Ihnen sprach, zurück und erkenne Ihren Mut und Ihre Ehrenhaftigkeit an.«

      Der Graf reichte ihm die Hand.

      Der junge Arzt fragte dann:

      »Meine Herren, darf ich vorausgehen, um in dem Krankenzimmer auf Ihre Rückkehr vorzubereiten?«

      »Tun Sie das, lieber Doktor.«

      Der Doktor trat in das Krankenzimmer.

      Er sah den klaren Blick der Kranken.

      Sie lasen in seinen Augen den glücklichen Ausgang des Duells.

      Als er alles erzählt hatte, erschienen Friedrichs, Mahlberg und Gisbert in dem Zimmer.

      Auch Gisbert.

      Friedrichs gab einfach seiner Frau die Hand.

      Mahlberg küsste überglücklich die Kranke.

      Gisbert sah seine Gisbertine.

      Sie sah ihn.

      Sie stand am Fenster.

      Er trat auf sie zu.

      Sie ging ihm entgegen.

      Wenn zwei Liebende oder auch zwei Eheleute, die sich im Herzen lieben, einen Streit miteinander gehabt und dann ein paar Stunden lang, auch wohl den Tag über gegenseitig geschmollt haben — es kann bei der heißesten Liebe und in der besten Ehe vorkommen — und sie sehen sich dann plötzlich an, so fällt ihnen auf einmal ein, wie einfältig und lächerlich sie sich betragen hatten, und sie müssen dann unwillkürlich— sie können gar nicht anders, gerade ihr besseres Selbst zwingt sie — sie müssen dann loslachen, beide zugleich oder zuerst der eine und darauf der andere.

      Gisbert trat mit einem beinahe feierlichen Ernst auf seine Frau zu.

      Gisbertine musste plötzlich auflachen.

      Da musste auch er es.

      Darauf hatten sie sich erreicht.

      Jedes gab dem andern die Hand.

      Und als die Fingerspitzen sich berührten, brach aus Gisbertinens Augen mit unaufhaltsamer Gewalt ein Strom von Tränen hervor. Ihr Körper drohte zusammenzubrechen.

      Gisbert umfasste sie, hob sie an seine Brust.

      Sie umschlang mit ihren Armen seinen Nacken.

      Sprechen konnten sie beide nicht, sie nicht vor Schluchzen, er nicht vor tiefer Rührung seines Herzens. Aber kam auch nicht ihr Schluchzen aus der tiefsten Tiefe ihres Herzens?

      Als sie sich dann losließen, lächelten ihre Augen sich die Seligkeit ihres Innern zu und sie sprachen, aber nur die Blicke.

      »Von diesem Augenblicke an sind wir wahre Eheleute!«

      Der Domherr ging aus dem Zimmer. Das Herz war ihm so voll geworden; er musste es ausschütten, in seiner Weise.

      Er ging zu seinem Vetter Steinau.

      »Vetter Steinau, wissen Sie alle die Neuigkeiten?«

      »Ich weiß von nichts, Vetter Aschen.«

      Der Domherr erzählte.

      »Und so löst sich alles in Wohlgefallen auf«, schloss er.

      »Und durch wen, Vetter Aschen?« fragte der General.

      »Hm, Vetter Steinau, Sie meinen, durch einen Deus ex machina

      »Alter Republikaner!« drohte der General.

      Aber der Domherr sagte:

      »Ich lasse dem Könige, was des Königs ist. Allein lassen wir auch Gott, was Gottes ist. Mahlberg hat Vermögen. Im Auslande ist er einmal, und er kann im Auslande bleiben; in der Schweiz gibt es keine Tschoppe, und wie sie weiter heißen.

      Louis Becker — hätte ihn nicht meine Karoline zu ihrem Inspektor auf Ovelgönne machen oder Gisbert ihm nicht die Verwaltung eines seiner Güter anvertrauen können? Er wäre freilich nicht königlicher Beamter geworden.

      Und was den braven Friedrichs betrifft, er wird jetzt Rat, und meine prächtige Karoline wird Frau Rätin werden und sicher auch noch einmal Frau Präsidentin und vielleicht noch mehr. Aber hat nicht jener Herr von Schilden schon jetzt seine Präsidentenkarriere gemacht, um unzweifelhaft noch einmal als Polizeiminister den Staat zu retten?

      Aber halt, Vetter Steinau, da fällt mir etwas ein.

      Wissen Sie, was der schönste Zug ist, den der liebe Gott in das Herz des Menschen gelegt hat? Es ist der, dass man im eigenen Glücke an fremdes Unglück denken muss. Da fallen mir eben alle jene Unglücklichen ein, die in der Hausvogtei zu Berlin, in dem Schlosse zu Köpenick, in den Zentraluntersuchungsgefängnissen zu Mainz, in Marburg und Kassel und Gott weiß wo sonst noch in dem lieben deutschen Vaterlande als Demagogen hinter Schloss und Riegel seufzen. Sie alle können wir nicht retten. Auch der König bei seinem besten Willen kann es nicht. Aber für zwei, Vetter Steinau, müssen Sie bei ihm ein gutes Wort einlegen, und wenn irgendwo, so wird bei ihm ein gutes Wort einen guten Grund finden. Ich meine die beiden Armen in Köpenick, den edlen Franz Horst, der wieder außer Gefahr ist, und den edlen Unteroffizier und Gefangenenwärter Beermann. Geben Sie mir Ihre Hand darauf, Vetter Steinau, und dass Sie nicht eher mit Bitten nachlassen wollen, als bis der König sie Ihnen beide freigegeben hat! Er kann es, wenn er auch nur ein König ist.«

      Der General gab dem Domherrn die Hand.

      »Also doch der König!« sagte er dann aber.

      Und der Domherr erwiderte ihm:

      »Hm, Vetter, Sie wissen, ein alter Republikaner bin ich — ich lebte in Paris vor und während der Revolution, und ich hatte mir schon vorher mit Kopf und Herz manches in der Welt angesehen, auch in Deutschland, von dem Menschenhandel nach Amerika an — und Sie, Vetter Steinau, sind ein noch zäherer Royalist.

      Aber wie Sie das nicht bei jeder Gelegenheit auf der Zunge tragen, so mache auch ich von meinem Republikanismus kein offenes Metier, am wenigsten gegen Sie, weil wir für unsern Streit nicht einmal auf einem gemeinschaftlichen Felde zusammentreffen könnten. Dennoch nehme ich Ihrem braven Könige nichts. Aber setzen Sie einmal den Fall, wir hätten in Deutschland gar keine Könige und Fürsten. Hätte dann jene Kabinettspolitik Volk und Land so entzweien können, dass die Franzosen unsere Herren geworden wären? Hätte es dann jener Freiheitskriege bedurft? Hätte dann —«

      »Aber, Vetter Aschen«, rief der General entsetzt,