Die wichtigsten Werke von Jodocus Temme. Jodocus Temme. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jodocus Temme
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027238149
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      Und dieses? fragte der Knabe zitternd.

      Du liebst die Christin, fuhr der Vater fort; der du das Leben rettetest. Diese Christin muß geopfert werden; du selbst must sie schlachten. Folge mir, Knabe.

      Furchtbare Götter! rief der Jüngling, kraftlos auf sein Lager zurück sinkend. Vater, fuhr er dann nach einer Weile fort; an dem Leben des Mädchens hängt das meinige. Sie darf nicht sterben; die Götter können es nicht wollen. Mögen sie lieber meinen Tod gebieten. Aber sie darf nicht geopfert werden. O, um aller Ewigen willen, mein Vater, schone ihrer!

      Er sprach mit einer leidenschaftlichen, beinahe furchtbaren Anstrengung. Wolff Lutz stand in tiefen Gedanken, als er endete. Die Götter müssen ein großes unerhörtes Opfer haben! sagte er dann.

      Da trat aus einer Ecke des Gemaches ein alter, greiser Diener hervor, den Lutz dem Sohne zum Wärter gegeben hatte. Herr, sprach dieser, und näherte sich Lutzen, die Christin darf nicht sterben; es würde der Tod deines Söhnleins seyn. Glaube mir! Ich bin seit einer Woche keine Minute lang von seiner Seite gekommen, und keine Minute ist vergangen, wo er nicht mit Schmerzen ihren Namen gerufen hat. Tödte nicht die Christin, aber, willst du ihn retten vom Tode, so bringe sie hierher, und führe sie ihm auf sein Lager; dann wird er genesen; denn nur eine Liebe, die sie verschmähete zehrt ihn auf.

      In Hermanns bleiche Wange stieg eine dunkle Gluth. Wolff Lutz aber sah nur einige Augenblicke nachdenkend vor sich hin. Du hast Recht! sprach er dann zu dem Knechte, rief dem kranken Sohne zu: Du sollst genesen, Knabe! und verließ eilend das Gemach, um mit seinen unterdeß versammelten Gesellen den schnell gefaßten Plan auszuführen.

      Westlich vom Stübelhagen in einem engen Thale, das man wohl nur eine Schlucht nennen kann, befindet sich in den schroff sich emporhebenden Felsen eine geräumige Höhle. Jetzt ist ihr Eingang verschwunden, vielleicht hat irgend eine Erdrevolution Felsstücke davorgeworfen; in der Zeit aber, als Wolff Lutz auf der rothen Burg hausete, war der Eingang, obgleich verborgen, noch da. In dieser Höhle hatte die bereits erwähnte christliche Familie, da die Krankheit der Mutter eine Entfernung aus der Gegend nicht zuließ, einen Zufluchtsort gegen die Verfolgungen Lutzens gefunden. Freilich einen unsichern, wie ihnen der unvermuthete Ueberfall Lutzens und dessen Sohnes bewieß; jedoch konnten sie auch nach diesem nicht weiter flüchten. Die Leiden der kranken Frau nahmen immer mehr zu, so daß der Mann und die Tochter fast jeden Tag ihre Auflösung erwarten mußten, und jede Bewegung ihr plötzlicher Tod gewesen seyn würde. Sie blieben daher.

      Endlich schied die Seele der Kranken, um zu einem Leben einzugehen, in dem keine Furcht und keine Verfolgung über sie kommen sollten. Tief traurend standen die Hinterbliebenen an ihrem Todesbette und weinten heiße Thränen auf die kalten Hände, während der alte Geistliche still neben der Leiche knieete und betete. Die Tochter Christina, war zwar bald gefaßt, ihr gläubiges Gemüth, in dem Religion und Unschuld eine reine schöne Harmonie erhielten, fand sich in einen Verlust, der sie zwar sehr schmerzlich traf, dessen Herbe jedoch durch die Zuversicht gelindert wurde, drüben werde sie die Verlorne zu ewiger Vereinigung wiedersehen. Desto unbändiger war dagegen der Schmerz ihres Vaters. So viele Jahre hatte er in Glück und ungetrübter Freude gelebt, und so schnell, in so kurzer Zeit hatte er jetzt alles verloren, Ruhe, Sicherheit und Vermögen, ihn mußte dieser letzte harte Schlag ganz darniederwerfen. Vezweiflungsvoll rang er die Hände, und verwünschte sein Daseyn, und grollte gegen eine Weltordnung, die solches Leid auf ein unschuldiges Haupt herniederschleudern könne. Seine Tochter versuchte ihn zu trösten, sie umfing ihn mit beiden Armen und legte ihr sanftes Gesicht an seine bleichen Wangen, indem sie bittend in seine Augen sah. Allein er stieß sie von sich, um ungestört seinem wilden Schmerze sich hingeben zu können.

      Da erhob sich der Mönch von seinem Gebete. Hildebrand, sprach er strenge zu dem Verzweifelnden; ich hielt dich für mehr als du mir jetzt erscheinst, ich hielt dich für einen Christen, aber unsere göttliche Religion wohnt in deinem Herzen noch nicht. Der Christ verzweifelt nicht, der Christ empört sich nicht gegen seinen Gott und dessen Anordnungen. Der Christ leidet und duldet wie sein Erlöser, still und groß, denn er hat auch in seinen schwersten Leiden die Bürgschaft einer unendlich weisen und gnädigen Vorsehung. Aber der Heide wüthet und flucht gegen ein Schicksal, das er ein blindes nennt.

      Aber er sprach vergeblich, seine Worte waren nicht im Stande, den Schmerz des Unglücklichen zu mildern. Doch noch einmal erhob er seine Stimme. Sieh deine Tochter an! sprach er, sie hat so viel verloren wie du, und sie ist ein schwaches gebrechliches Weib, allein sie trägt den Schmerz, wie man ihn tragen muß, weil der Glaube ihr tragen hilft. Sie murrt nicht gegen die Vorsehung, obgleich ihr Pfad dunkler und angstvoller ist, als der deinige; kaum achtzehn Jahre alt, kaum aus den Jahren der Kindheit herausgetreten, geht sie schon dem härtesten Schicksale entgegen, der Verfolgung und Furcht, der Entbehrung und Noth.

      Mönch, unterbrach ihn Hildebrand bitter, gehe ich denn einen andern Weg? Gehe ich weniger dem Elende und der Noth entgegen? Habe ich Eine Stunde, in der ich mein Haupt mit Ruhe niederlegen kann? Muß ich nicht immer das Schwert des unmenschlichen Christenhenkers in meinem Nacken fürchten? Und ich soll zu einem Gotte beten können, der das über mich verhängt?

      O mein Bruder! erwiederte der Mönch, der Herr läßt keinen zu Schanden werden, der auf ihn vertraut. Aber du vertraust nicht auf ihn. Komm, sammle dein Gemüth; tritt mit mir zu der Leiche der Entschlafenen, die mit so stiller Ergebung litt. Laß uns beten, daß auch wir einst so sanft und schön sterben mögen, wie sie.

      Er faßte mit der Einen Hand Christinens und mit der andern Hildebrands Hand, und führte Beide zu dem Lager, auf dem der Körper der Geschiedenen noch lag. Hier warf er sich nieder und betete still; Christina folgte mit stillen Thränen seinem Beispiele; allein Hildebrand war nicht vermögend zu beten; nur Schmerz wohnte in seiner Seele, und von neuem fing er an zu jammern und zu toben.

      Da wurde aus einmal verworrenes Getöse in der Schlucht vor der Höhle laut, das bald und schnell näher kam, und in dem man nur Geräusch von Waffen und drohende Stimmen unterschied.

      Der Henker kommt! rief Hildebrand mit einer Art wilder Freude. Jetzt wird unserer Noth ein Ende werden! Aber theuer will ich mein Leben verkaufen.

      Er ergriff seine Streitaxt, die neben ihm an der Felsenwand stand, und schwang sie hoch über seinem Haupte. Seine Tochter war aufgesprungen, ängstlich warf sie sich ihm in den Arm. Um Gotteswillen, Vater! flehete sie! sey ruhig, denke an keine Gegenwehr, du vernichtest dich und uns!

      Aber es war, als wenn der Schmerz des Vaters sich plötzlich in eine wilde, zügellose Wuth umgewandelt hätte. Er schwang die Streitaxt höher, stieß das Mädchen von sich, und rief mit laueer, fast jauchzender Stimme: Laß sie kommen, die Henker! Sie sollen fühlen, daß ich noch einen Arm habe, wenn ich auch ein Christ geworden bin.

      Noch einmal flehete das Mädchen: Sey ruhig, Vater! Gehe in den Hintergrund der Höhle: Vielleicht finden sie den Eingang nicht. Und wenn sie ihn finden, dann laß mich mit ihnen sprechen; ich rette euch; schon einmal hat der Herr meinen Worten die Kraft verliehen.

      Aber Hildebrand hörte sie nicht. Wüthender schwang er seine Waffe und eilte an den Eingang der Höhle, in welche in demselben Augenblicke Wolff Lutz mit seinen Gesellen eindrang. Blutgier, Mordlust leuchtete aus den Gesichtern der Räuber. Hier ist das Nest! rief Lutz laut, frisch drauf, Gefährten; nur der Dirne schont.

      Mit wildem Jauchzen stürmte er voran. Da führte Hildebrand einen gewaltigen Streich nach ihm; aber er schlug fehl, denn der gewandte Räuber war rasch auf die Seite gesprungen, und führte fast in dem nemlichen Augenblicke mit seinem großen Schlachtschwerte einen Hieb nach Hildebrand, der dessen Haupt bis auf den Brustknochen spaltete und ihn entseelt zu Boden streckte.

      Christina war mit einem lauten Angstschrei zurückgestürzt. Allmächtiger Himmel! rief sie, o rette uns, rette uns! – Sie umklammerte die kalte Leiche ihrer Mutter, als wenn die Todte sie beschützen sollte. Aber der Räuber drang ihr nach und riß sie mit frecher Hand von der Leiche empor. Habe ich Dich, Dirnlein? rief er, sie mit höhnenden Blicken betrachtend. Habe ich die Zauberin?

      O habe Gnade! flehete das Mädchen, die in diesem Augenblicke, wo sie so eben und so schrecklich den Vater hatte fallen sehen, nur für ihr junges