Die wichtigsten Werke von Jodocus Temme. Jodocus Temme. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jodocus Temme
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027238149
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Herren, ich habe mich sehr gefreut — ich wünsche Ihnen einen vergnügten guten Morgen!«

      Indem er dann zum Hause zurückkehren wollte, hörte er hinten an der Fähre eine melancholische Stimme rufen:

      »Hol’ über!«

      Er blieb stehen.

      »Sollte ich die Stimme nicht kennen? Wahrhaftig, der alte lahme Schulmeister Hausmann! Der arme Musketier mit dem zweimal gebrochenen Bein! Und da hinten geht sein alter Hauptmann, der es ihm zweimal brechen ließ, um seinem Könige eine Freude zu machen. Ah, Vetter Steinau, wegen des alten Mannes wollten wir noch abrechnen, schon seit Jahren. Ob heute? Sie waren zwar so eben sehr brav, aber auch nur ans Gehorsam gegen Ihren König. Nun, wir wollen sehen.«

      Das war am Morgen geschehen.

      Gegen Abend desselben Tages waren mehrere Herren in einer engen verborgenen Schlucht versammelt, die zur Seite aus der Dahlheimer Schlucht, etwa eine Viertelstunde von der Sägemühle entfernt, auslief.

      Vier Offiziere sah man darunter, den Grafen Thalhausen, die Herren von Homberg und Klasewitz, der vierte hat uns seinen Namen nicht genannt. Sie hielten sich zusammen auf der einen Seite der engen Schlucht.

      Ihnen gegenüber auf der andern Seite befanden sich der vormalige Kellner Louis — wir nennen ihn zuerst, da er heute mit dem Grafen Thalhausen die Hauptperson in der kleinen Schlucht war — ferner der Assessor Friedrichs, der Hauptmann Mahlberg und der Freiherr Gisbert von Aschen, also gleichfalls vier Personen.

      Insofern herrschte auf beiden Seiten eine Gleichheit für den ernsten Akt, den sie vorhatten.

      Die vier jungen Offiziere waren in ihren Uniformen.

      Die vier Herren ihnen gegenüber waren in ihrer einfachen bürgerlichen Kleidung. Aber alle vier trugen sie das Eiserne Kreuz, und der Obristlieutenant Friedrichs trug dessen erste Klasse und darüber den höchsten militärischen Orden pour le mérite.

      Im Hintergrunde unter den Bäumen war noch ein neunter Herr. Es war der junge Arzt, den der Domherr von Aschen aus Uslar zur Behandlung der schwer verwundeten und schwerkranken Frau Mahlberg mitgenommen hatte. Er hatte die Aussicht, heute Abend bei einer vielleicht noch schwereren Verletzung seine Hilfe leisten zu müssen, vielleicht auch zu sehen, dass ärztliche Hilfe nicht mehr möglich sei. Er packte sein Verbandszeug unter den Bäumen aus.

      Als er damit fertig war, trat der Assessor Friedrichs in die Mitte der schmalen Schlucht vor.

      »Wenn es Ihnen gefällig wäre«, sagte er zu einem der vier Offiziere hinüber.

      Der Herr von Homberg trat zu ihm.

      Der Assessor Friedrichs war der Sekundant des Lieutenants Louis Becker, der Herr von Homberg der des Lieutenants Graf Thalhausen.

      Die Einleitungen zu dem Duell waren folgende gewesen.

      Nachdem am Morgen der General Steinau die vier Offiziere verlassen hatte, um dem Könige seine Aufwartung zu machen, und nachdem dann auch der Domherr von Aschen ihnen einen vergnügten guten Morgen gewünscht, hatten die vier Herren sich zuerst eine Zeit lang still angesehen.

      »Der verdammte kleine Spitzbube!« hatte darauf zuerst der Herr von Klasewitz ausgerufen.

      Der Herr von Homberg aber, der alles wusste, hatte gemeint:

      »Der Mensch ist ein Jesuit!«

      Der Graf Thalhausen hatte nur einfach gesagt:

      »Ich muss mich mit dem Kellner schlagen. Mit einem Kellner! Es ist zum Verzweifeln! Diese verdammte Landwehr! Aber es geht nun einmal nicht anders. Homberg, arrangiere die Sache.«

      »Für wann?« fragte der Herr von Homberg.

      »Zu heute Abend! Je eher, je besser. Hier kann ich doch nicht mehr bleiben. Man würde im Bade mit Fingern auf mich zeigen. Morgen reise ich ab.«

      »Er ist ja ordentlich wehmütig!« sagte sich der Herr von Homberg.

      Er ging in das Haus und suchte den Freiherrn von Aschen auf.

      »Herr Baron, der Graf Thalhausen wird dem Lieutenant Becker Satisfaktion geben.«

      »Und wie, Herr von Homberg?«

      »Er wird sich mit ihm schlagen.«

      »Und nicht die Beleidigung zurücknehmen? Es wäre einfacher.«

      »Aber es geht nicht. Sie werden es einsehen. Nachdem der Graf anfangs jede Satisfaktion verweigert hatte, würde man es ihm als Feigheit auslegen, wenn er jetzt revozieren wollte.«

      Gisbert sah es ein. Dann sah er auch etwas anderes ein, und er wurde verlegen.

      »Nach dem Duell mit Becker wird der Graf sich mit mir schlagen. Ich darf daher Becker nicht sekundieren.«

      »So ist es.«

      »Woher nehmen wir einen Sekundanten für ihn? Der Hauptmann Mahlberg —«

      »Mahlberg? Der Entsprungene?«

      »Nehmen Sie Anstoß daran, mein Herr?«

      »O nein, Herr Baron. Das preußische Offiziercorps hat mit der ganzen Demagogenriecherei und Demagogenfängerei nichts zu schaffen. Aber wird der Hauptmann Mahlberg als Verfolgter in der Sache vortreten wollen?«

      Gisbert wollte antworten.

      Er wurde aus seiner Verlegenheit befreit.

      »Ah, mein Freund, Sie kommen wie gerufen.«

      Der Assessor Friedrichs nahte sich den beiden.

      »Sie werden unserm Freunde Becker sekundieren? Ich darf es nicht.«

      »Ich weiß alles«, sagte Friedrichs. »Karoline hatte mir auf Veranlassung des Domherrn den Bernhard entgegengeschickt.«

      Gisbert stellte den Angekommenen dem Herrn von Homberg vor.

      »Der Herr Obristlieutenant Friedrichs wird dem Lieutenant Becker sekundieren. — Der Herr Lieutenant von Homberg, lieber Friedrichs, ist der Sekundant des Grafen Thalhausen. Die beiden Herren werden ja das Weitere verabreden.«

      Gisbert ging damit.

      Der Lieutenant von Homberg stand überrascht.

      Die kräftige Gestalt, das ruhige, stolze Mannsgesicht imponierten ihm, trotz des einfachen Wesens des Mannes, trotz seiner bürgerlichen Kleidung. Und der Obristlieutenant kam dazu und der Name. Welcher Offizier in der preußischen Armee kannte den mutigen Regimentsführer Friedrichs nicht?

      »Verabreden wir das Weitere, Herr Lieutenant«, sagte Friedrichs in seiner schlichten, ruhigen und doch so stolzen Weise.

      »Herr Obristlieutenant —« sagte der Offizier.

      »Nicht so, Herr Lieutenant. Ich heiße Friedrichs, wie Sie gehört haben. Wollen Sie einen Titel, so bin ich Gerichtsassessor. Obristlieutenant bin ich nur, wenn mein König wieder meines Arms und meines Degens bedürfen sollte.«

      Der Lieutenant verbeugte sich.

      »Ihr Herr Duellant ist der Beleidigte«, sagte er. »Sie haben die Wahl der Waffen.«

      »Ich schlage krumme Säbel vor«, erwiderte Friedrichs.

      »Wir haben das Recht der Steigerung, Herr Friedrichs.«

      »Gewiss, Herr von Homberg.«

      »Und wählen Pistolen.«

      »Wir nehmen sie an.«

      »Ich hätte zugleich eine fernere Bitte des Grafen Thalhausen auszusprechen.«

      »Teilen Sie sie mit.«

      »Er wünscht sich noch .heute Abend zu schlagen.«

      »Ich nehme es gleichfalls an.«

      »Wüssten Sie einen passenden Ort, Herr Friedrichs?«

      »Hier im Tale. Eine Viertelstunde unterhalb der Mühle