Morde zwischen Rhein und Themse. Rita M. Janaczek. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Rita M. Janaczek
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783959591270
Скачать книгу
grün, es sah aus, als seien sie von oben bis unten mit Farbe beschmiert.

       Sie kam näher und sah, dass keine Farbe an den Fenstern haftete. Ungläubig blieb sie stehen. Was sollte sie jetzt davon halten? Unwillkürlich huschte ein Lächeln über ihr Gesicht. Fleming, Sie Spinner. Sie schüttelte den Kopf und sah sich um. Die Meute Neugieriger war verschwunden. Ihr kleines Auto war bis unters Dach gefüllt mit dunkelroten Rosen, deren Blüten und Blätter sich an die Scheiben schmiegten. Sie lief langsam um den Wagen herum. Hinter dem Scheibenwischer klemmte ein Briefumschlag. Sie nahm ihn und zog eine Karte heraus. Eine Einladung für den heutigen Abend. Ein Essen zu zweit. Sie drehte die Karte um und las:

      Ich hatte niemals die Absicht, Sie zu verletzen.

      Mit einem Rest an Konzentration brachte Beverly den Arbeitstag zu Ende. Auf dem Weg nach Hause kaufte sie Pumps, die zu ihrem cremefarbenen Kleid passten. Sie hatte Henderson zwei Arme voller Blumen geschenkt, um überhaupt in ihr Auto steigen zu können. Patricia war es auch, die Vasen organisierte, um der Flut langstieliger Rosen Herr zu werden. Gemeinsamschnitten sie die Blumen an und verteilten die Sträuße in Beverlys kleiner Wohnung. Nachdem Patricia gegangen war duschte Beverly und machte sich zurecht. Sie zog das Etuikleid an, das sie schon in der Hotelbar getragen hatte, und schlüpfte in die neuen Pumps. Sie legte die dünne goldene Kette um, die sie letztes Jahr von ihrer Mutter zum Geburtstag bekommen hatte, und befestigte die Uhr am Handgelenk. Das Haar ließ sie offen. Halb acht, er würde gleich da sein. Sie nahm ihren warmen knöchellangen Mantel aus dem Schrank und zog ihn über. Dann verließ sie die Wohnung. Fleming kam ihr bereits auf der Treppe entgegen, er lächelte, als er sie sah. Sie begrüßten sich distanziert und gingen schweigend zu seinem Wagen.

      „Sie sind verrückt, Fleming“, eröffnete sie ihm, während er losfuhr. „Sie sind total verrückt! Danke für die Rosen.“

      Er schaute kurz zu ihr herüber, ihre Blicke trafen sich. Sie spürte den Puls in ihrem Hals, fragte sich, ob sie das richtige tat.

       Der Roadster schlängelte sich durch das abendliche London. Sie hielten vor einem Restaurant, das schon von außen sündhaft teuer wirkte. Als jemand ihr die Tür aufhielt und Fleming den Autoschlüssel an das Personal abgab, damit sie sein Auto parken konnten, wusste Beverly, dass es sündhaft teuer war. Sie gingen hinein. Marmor, Glas, riesige Teppiche, leise Klaviermusik. Er hatte reserviert, sie saßen in der Nähe der Tür.

      „Überspannt das hier nicht Ihr Budget als Psychologe?“, forschte Beverly, und er zog eine Augenbraue hoch.

      „Ich dachte, wir könnten anschließend Teller waschen.“ Sie lachte. „Da werden wir aber lange waschen müssen.“ Sie sah ihn an, das dunkelblonde, leicht zerzauste Haar, sein schönes Gesicht und diese absolut faszinierenden Augen. Im Schwarz seiner Pupillen konnte sie das Schimmern der Kerzen sehen, die zwischen ihnen standen.

      Der Ober brachte die Karten und Fleming bestellte Wein. Beverly studierte die Karte, sie entschied sich für überbackenes Filet.

      Beim Essen redeten sie über belanglose Dinge, und Beverly spürte wie der Wein seine Wirkung entfaltete. Sie warf einen Blick auf das halbvolle Glas und entschied sich, kein weiteres zu trinken. Dann sah sie ihn an und schwieg. Er musterte sie.

      „Sie sind die erste Frau, die ich dermaßen schwer einschätzen kann, dass es mich wirklich nervös macht.“

      „Und Sie sind der erste Mann, der auf die Idee gekommen ist, mein Auto mit Rosen voll zustopfen. So was macht mich nervös.“

      Sie hielten vor ihrem Wohnblock, und Fleming begleitete sie durch das einsame Treppenhaus nach oben. Beverly öffnete die Wohnungstür und lehnte sich an den Türrahmen. Rosenduft. Während sie langsam ihren Mantel aufknöpfte, ließ sie Fleming nicht aus den Augen. Er lehnte sich an die andere Seite des Rahmens und fixierte sie. Er nahm seine Armbanduhr ab, ohne seinen Blick von ihr zu nehmen, und ließ sie in seine Manteltasche gleiten. Beverly begriff die Anspielung, die in dieser Geste lag. Sie löste auch ihre Uhr. Sie schob sie in ihren Mantel. Dann zog er sie an sich und küsste sie. Sie drängte sich an ihn, um seinen Körper besser zu spüren und vergrub ihre Hände unter seinem Mantel. Sie hätte nicht sagen können, wie lange sie in diesem Türrahmen gestanden hatten. Als sie Schritte auf der Treppe hörte, öffnete sie die Augen und löste sich von ihm. Sie zog ihn mit sich in die Wohnung, die Tür fiel ins Schloss. Sie wusste, dass sie es tun würden. Sie hinterließen eine Spur aus Kleidung auf dem Weg ins Schlafzimmer. Beverly atmete seine Leidenschaft mit jeder Faser ihres Körpers. Sie überließ sich ihren Empfindungen. Es war anders als alles, was sie bislang erlebt hatte, weil sie wusste, dass er mit ihr einschlafen würde, weil sie wusste, dass es keine andere Frau gab, die auf ihn wartete. Er würde auch noch neben ihr liegen, wenn sie am Morgen aufwachte.

      Donnerstag, 21. März

      Als Beverly mit zusammengekniffenen Augen auf den Wecker sah, war es halb sieben. Sie setzte sich auf.

      Daniel lag nicht mehr in ihrem Bett. Wahrscheinlich war er im Bad. Sie zog sich ihren Morgenmantel über und schlich müde durch die Wohnung. Seine Kleidung war verschwunden. Entsetzt stellte sie fest, dass es hier keinen Psychologen mehr gab. Sie spürte, wie sich etwas Undefinierbares in ihrem Inneren zusammenbraute. Sie ging unter die Dusche, verharrte eine Weile unter dem warmen Wasserstrahl, reglos, mit geschlossenen Augen. Jetzt hat er, was er wollte. Er hat dich rumgekriegt. Wie nur konntest du auf die lächerlichen paar hundert Rosen reinfallen? Sie zog sich an und kickte das cremefarbene Kleid missmutig vor sich her. Evans, du bist auch zu blöd. Sie hob die neuen Pumps auf und schleuderte sie in den Schuhschrank. Unentschlossen blieb sie stehen.

      Dann klingelte es. Mit einem Anflug unbestimmter Hoffnung ging sie zur Tür und riss sie auf. „Wo warst du?“ Dämliche Frage. Es war nicht zu übersehen. Fleming war so bepackt, dass er die Brötchentüte mit den Zähnen hielt. Beverly nahm sie ihm ab. Die Erleichterung brach sich augenblicklich Bahn, sie musste lachen.

      Es war Punkt acht, als sie ihre Wagen nebeneinander in der Tiefgarage des Yard abstellten. Sie fuhr allein mit dem Fahrstuhl rauf, weil Daniel unbedingt die Treppe nehmen wollte. Sie trafen sich im Treppenhaus wieder, sahen sich an, ganz so, als hätten sie sich eine Ewigkeit nicht getroffen.

      In den Fluren herrschte Hochbetrieb. Hays eilte an ihnen vorbei. „Fleming, Besprechung bei Whitefield in zehn Minuten!“ Er verschwand in einem Büro, tauchte sofort wieder auf und nahm die nächste Tür.

      „Er weiß inzwischen auch nicht mehr, wo ihm der Kopf steht.“ Daniels Blick lag einen Moment lang auf der Tür, durch die Hays abgehetzt verschwunden war, dann sah er Beverly an.

      „Kommst du anschließend auch zu uns ins Team?“, wollte sie wissen.

      „Ja. Whitefield hat mir volles Programm verordnet. Erst Hays, anschließend euer Team, dann Dexter.“

      „Na, herzlichen Glückwunsch.“

      Sie gingen den Korridor entlang direkt zu Whitefields Büro, aber er war nicht da. Es war nicht abgeschlossen, und zwei von Hays Mitarbeitern saßen bereits angespannt wartend in der hintersten Ecke, als seien sie dort in Sicherheit, sollte der Superintendent doch auf die Idee kommen, mit Akten zu werfen. Es war in seiner derzeitigen Stimmung nicht einmal abwegig.

      Sie blieben auf dem Flur. Einige Mitarbeiter verschwanden in Büros und Besprechungszimmer, dann war der Korridor plötzlich menschenleer. Daniel drängte Beverly sachte mit dem Rücken an die Wand und küsste sie, während seine Hände unter ihren Mantel wanderten und den Konturen ihres Körpers folgten. Sie spürte seine Wärme durch den Stoff ihres Pullis, heiße Wellen zogen wie kleine Schauer über ihre Haut. Es war nur so ein Gefühl, aber sie wusste, dass jemand den Flur entlang ging, bevor sie Schritte hörte. Langsam löste sie sich von Flemings Mund und sah Sands, der gerade mit einem ich hab überhaupt nichts gesehen Blick an ihnen vorbeiging. Sie ließen voneinander ab und Beverly räusperte sich. „Ich dachte, du wärst schon unterwegs nach Birmingham?“

      Sands sah kurz auf die Uhr. Er sah abgespannt und müde aus.

      „Das