Morde zwischen Rhein und Themse. Rita M. Janaczek. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Rita M. Janaczek
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783959591270
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Ich denke, dass wir morgen Mittag Genaueres wissen.“ Er lächelte matt und ging.

      Sie sahen ihm nach; in Daniels Augen lag ein seltsamer Ausdruck. „Meinst du, er findet was raus?“

      „Darauf kannst du dich verlassen.“

      Hays und seine Truppe hatten ihren Ärger mit dem Vorgesetzten bereits kassiert. Die Spannung, die mit ihnen auf den Korridor strömte, war durchaus spürbar. Sands Team betrat das Büro ohne ihn, im wahrsten Sinne des Wortes also kopflos, und nicht gerade begeistert, nachdem sie die Gesichter gesehen hatten, die ihnen entgegenkamen.

      „Was ist jetzt mit den verdammten chiffrierten Anzeigen? Wir brauchen die Nummern, wir brauchen die Namen.“ Whitefield brodelte während Stanton nervös seine Listen sortierte.

      „Sie geben die Telefonnummern und Adressen nicht raus.“ „Machen Sie Druck, Bill. Machen Sie den Knaben von der Presse mal Feuer unterm Hintern. Drohen Sie mit einem Durchsuchungsbefehl.“

      „Den würden wir für so eine Sache gar nicht bekommen.“

      „Das weiß ich auch, Sie Schlaumeier“, raunzte Allister.

      „Sie sollen nur damit drohen.“

      „Diese Leute lassen sich nicht drohen“, warf Beverly ein. „Die wissen ganz genau um die Rechtslage. ... Aber wir bekommen Telefonnummern von der Anzeigenabteilung der London News. La Vince hat es mir zugesagt.“

      Miller beugte sich vor. „Hast du dafür auch die Beine breit gemacht?“ Hank kam nicht mehr zu seinem perfiden Grinsen, die Faust, die in seinem Gesicht landete, war schneller. Der Stuhl, auf dem er saß, kippte wie in Zeitlupe rückwärts und Miller mit ihm. Mit einem Krachen landete er auf dem Boden, Blut lief ihm aus der Nase. Whitefield war aufgesprungen, er schrie. „Sind Sie verrückt geworden?“ Henderson sah dem Schauspiel gebannt zu. Miller rappelte sich auf, er ballte die Fäuste. Stanton hielt ihn zurück. Whitefield brüllte, die Adern an seinen Schläfen traten hervor. „Das ist doch nicht zu fassen. Prügeln Sie sich woanders, Fleming! Das wird ein Nachspiel haben! ... Und Sie, Miller, halten Sie in Zukunft gefälligst Ihre blöde Klappe!“ Er sackte zurück in seinen Stuhl und schnappte nach Luft. Mit der Rechten griff er in die Schublade, zog sein Aerosol hervor und sprühte sich in den Rachen.

      Miller holte ein zerknülltes Taschentuch aus der Hosentasche und hielt es sich unter die Nase. Seine hasserfüllten Blicke waren auf Fleming gerichtet.

      Auch Beverlys Blicke klebten an Daniel. Erst stopfte er ihr Auto mit Rosen voll, dann gab er Miller eins auf die Nase; sie fragte sich, was er als Nächstes tun würde. Er setzte sich wieder und schien dabei die Gelassenheit in Person zu sein.

       „Wann bekommen wir die Nummern?“, knüpfte Whitefield, immer noch schwer atmend, da an, wo sie notgedrungen stehen geblieben waren. Seine Stimme klang heiser.

      Beverly hatte nach dieser Szene Mühe, zum eigentlichen Geschehen zurückzufinden. „Kann ich nicht definitiv sagen. Ich werde ihn noch einmal anrufen.“

      Sie sah, wie es in Millers Gesicht zuckte, aber er schwieg. Whitefields Telefon klingelte, er nahm ab. Seine Mundwinkel wanderten langsam noch weiter nach unten, während ihn jemand am anderen Ende mit einem Wortschwall übergoss. Er seufzte. Dann legte er auf. Seine Hand glitt kraftlos am Telefon herab auf den Schreibtisch. „Wieder eine tote Prostituierte. ... Fleming, Dr. Morrow und Hays warten im Autopsiesaal auf Sie.“

      Daniel wurde kreidebleich, und Miller fand augenblicklich zu seiner Form zurück. „Ja, ja, Fleming. Kleine Sünden straft der Herrgott sofort.“

      Beverly versuchte bis zum Mittag vergeblich, La Vince ans Telefon zu bekommen. Sie spielte gerade mit dem Gedanken, persönlich zur London News zu fahren, als das Telefon klingelte. Sie griff nach dem Hörer, eine Frau meldete sich, die sich als Schwester Susan vorstellte. „Tim Wilson war gestern in unserer Unterkunft für Obdachlose“, sagte sie ruhig.

      „Gestern? Wieso haben Sie uns nicht angerufen? Wo ist er jetzt?“, fragte Beverly entgeistert.

      „Das können wir Ihnen nicht sagen. Wir wissen es nicht. Wir sind darüber hinaus der einhelligen Meinung, dass er unschuldig ist.“

      „Sie sind ein Orden, kein Schwurgericht.“

      „Tim Wilson ist ein sanfter Mensch. Vorbildlich in seinem Benehmen. Stets zuvorkommend. Er hat in der Kapelle die Orgel zu den Gottesdiensten gespielt. Er hat nie etwas verlangt. Er war immer mit dem zufrieden, was wir ihm gewährt haben, Unterkunft und Essen. Er kann so etwas nicht getan haben. Darum haben wir ihn weggeschickt, damit er nicht unschuldig in den weltlichen Mühlen zermahlen wird.“

      „Sie machen sich strafbar, Schwester Susan.“

      „Strafe ist allein die Sache Gottes, Sergeant. Wir haben unser Versprechen gehalten. Ich habe mitgeteilt, dass er bei uns war.“

      „Ja, aber zu spät. Wenn er wirklich unschuldig ist, hat er nichts zu befürchten.“

      „Das haben wir ihm gesagt.“

      Beverly schnappte nach Luft. „Sie haben ihm gesagt, dass wir ihn suchen?“

      „Hätten wir lügen sollen?“

      „Schweigen hätte auch gereicht.“

      „Wir schließen ihn in unsere Gebete ein. Wir werden auch für Sie beten, Sergeant. Wir werden dafür beten, dass Sie den richtigen Weg finden.“ Schwester Susan legte auf.

      Beverly fragte sich, wie sie das Whitefield beibringen sollte. St. Williams war jetzt gewarnt. Wenn er bislang vorsichtig war, würde er ab jetzt noch wachsamer sein. Sie erhob sich, machte sich auf, Allister die nächste schlechte Nachricht zu überbringen.

      Sie klopfte und trat ein. Er saß allein in seinem Büro, auf seinem Schreibtisch türmten sich Unterlagen und Akten. Er blickte vor sich, als ob er las, aber unter seinen Augen gab es nur die Kunststoffunterlage aus dunklem Grün.

      „St. Williams war gestern bei den Nonnen. Sie haben ihn weggeschickt. Er weiß jetzt, dass wir ihm auf der Spur sind.“

      Beverly wartete eine kurze Ewigkeit, dann erst blickte Superintendent Whitefield auf. Er sah sie schweigend an und drehte ein Radiergummi zwischen seinen dicken Fingern. Dann räusperte er sich, wie sie es von ihm gewohnt war. „Schreiben Sie einen Bericht, Evans, und heften Sie ihn ab“, sagte er ohne jegliche Gefühlsregung in der Stimme. Dann senkte er den Blick wieder auf die Schreibtischunterlage. Beverly wartete, weil sie nicht glauben konnte, dass damit alles gesagt war. Sie rührte sich nicht, bis er sie ohne aufzublicken mit einer Handbewegung hinauswinkte. Sie verließ den Raum mit genau dem gleichen unguten Gefühl, das sie schon beschlichen hatte, als sie ihn mit Sands hatte streiten sehen.

       Im Korridor standen Hays, seine Leute und Fleming. Die Stimmung schien auch dort im tiefsten Keller zu liegen. Hays fuchtelte mit den Armen, seine Stimme schwankte aufgeregt zwischen laut und leise. Beverly bekam nur einzelne Wörter mit, und die klangen nicht besonders verheißungsvoll. Daniel sah sie aus Whitefields Büro kommen. Ein kurzer intensiver Blick von ihm traf sie, er schlug wie ein Blitz ein. Sie konnte es kaum erwarten, seinen Körper wieder zu spüren.

      Stanton schob fluchend Akten in seinen Schrank. „Ich könnte diesen Nonnen den Hals umdrehen. Wir hätten ihn gehabt. Nicht zu fassen. Man sollte diesen Weibern mal in den...“

      „Versündige dich nicht, Billy“, grinste Miller. „Sonst belegen sie dich mit einem Fluch, und du rennst den Rest deines Lebens mit Impotenz rum.“

      Henderson verdrehte die Augen.

      „Wir hätten dieses Haus beschatten lassen sollen“, seufzte Beverly.

      „Gerade von den Nonnen hätte ich mehr Gradlinigkeit der Polizei gegenüber erwartet“, bemerkte Stanton enttäuscht.

      „Ich nicht. Ich kann dir da Sachen erzählen, da sträuben sich einem die Nackenhaare.“

      „Lass deine komischen Geschichten mal stecken, Hank“, warf Bill mit