Morde zwischen Rhein und Themse. Rita M. Janaczek. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Rita M. Janaczek
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783959591270
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angewurzelt blieb er stehen und sah Daniel mit zusammengekniffenen Augen ins Gesicht. „Sie tragen aber ein ziemlich schwules Parfüm, Fleming.“

      „Und sie, Miller, stinken wie immer nach Whisky.“ Er schob sich an Hank vorbei und ging zu Beverly, die eine Hand auf seinen Arm legte.

      „Ach, so ist das!“ Millers Gesichtsausdruck durchlief mehrere Stadien, bis er wieder auf Angriff programmiert war. „Ich würde die Finger von dem kleinen Luder lassen. Sie wären nicht der erste, der einen frühen Herztod erleidet.“ Sein Blick traf

      Beverly, und sie wusste, dass Stanton die Anspielung verstanden hatte, denn er sah sie ungläubig an. Miller lächelte süßlich und verließ erhobenen Hauptes das Büro.

      „Glaub ihm kein Wort, Bill“, war das erste, was Beverly spontan über die Lippen kam. „Er dichtet mir doch ständig was an. Ich hatte nichts mit Edward“, log sie.

      Beverly war allein zu ihrer Wohnung gefahren. Sie duschte, zog frische Sachen an. Sie wusste eigentlich nicht viel mehr von Daniel, als dass er Psychologe war. Sie wusste nicht einmal, wo er wohnte. Das würde sich jetzt ändern. Sie zog ihren Mantel über, verließ die Wohnung und stieg in ihren Wagen. Sie wollten gemeinsam kochen. Wenn er in der Küche genauso gut war wie sie, dann würde es heute Abend Nudeln oder Spiegeleier geben. Sie hielt vor der roten Ampel und warf kurz einen Blick auf die Wegbeschreibung. Warum nur wurde sie dieses verdammte, dieses schleichend ungute Gefühl nicht los? Locker bleiben, Evans! Er ist genauso scharf auf dich, wie du auf ihn. Aber wo ist der Haken? Es gab bislang immer einen Haken. Entspann dich. Wieso solltest du nicht endlich Glück haben? Schalt endlich die Negativregion in deinem Hirn aus. Sie bog ab und folgte dem Straßenverlauf. In dieser Gegend des Stadtteils Richmond gab es viele ältere Bürohäuser. Einige wurden in den letzten Jahren abgerissen, einige zu Wohnungen umgebaut, einige privat verkauft und saniert. Sie fuhr langsam und versuchte die Hausnummern zu entziffern. Da war es. Nummer einundsiebzig. Sie bog in die Einfahrt ein, fuhr auf das Gebäude zu und hinunter in die Tiefgarage. Sie drehte zwei Runden, bis sie sein Auto sah und parkte ihren Wagen daneben. Sie stieg aus. Der Durchgang zum Aufzug war gut beleuchtet. Sie fuhr in den fünften Stock und trat auf den Korridor. Rechts hatte er gesagt. Sie ging auf die Tür an der Stirnseite zu und schaute auf das Türschild: D. Fleming. Sie klingelte. Er war verdammt schnell an der Tür und sie küssten sich im Türrahmen, nachdem sie ihre Uhren abgelegt hatten.

      Er hatte ihr im Vorraum den Mantel abgenommen, jetzt drehte sie sich zweimal um sich selbst. Das Wohnzimmer war riesig. Drei Betonsäulen stützten die hohe Decke, der Fußboden war aus hellem Holz und eine der schmaleren Wände verschwand hinter einem riesigen Regal, das bis auf die letzte Lücke mit Büchern gefüllt war. Die gegenüberliegende Seite war komplett verglast, dort stand ein kleiner Baum, der fast bis an die Decke reichte. Man hatte einen Blick über die Häuser, und direkt in den Himmel. Die wenigen Möbel, Esstisch und Stühle, ein Schrank und ein Vertiko waren schnörkellos und stilvoll. Ein großer Kunstdruck hing über der hellen Couchgarnitur. Abstrakt. Die Linienführung und das Spiel der rot-braunen Farbtöne ließen nur erahnen, dass zwei Körper miteinander verschmolzen. Auf dem Vertiko standen gerahmte Fotos. Beverly warf einen kurzen Blick darauf und bemerkte, dass einer der Rahmen leer war. Sie sah Daniel an. „Die Wohnung ist ja Wahnsinn.“

      „Freut mich, dass sie dir gefällt. Das Ding war früher ein Großraumbüro. Es hat ganz schön Nerven gekostet was Bewohnbares daraus zu machen.“

      „Hast du diese Bücher alle gelesen?“

      '„Bis auf wenige Ausnahmen, ja. Ich hasse es, mit einem Lexikon ins Bett zu gehen.“

      Sie lachte und folgte ihm in die Küche. Es gab keine Nudeln. Es gab auch keine Spiegeleier. Die Art, wie er ganz selbstverständlich hier herumhantierte, erinnerte sie an Robert. Ihr Schwager war ein exzellenter Koch, und was das anbelangte, fraß Peggy ihm aus der Hand. Sie konnte noch so wütend auf ihn sein, wenn sie sich an den perfekt gedeckten Tisch setzte, er die Kerzen anzündete und servierte, war aller Ärger vergessen.

      Beverly schnitt die Kartoffeln in dünne Scheiben, würzte sie und schob sie in den Backofen. Sie schnipselten Paprika in kleine Würfel, bestreuten damit das Lachsfilet in der Auflaufform. Sie experimentierten mit der Soße, bis sie schmeckte und übergossen den Fisch. Der Lachs folgte den Kartoffelscheiben in den Herd, Daniel stellte den Timer ein, dann deckten sie den Tisch im Wohnzimmer.

      Sie war in ausgeglichener Stimmung, das wollte sie auch bleiben. Sie versuchte alle Grübeleien beiseite zu schieben, die sie aus dem Hinterhalt anflogen. Sie lag in Daniels Armen auf der Couch und seine Finger spielten in ihren Haaren. Sie nippte an ihrem Weinglas, nahm den Duft von gegartem Lachs und gerösteten Kartoffeln wahr. Als der Timer piepte, ging Daniel in die Küche; Beverly nahm den Wein mit an den Tisch. Es war alles zu perfekt, und wieder spürte sie das alte Misstrauen in sich wachsen.

      „Wo ist der Haken?“, fragte sie ihn, während sie aßen.

      Er schaute nur irritiert, das zwang sie, ausführlicher zu werden.

      „Ich hatte bislang nur Pech mit Männern. Meistens habe ich zu spät herausgefunden, dass sie verheiratet waren. Wenn du wirklich solo bist, Daniel, wo ist dann der Haken?“

      Er lächelte. „Natürlich gibt es einen Haken. Es gibt immer einen, oder glaubst du, es gäbe irgendwo auf der Welt die perfekte Beziehung?“

      Sie sah ihn voll innerer Spannung an, bis er fortfuhr. „Ich sag es am besten mit den Worten der Frau, die mich vor einem Jahr verlassen hat, damit du weißt, worauf du dich einlässt.“ In seiner Stimme schwang ein wenig Bitterkeit, aber Beverly hatte keine Ahnung, was diese Frau gesagt haben könnte.

      „Deine Eifersucht macht mich krank.“

      Sie lächelte. „Eifersucht? Damit kann ich leben.“ Sie schwieg einen Moment und dachte nach.

      „An Millers Gerede ist überhaupt nichts dran“, sagte sie unvermittelt. „Hank konnte bei mir nicht landen, und Sands kann er nicht ausstehen. Darum macht er andauernd diese anzüglichen Bemerkungen über unsere angebliche Affäre.“ Sie musterte Daniel. „Ich hatte nie was mit Sands“, fügte sie hinzu.

      Beverly zog sich aus. Die Rückwand des Schlafraums war durch helle Kanthölzer in große Quadrate unterteilt und mit dünnem Wachspapier bespannt. Es erinnerte sie an die Trennwände in japanischen Häusern. Der Futon, der von hellem Holz gerahmt wurde, verstärkte den fernöstlichen Eindruck. Eine Dachschräge aus Glas überspannte beinahe den ganzen Raum. Auf dem Fußboden, der aus den gleichen Bohlen gearbeitet war wie der Wohnzimmerboden, lagen unzählige Kissen, dazu ein Stapel Bücher. Beverly wickelte sich in Daniels Morgenmantel und ging auf die Dachterrasse. Die Wohnung lag im obersten Stockwerk, sie hatte einen Blick bis weit über den Bushy-Park.

      Mit einem Gefühl von Unwirklichkeit starrte sie in den Himmel.

       Beverly wurde wach, spürte den kalten Luftzug, der durchs Zimmer ging. Fröstelnd zog sie die Decke über die Schultern und sah über sich, direkt in den Sternenhimmel. Die Tür zur Dachterrasse war offen. Daniel stand in seinen Morgenmantel gewickelt an der Balustrade. Sie schlang sich die Decke um und ging hinaus. Er blickte in den Himmel und die breite Mondsichel spiegelte sich in seinen Augen.

      „Was tust du hier draußen bei der Kälte?“ Er sah sie kurz an, wandte sich dann wieder dem Mond zu.

      „Es gibt etwas, dass ich dir sagen muss.“

      Sie lehnte sich mit dem Rücken an das Geländer und sah ihn an. „Du bist doch verheiratet!“

      Er schüttelte den Kopf.

      „Lass mich raten. Du bist ein Werwolf.“ Er lächelte matt.

      „Dann hab ich heut ja noch nichts zu befürchten“, flüsterte sie und sah in den Himmel.

      Er atmete hörbar aus. „Es hat mit unseren Ermittlungen zu tun.“

      Sie sah ihn kopfschüttelnd an. „Du bist ja noch schlimmer als ich, Daniel. Es ist fast Mitternacht, wie kannst du jetzt an die Arbeit denken?“ Sie schob ihre warmen Hände unter seinen