Morde zwischen Rhein und Themse. Rita M. Janaczek. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Rita M. Janaczek
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783959591270
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Stoff trug noch Flemings Duft, sie atmete ihn ein. Unwillkürlich war die Szene wieder in ihrem Kopf, sein Blick, der auf ihr geruht hatte, der Moment, als er sie an sich gezogen hatte, und der Kuss, der sie völlig aus der Fassung gebracht hatte. Er übte unleugbar eine Anziehungskraft auf sie aus, der sie sich nur schwer entziehen konnte, der sie sich nur deshalb widersetzte, weil sie Angst davor hatte, er würde sie nur als kleines Abenteuer sehen. Wie er mich angesehen hat, danach. Siegessicher. Dieser Macho. Aber das, was er gestern getan hatte, sprach eindeutig gegen ihre Angst. Sie hatte nicht einen Moment lang das Gefühl gehabt, es sei ihm lästig, sich um sie zu kümmern. Er hatte sie nach Hause gefahren, er hatte sie gestützt, ihr einen Arzt besorgt und die Nacht auf der Couch verbracht. Er war wirklich besorgt gewesen und ... er hatte sie ausgezogen. Sie verdrängte den letzten Gedanken.

      „Warst du noch einmal mit Fleming essen?“, versuchte sie unverfänglich zu fragen.

      „Eins sag ich dir, Beverly!“ Patricia Henderson richtete sich im Sessel auf. „Ich war noch nie allein mit ihm essen. Stanton war jedes Mal dabei. Rein kollegial das Ganze. Und jetzt mach damit, was du willst!“

      Sonntag, 17. März

      Durch die Ritze zwischen den Vorhängen schlichen sich schwache Sonnenstrahlen und spielten auf dem Kopfkissen. Es war fast neun. Beverly drehte sich auf den Rücken. Sie fühlte sich wesentlich besser, beinahe gesund. Der Kopfschmerz beschränkte sich jetzt auf die Naht an ihrem Hinterkopf. Sie dachte an den Abend mit Pat, an die viel zu große Pizza. Unwillkürlich musste sie lächeln. Sie war froh darüber, dass Patricia ihr reinen Wein eingeschenkt hatte. Aus dem Candlelight Dinner zu zweit war das geworden, was es gewesen war, ein Essen zu dritt.

      Der Vormittag strich vorüber, doch Beverly wartete vergeblich darauf, dass es klingelte. Das Telefon schwieg beharrlich und auch die Türklingel blieb stumm. Es machte sie wahnsinnig. Sie hoffte, Fleming würde sich melden. Sie sah hinunter in den tristen Innenhof und fragte sich, wo er sich herumtrieb. Krieg dich wieder ein, Evans. Du bist ja schlimmer als eine eifersüchtige Ehefrau. Sie ging in die Küche, schnippelte eine Paprika und zwei Tomaten in eine Schale und goss Joghurtdressing aus der Flasche dazu. Sie setzte sich mit ihrem minimalistischen Salat an den Küchentisch und stocherte lustlos darin herum. Ihre Gedanken wanderten zu Edward, zu jenem verhängnisvollen Sommerabend, an dem sie den Geburtstag eines Kollegen gefeiert hatten. Bis dahin hatte sie nie einen Gedanken an ihn verschwendet, daran, sie könnte irgendetwas mit ihm anfangen. Sie hatte sich auf die Terrasse gesetzt, an Sands gedacht und sich heillos betrunken. Dann war Edward mit einer Flasche Sekt aufgetaucht. Sie waren gemeinsam in den Garten gegangen, in die laue Nachtluft. Der Sekt hatte ihr den Rest gegeben. Im Gartenhaus war er dann zur Sache gekommen, während seine Frau auf der Party tanzte. Gleich am nächsten Tag hatte sie sich geschworen, dass es bei diesem einmaligen Ausrutscher bleiben würde. Es blieb nicht dabei. Monatelang hatte sie sich immer wieder von ihm einwickeln lassen, bis sein Infarkt ihre Affäre beendete. Noch jetzt spürte sie den heftigen Anflug von Schuld und Wut, wenn sie daran dachte. ... Edward war nicht der Erste gewesen, der sie in eine unglückliche Beziehung verstrickt hatte. Warum geriet sie immer an die falschen Männer? Und Fleming? Sie seufzte. Ihre Erfahrungen hatten sie misstrauisch gemacht. Sie dachte an Peggy und an das, was sie ihr letzten Sonntag beim Frühstück an den Kopf geworfen hatte. Sie kriegt nie einen ab. Dafür ist unsere Prinzessin viel zu anspruchsvoll! Pah, von wegen Prinzessin. Sie schob den Salat zur Seite, ging ins Wohnzimmer und warf sich auf die Couch.

      Es war bereits vier Uhr am Nachmittag, als das Klingeln des Telefons sie aus dem Schlaf holte. Sie rollte sich vom Sofa und nahm den Hörer ab. Fleming! Ihr Puls beschleunigte sich augenblicklich.

      „Beverly, ich wollte nur wissen, wie es Ihnen geht.“

      „Mir geht’s blendend. Ich werde morgen wieder arbeiten. Wo treiben Sie sich rum?“

      Kommen Sie noch vorbei?, hatte sie eigentlich fragen wollen, es sich aber verkniffen.

      „Ich bin in Birmingham.“

      „In Birmingham? Sie pfuschen doch wohl nicht an unserem Fall rum?“

      „Sie sind nicht im Dienst, Evans.“

      „Und ohne Auftrag von Whitefield oder Sands sind Sie’s auch nicht, Sie sind Psychologe, nicht Polizist.“

      „Soll ich Sie morgen abholen?“, lenkte er ab. „Ihr Wagen steht noch beim Yard.“

      „Ja. Und was Birmingham betrifft, machen Sie ja nichts auf eigene Faust.“

      „Das hatte ich auch nicht vor. ... Wirklich nicht! Bis morgen.“

      „Ja, bis morgen.“

      Nachdem sie den Hörer aufgelegt hatte, war seine weiche Stimme noch immer in ihrem Ohr, der schnelle Puls begleitete sie noch eine ganze Weile. Sie machte sich einen Tee, wuselte in der Wohnung herum und wartete sehnsüchtig darauf, dass die restlichen Stunden dieses Sonntags verstrichen.

      Montag, 18. März

      Es war mühselig die Spuren des Überfalls wegzuschminken, doch Beverly war zufrieden mit dem Ergebnis. Sie war sich nicht sicher, ob das Make-up den ganzen Tag halten würde, sie steckte vorsichtshalber die Sonnenbrille in die Tasche. Die Naht schmerzte nicht mehr, die Schürfwunde an der Schulter war von einer Kruste bedeckt. Sie massierte etwas Creme ein, um zu vermeiden, dass sie riss. Sie war fertig, bevor es klingelte, und so hatte sie es auch gewollt. Sie war vorbereitet. Als sie die Tür öffnete, lächelte Fleming sie an. Sein Blick nahm sie beinahe gefangen. Nicht darin eintauchen, Beverly. Dienstlich denken, dieser Türrahmen ist ein gefährlicher Tatort. Dieses Mal würde er sie nicht überrumpeln. Heute war sie an der Reihe. Jetzt hatte sie die Gelegenheit, es ihm heimzuzahlen. Sie nahm die Tasche über die Schulter, bohrte ihren Blick in seine Augen, nahm seine Hände und drückte ihn mit ihrem Körper rücklings gegen den Türrahmen. Sein irritierter Blick gefiel ihr, dann legte sie ihre Lippen auf seine. Sie spürte, wie er die Hände bewegte, doch sie hielt ihn fest. Er sollte keine Chance bekommen, seine Arme um sie zu legen. Sie küssten sich, und Beverly hatte Mühe, einen kühlen Kopf zu bewahren. Du wolltest es ihm heimzahlen, also tu es! Als sie die Beschleunigung seines Herzschlags spürte, ließ sie von ihm ab und musterte ihn einen winzigen Moment. Dann schaute sie auf die Uhr.

      „Ich möchte nicht zu spät kommen.“ Ohne ein weiteres Wort zog sie die Tür zu und ging zur Treppe.

      Fleming schwieg, als er seinen Wagen durch den dichten Verkehr steuerte. Beverly saß zufrieden auf dem Beifahrersitz. Sie musterte ihn verstohlen. Er sah nicht direkt unglücklich aus, eher so, als habe ihm gerade jemand eine kleine Beule in sein schönes Auto gefahren. Bei der dritten roten Ampel begann er zu fluchen, sie nahm es als Genugtuung. So ist das dann, Fleming. Sie dachte an den Donnerstag. Hatte er nicht auch noch die Frechheit besessen, sie zum Essen einzuladen, ganz so, als sei überhaupt nichts passiert? Das konnte sie genauso. „Gehen Sie heute Abend mit mir essen, Fleming?“, fragte sie und kannte seine Antwort schon im Vorhinein.

      Er schaute kurz zu ihr herüber und zog die Augenbrauen zusammen. „Gehen Sie doch mit Sands essen. Er würde sich sicher freuen.“

      Jetzt sind wir quitt, Fleming. Sie schwiegen den Rest der Fahrt. Sie betraten den Yard gemeinsam und wandten sich ohne eine Verabschiedung in getrennte Richtungen.

      „Das Foto von St. Williams liegt inzwischen in allen Konzertsälen aus. Wenn jemand ihn erkennt, gibt’ einen Anruf bei uns“, sagte Whitefield knapp und hustete heiser. „Die Nonnen, bei denen St. Williams des Öfteren untergekommen ist, werden es genauso handhaben, falls er dort auftaucht“, ergänzte Stanton. „Sie glauben zwar fest daran, dass St. Williams …äh … Tim Wilson unschuldig ist, sie werden es aber trotzdem tun ... hoffe ich.“

      Whitefield lehnte sich zurück und blickte in die Runde. „Die Zeitungsannoncen über Klavierunterricht müssen noch gesichtet werden. Wer macht das?“ Stille.

      „Wo