ONE TO GO - Auf Leben und Tod. Mike Pace. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Mike Pace
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958351271
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Mitarbeiter, der schon seit vier Jahren bei SHM war.

      Brian Zigler, Universität von Virginia, Jurastudium in Harvard, Tom als Mentor zugewiesen, als dieser zur Firma stieß. SHM hatte vor ein paar Jahren ein Mentorenprogramm für neue Mitarbeiter eingeführt und von den juristischen Topfakultäten glänzende Kritiken dafür erhalten, auf diese Weise den Neuzugängen ihren Einstieg stressfreier zu gestalten. Zahlreiche andere Kanzleien hatten das Schema kopiert, was etwas war, worauf die Seniorpartner im andauernden Kampf um einen guten Status unter den Jura-Eliten der Stadt stolz sein konnten.

      Zig war Single und lebte ebenfalls im Adams-Morgan-Viertel. Auch nachdem das Mentoring vorbei war, verbrachten sie weiter ihre Freizeit gemeinsam. Zig war für Tom dagewesen, während er die Trennung verarbeiten musste, und Tom war auf Zigs Empfehlung hierher gezogen.

      »Wie hätte ich es dann wissen können?«, fragte Tom.

      »Keine Ahnung, Mann. Erstens könntest du ihre Reaktion völlig falsch interpretiert haben. Zweitens, wenn es wahr ist, hat sie vielleicht mal etwas über ihre Trainerin erwähnt, das in dem Moment harmlos schien, aber deinem Unterbewusstsein ist der Ton ihrer Stimme aufgefallen oder ein Zucken in ihrem Gesichtsausdruck. Dann, als du deine blitzartige Vision hattest, drang dieser Einfall aus deinem Unterbewusstsein in dein Bewusstsein vor.«

      »Du hast keine Ahnung, wovon du eigentlich redest, oder?«

      »Absolut nicht.«

      Sie lachten, dann stießen sie mit den Gläsern an und tranken das halbe Glas in einem Zug aus.

      Zig wandte sich wieder dem Eingang zu. »Mögliches Zielobjekt auf zwölf Uhr.«

      Tom sah eine attraktive Brünette durch die Tür kommen und auf zwei andere Mädchen zugehen, die in der Mitte der Bar saßen. Zig traf ihren Blick und winkte. Sie winkte zurück und begrüßte dann ihre Freundinnen.

      »Wer ist sie?«, erkundigte sich Tom.

      »Keine Ahnung«, erwiderte Zig. »Aber das wird sich ändern, noch bevor die Nacht vorbei ist, mein Freund.«

      Tom schüttelte den Kopf. Zig war nicht gerade, was man als klassisch gut aussehend bezeichnen würde. Er war einen Meter achtzig groß und damit fünf Zentimeter kleiner als Tom. Rote Haare, Aknenarben und ungefähr fünf Kilo Übergewicht. Aber aus irgendeinem Grund fühlten sich Frauen zu ihm hingezogen. Zig erklärte das damit, dass er einfach große Zuversicht ausstrahlte. Wahrscheinlich hatte er recht.

      Nachdem ihn Gayle für einen anderen Kerl verlassen hatte, bekämpfte Tom seine sexuelle Unsicherheit, indem der jedem Rock nachjagte, der seinen Weg kreuzte. Zig vermutete, dass seine Eroberungen einzig das Ergebnis dessen waren, dass viele junge Frauen darauf standen, etwas mit einem Anwalt anzufangen. Um diese Theorie zu widerlegen, erzählte Tom den Frauen, an denen er interessiert war, er sei Grundschullehrer, was bis vor ein paar Jahren sogar noch gestimmt hatte. Er musste zwar zugeben, dass ein paar Frauen nicht anbissen, hatte aber festgestellt, dass es genug Frauen gab, denen egal war, womit er seinen Lebensunterhalt verdiente.

      »Wie hießen jetzt diese Typen noch?«, fragte Zig.

      »Chad und Britney. Er nannte sie Brit.«

      »Scharf?«

      »Keine Ahnung, bestimmt. Ich habe mir nicht ihren Körper angesehen, ich habe versucht, das Leben meiner Tochter zu retten.«

      »Wem aus dem richtigen Leben sah sie denn ähnlich? Wenn du nur fantasiert hast, besteht die Möglichkeit, dass du dir jemanden vorgestellt hast, den du im realen Leben kennst.«

      »Niemandem. Sie war blond, gebräunt …« Ich fürchte, sie ist zu einem Stück Kohle verbrannt. »Schlank, freundlich …« Und das Traurigste: Es war schmerzhaft. Tom schauderte. »Ich will jetzt nicht mehr davon reden.«

      »Geht in Ordnung.«

      Tom beobachtete Zig, wie dieser von seinem Barhocker glitt und auf die Brünette zuging. Innerhalb einer Minute hatte er dann alle drei Mädchen zum Lachen gebracht. Er winkte Tom zu sich.

      Da Tom nicht aufhören konnte an die Brückenvision zu denken, beschloss er, dass er seinen Kopf am besten freibekam, wenn er sich in ein Abenteuer stürzte.

      Er schnappte sich sein Bier und setzte sein charmantestes Lächeln auf.

      Kapitel 7

      Die folgenden sieben Tage gingen rasch vorüber. Tom rief Janie während der Woche dreimal an und holte sie am Freitag von der Schule ab, damit sie das ganze Wochenende bei ihm verbringen konnte. Am Freitagabend waren sie ins Kino gegangen. Am Samstag war er um fünf Uhr früh aufgestanden und hatte sechs Stunden bei SHM heruntergearbeitet, um Janie am Nachmittag mit zu seinem Cousin Estin nehmen zu können, der in einem kleinen Küstenstädtchen südlich von Annapolis wohnte. Sie fuhren mit Estins Boot zum Angeln hinaus und aßen Krebse auf dem Deck mit Blick auf die Chesapeake Bay. Tom hielt sein Versprechen gegenüber Gayle und beschränkte sich auf drei Bier. Estin war der Sheriff in dieser Stadt und hatte einen kostenlosen Alkoholtest durchgeführt: 0,07 Promille – kein Problem. Janie hatte einen Mordsspaß und Tom konnte sich nicht gar nicht erinnern, wann er selbst das letzte Mal so ein tolles Wochenende erlebt hatte.

      Als er Janie am Sonntagabend in Arlington ablieferte, waren Rosie, ihr Mann Gino und Angie auch da. Tom hatte den Eindruck, dass Rosie verändert schien – ruhig, als versuche sie, eine tapfere Miene aufzusetzen. Das bildete er sich wahrscheinlich nur ein.

      Rosie war fünf Jahre älter als Gayle. Tom hatte Bilder von ihr aus dem Highschool-Jahrbuch gesehen, die sie zu einem der heißesten Mädchen der Schule gemacht hatten. Sie war klein, sportlich und hatte eine beachtliche Oberweite, weshalb sie bei den Cheerleadern immer in der vordersten Reihe stand. Sie hatte die gleiche dunkle Hautfarbe wie ihr italienischer Vater, während Gayle, die groß, blond und blauäugig war, eher die nordeuropäischen Gene ihrer Mutter abbekommen hatte.

      Rosie war immer noch klein, hatte aber an den Hüften zugelegt und ihre Brüste hingen ein wenig. Gino war über zehn Jahre älter als seine Frau. Nach der Heirat hatte er bei der Hochbaufirma seines Vaters zu arbeiten begonnen und das Geschäft sechs Jahre später übernommen.

      Trotz des Altersunterschieds war Tom stets sehr gut mit Gino ausgekommen. Gino war nicht groß, wog fast 120 Kilo und hatte Arme mit dem Umfang von Toms Oberschenkeln. Er sah aus wie der sprichwörtliche Kleiderschrank. Da sie beide Sportfans waren, besorgte Gino manchmal Tickets für die Redskins über einen Partner seiner Firma und nahm Tom ein paar Mal im Jahr mit zu einem Spiel. Als Gayle Tom für Dr. Dave abserviert hatte, hatte Rosie natürlich für ihre Schwester Partei ergriffen und ließ ein wenig unterschwellig durchblicken, dass Tom daran schuld war. Sie ließ erahnen, dass sie der Meinung war, Gayle hätte nicht in die Arme eines anderen fliehen müssen, wenn Tom seiner Frau und seiner Tochter mehr Aufmerksamkeit gewidmet hätte. Ginos Analyse hingegen war ganz und gar nicht unterschwellig. Tom konnte einmal hören, was er zu Rosie sagte, als Gayle außer Hörweite war: »Sie hat mit ihrem Doktor gevögelt, also ist es ihre Schuld, fertig, aus.«

      Janie hatte darauf bestanden, dass sie für ihre Mutter ein Dutzend Krebse aus Maryland mitbrachten. Das Kind breitete Zeitungen auf dem Küchentisch aus und zeigte Gino, Rosie und Angie, wie sie mit dem kleinen hölzernen Hämmerchen, das sie von Estin bekommen hatte, äußerst effizient an das schmackhafte Fleisch des Schalentiers herankam. Tom wusste, dass jeder Vater die eigene Tochter für das schönste Mädchen der Welt hielt, aber bei Janie stimmte es natürlich.

      Tom fiel auf, dass Rosie niedergeschlagen war und nur etwas sagte, wenn man sie direkt ansprach und nach ihrer Meinung fragte. Beim Hinausgehen nahm Tom Gayle beiseite.

      »Was ist mit deiner Schwester los? Sie scheint gar nicht so eine Zicke zu sein wie sonst.«

      »Ich weiß auch nicht. Sie hat schon die ganze Woche so Trübsal geblasen. Ich habe sie ausgequetscht, so gut es ging, aber sie leugnet hartnäckig, dass etwas nicht in Ordnung sei.«

      »Was ist mit Gino? Alles okay zwischen den beiden?«

      »So weit ich weiß, schon.«