ONE TO GO - Auf Leben und Tod. Mike Pace. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Mike Pace
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958351271
Скачать книгу
gerissen.

      Tom sah hoch und erkannte, dass er auf die Gegenfahrbahn geraten war und schnurstracks auf den grünen Minivan zuhielt.

      Er trat mit aller Kraft auf die Bremse und zog scharf nach rechts.

      Anstatt zu gehorchen, schleuderte der Lexus wie ein Frisbee über den Gehsteig, rammte zuerst den Minivan frontal und prallte dann ab, um in das Heck des roten Pick-up zu krachen. Der Pick-up knallte in einem seltsamen Winkel gegen den Randstein. Er hob ab in die Luft und schien dort lange Zeit zu verweilen, bevor er mitten auf der Straße auf dem Dach landete. Die Wucht der Kollision stieß den Minivan auf den Bürgersteig, wo er von einer Straßenlaterne abprallte und auf den zwei rechten Reifen weiterrollte. Er rollte wippend neben das Brückengeländer, wo er in den Potomac zu kippen drohte.

      Der kürzer als eine Sekunde dauernde Eindruck eines orangefarbenen Bändchens kam ihm in den Sinn.

      Für einen Moment sah er Janies Gesicht gegen die Scheibe des Vans gepresst aufblitzen.

      Dann sah er nichts mehr.

      Kapitel 2

      Toms volles Bewusstsein kehrte einen Sekundenbruchteil vor dem brennenden Schmerz und dem Geruch von Rauch zurück. Er sah über den luftleeren Airbag, dass die Windschutzscheibe zwar Risse hatte, aber dennoch größtenteils ganz war. Gott sei Dank gab es Sicherheitsglas. Durch das Mosaik der rissigen Scheibe konnte er die zerbeulte Motorhaube des Lexus sehen, die sich um eine Straßenlaterne gewickelt hatte.

      Er nahm seine Gliedmaßen in Augenschein – sie schienen alle noch dran zu sein und bestens zu funktionieren. Der Zusammenstoß hatte seinen Schalensitz verdreht, sodass Tom nun die Beifahrerseite vor seinem Gesicht hatte, wo die Kollision des Autos mit der Laterne das Dach auf Kniehöhe heruntergedrückt hatte.

      Der umgestürzte rote Pick-up war die Quelle des Rauchs. Die Fahrerkabine des Wagens war fast auf die Höhe der Ladefläche heruntergequetscht. Der Rauch stieg aus dem Unterboden des Fahrzeugs.

      Nur, dass er nicht stieg.

      Tom roch den Rauch und sah ihn aus dem Fahrzeug quellen, aber er bewegte sich nicht; der dunkle Qualm schien eingefroren, als blicke man nur ein Foto des Rauches anstatt den Rauch selbst.

      Tom versuchte, einen klaren Kopf zu bekommen, aber der Rauch stand weiter still, zweifellos eine Illusion, die durch das zerbrochene Sicherheitsglas ausgelöst wurde.

      Seine Augen richteten sich auf den Beifahrersitz. Mein Gott, was wäre, wenn er Janie rechtzeitig abgeholt hätte? Er hätte drei der Mädchen auf den Rücksitz verfrachtet und Janie auf den Vordersitz gepackt. Janie wäre tot und die anderen Mädchen vielleicht auch.

      Er riss seinen Kopf herum und sah den grünen Minivan, der auf zwei Rädern balancierte und kurz davor war, in den Fluss zu stürzen.

      Janie.

      Er mühte sich ab, aus dem Auto zu gelangen, aber die Fahrertür klemmte. Tom war nicht überrascht, dass sich auch das elektrische Fenster nicht bewegte.

      Der Verschluss des Sicherheitsgurtes hatte sich herumgedreht, sodass Tom halb darauf saß. Er drückte den Knopf, der jedoch auch klemmte.

      Er wackelte mit den Hüften am Gurt, worauf ihn ein stechender Schmerz in die Lendenwirbel und das linke Bein hinab japsen ließ. Der Gurt lockerte sich. Die Schrauben, die die Halterung des Gurts am Boden befestigten, hatten sich teilweise gelöst. Tom griff ganz unten nach dem Gurt und zog, mit einem kurzen Blick über die Straße zu dem auf zwei Rädern balancierenden Minivan, nicht nur mit seinen Armen und Schultern, sondern mit der Kraft seines ganzen Körpers. Sein Schmerzensschrei enthielt bald auch ein Siegesgefühl, als sich die Gurthalterung ruckartig löste. Der Geruch des Rauchs wurde stärker. Tom schlängelte sich unter dem Sicherheitsgurt hindurch und war frei.

      Er trat die Windschutzscheibe hinaus, worauf sofort Schmerzen von seiner Hüfte das linke Bein hinabschossen und ihm den Atem raubten.

      Tom ignorierte die Schnitte an seinen Armen, die ihm das Glas zufügte, schleppte seinen Körper durch die Öffnung und glitt dann mit dem Kopf voraus an der Seite des Wagens auf den Bürgersteig, wo er sich schließlich aufrichtete.

      Er konzentrierte sich ausschließlich auf den unsicher wippenden Minivan und torkelte zur Mittellinie. Im Hinterkopf kam ihm der Gedanke, warum er keine Sirenen herannahen hörte. Dann erkannte er plötzlich, dass er gar nichts hörte. War er durch die Kollision taub geworden? Würde das wieder vorübergehen?

      Dafür war jetzt keine Zeit, er musste zu seiner Tochter. Der Gestank von Rauch und brennendem Gummi erstickte ihn fast. Zum ersten Mal sah er Flammen aus dem Minivan aufsteigen. Er musste sie herausholen, bevor der Benzintank Feuer fing.

      Erneut jedoch rührten sich die Flammen nicht.

      Er wandte sich zurück zu dem Pick-up. Der Rauch schien mitten in der Luft wie gefroren.

      Da drehte er sich einmal im Kreis. Keines der Autos auf der Brücke bewegte sich. Ein paar Touristen, die auf dem Gehsteig flanierten, schienen in der Zeit eingefroren. Eine Frau, die einen schwarzen Pudel Gassi führte, war mitten in der Bewegung eingefroren. Sie hätte eigentlich umkippen müssen, da ihr Schwerpunkt außerhalb des einzelnen Fußes lag, auf dem sie während ihres eingefrorenen Schrittes stand.

      Tom überquerte die Straße und erreichte den Minivan. Sollte er nicht umstürzen? Er sah Janies Gesicht gegen die Heckscheibe gepresst. Ihr Mund stand weit offen und ihre Handflächen drückten gegen das Glas. Ihr Körper lehnte sich in Richtung Gehsteig, fiel aber nicht um. Sie bewegte sich nicht im Geringsten.

      Sie bewegte sich kein scheiß bisschen!

      Er erblickte Angie und die anderen Mädchen durcheinandergewirbelt und kopfüber im Wageninneren – allesamt mitten in der Luft erstarrt.

      Für einen Moment sah er Janie in die Augen. Ein ungewöhnliches Eisblau; es hatte ihn schon immer insgeheim mit Stolz erfüllt, wenn ihr jemand gesagt hatte: »Oh, du hast ja die Augen deines Vaters.« Und obwohl sich diese Augen nicht bewegten, wurde er das Gefühl nicht los, dass sie ihn sehen konnte.

      Er versuchte, die Heckklappe aufzustemmen. Keine Chance.

      Vielleicht sollte er die Heckscheibe einschlagen. Er trippelte so schnell er konnte zurück zu dem umgeworfenen Pick-up, um Werkzeug darin zu suchen. Sein Rücken zuckte schmerzerfüllt, als er sich bückte. Tom musste eine Pause einlegen, um durchzuatmen. Der Fahrer, noch ein Teenager, stand auf dem Kopf und hatte keinen Sicherheitsgurt angelegt. Die leeren Augen des Jungen starrten Tom aus einem teilweise abgetrennten Kopf an. Blut durchtränkte die durchgehende Sitzbank und alles andere in der Fahrgastzelle. Tom musste sich zwingen, die bitter aufsteigende Flüssigkeit in seinem Hals zu schlucken, während er einen Hammer oder etwas ähnlich brauchbares an Werkzeug suchte, mit dem er die Heckscheibe des Dodge zertrümmern konnte. Nichts.

      Er spähte hinter sich zu dem kippenden Van. Auf der Brücke gab es noch andere Autos. Irgendjemand musste doch einen Hammer dabeihaben. Tom keuchte wegen der Schmerzen in Rücken und Bein, als er aufstand. Er blickte nach Osten zum Memorial und fand einen weiteren Van, den weißen Wagen einer Heizungsbau- und Sanitärfirma mit der Aufschrift Welch Plumbing an den Seiten, zu dem er humpelte.

      Als er am Fahrgestell des roten Pick-up vorbeiging, streckte er die Hand aus und fuhr damit durch den aufsteigenden Rauch – der aber nicht aufstieg. Er spürte nichts.

      Dann nahm er nur aus dem Augenwinkel eine Bewegung am östlichen Ende der Brücke wahr.

      Zwei Menschen kamen auf ihn zugelaufen.

      Kapitel 3

      Als sie näherkamen, konnte er erkennen, dass eine der Personen weiblich war. Er ignorierte den Schmerz und schlurfte auf das Paar zu, wobei er wild mit den Armen in der Luft wedelte.

      »Hilfe! Hilfe!«

      Der Mann und die Frau lächelten und winkten zurück, wobei sie weiter in lockerem Tempo joggten. Sie hatten ihn wohl