ONE TO GO - Auf Leben und Tod. Mike Pace. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Mike Pace
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958351271
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war, bemerkte er, dass jemand dicht hinter ihm war. Er blieb stehen und drehte sich um, besorgt, wen er wohl sehen würde – aber es war Rosie.

      »Entschuldige, aber du hast mich erschreckt.«

      Sie legte ihm die Hand auf den Arm. »Ich weiß nicht, wie du es herausbekommen hast, aber ich flehe dich an, um Ginos und Angelas willen, um meinetwillen, bitte sag es niemandem.«

      Seine erste Reaktion war, so zu tun, als wisse er nicht, wovon sie sprach. Aber er musste auf Nummer sicher gehen. »Wie lange geht das schon so?«

      Sie biss sich auf die Lippe, um ihre Tränen zurückzuhalten. »Ein paar Jahre, aber es ist vorbei. Eine dumme Affäre. Ich redete mir ein, dass es harmlos sei, ein kleiner Reiz jeden Mittwochnachmittag. Diese Frauengeschichte, ich weiß nicht. Ich habe Gino niemals betrogen, ich meine, mit einem Mann. Irgendwie schien es nicht richtig zu zählen, wenn man es mit einer Frau tat. Ich schwöre, es hat mir nichts bedeutet. Ich liebe meinen Mann und meine Tochter. Ich flehe dich an …«

      »Dein Geheimnis ist bei mir sicher.«

      Sie umarmte ihn kurz und flüsterte: »Danke, Tommy.«

      Über ihre Schulter hinweg konnte Tom Gino in der Tür sehen, der sie beobachtete. Er sah nicht glücklich aus.

      ***

      In den ersten paar Tagen der nächsten Woche steckte Tom bis zum Hals in Arbeit und konnte daher mit Leichtigkeit sämtliche Gedanken verdrängen, die sich mit einer drohenden Deadline beschäftigten. Er hatte nur noch kurz mit den Firmenkunden zu tun und wollte die Arbeit daran mit bestmöglicher Leistung abschließen. Zwar hatte er sich noch nicht hundertprozentig entschieden, aber er tendierte stark dazu, die Abteilung Firmenkunden ganz oben auf die Liste seiner bevorzugten Einsatzgebiete zu setzen, die er am Ende seiner Rotationsperiode zwischen den Abteilungen ausfüllen sollte. Schlussendlich lag die Entscheidung natürlich beim Vorstand der Abteilungen, wer in die Praxisgruppen kam, aber die Wünsche der Mitarbeiter wurden dabei berücksichtigt.

      Als die Woche voranschritt, hatte Tom zunehmend Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren. Er konnte nicht erwarten, dass endlich Sonntag war.

      Zig fragte ihn, ob er am Samstagabend Lust auf ein Doppeldate hatte. Es war eigentlich mehr ein Blind Date – das Mädchen war die Mitbewohnerin von Marcie, einer Angestellten, die auf dem Capitol Hill wohnte und die er eine Woche zuvor bei einer Fundraising-Veranstaltung für Liz Guthrie, die dienstjüngere Senatorin von Oklahoma, kennengelernt hatte. Zig hatte Tom Marcie im Napoleon's vorgestellt. Nach nur einem Appletini war sie total auf Zig abgefahren. Sie war gerade mal eins-fünfzig groß und hatte eine jungenhafte Figur – keine Hüften, keine Brüste. Später war Zig ziemlich erpicht darauf gewesen, zu erwähnen, dass sie im Gymnastikteam der Staatsliga von Oklahoma war, womit er eine deutliche Botschaft übermittelte: Du solltest sehen, wozu sie im Bett imstande ist.

      Um Tom zu ködern, pries Zig Marcies Mitbewohnerin Jess als »Partygirl« an und zwinkerte bei dem Ausdruck. Zig war ein klein wenig überrascht, als Tom sofort zusagte. Ihm war egal, ob sie eine Nymphomanin war oder eine frigide alte Jungfer, die knöchellange schwarze Kleider trug und die Haare zu einem Dutt gebunden trug. Er brauchte Ablenkung.

      Ihr voller Name war Jessica Hawkins. Sie war attraktiv – schlank, rotblondes Haar – und trug einen engen, grünen Pullover mit V-Ausschnitt, der zur Farbe ihrer Augen passte, sowie einen schwarzen Minirock und Schuhe mit fünfzehn Zentimeter hohen Absätzen. Ihre Ausstrahlung rangierte mehr im Bereich Nymphe statt alte Jungfer.

      Sie gingen zum Hawk 'n' Dove auf dem Capitol Hill, einem der ältesten Irish Pubs der Stadt, eine Institution, die seit über fünfundvierzig Jahren bestand. Tom widmete Jess während drei Runden Guinness und einer Runde Buffalo-Burgern seine ganze Aufmerksamkeit. Er war beeindruckt, dass sie sich für Burger und Fritten entschied, statt für so etwas mädchenhaftes wie den Salat, den sich Marcie bestellt hatte.

      Wie ihre Mitbewohnerin hatte auch Jess nicht lange gezögert, bis sie Tom spüren ließ, dass sie voll auf ihn abfuhr und ließ keine Gelegenheit verstreichen, seinen Arm oder seine Schulter während der Gespräche den Abend hindurch immer wieder zu berühren. Als der Abend bereits fortgeschritten war, blickte Tom verstohlen auf seine Armbanduhr und schalt sich sogleich selbst dafür, dass er dem, was er inzwischen als »Brückenvision« bezeichnete, Glauben geschenkt hatte.

      Zig animierte zu einer Runde Metaxa und bestand darauf, dass der griechische Schnaps mit einer Kaffeebohne serviert wurde, da er ihn immer so bekommen hatte, während er vor zwei Sommern in Santorini Urlaub gemacht hatte. Der Weinbrand floss sanft die Kehlen hinab und nach der zweiten Runde spürte Tom, wie eine Hand sein Knie massierte. Er ging davon aus, dass das nicht Zig war, dachte sich, Sex wäre die allerbeste Ablenkung, und knetete das Knie von Jess unter dem Tisch.

      In dem Moment, da Tom ihre Haut berührte, rutschte Jess nach vorne, sodass seine Hand ihren Rock hochschob. Er zog seine Hand langsam zurück, um sie absichtlich auf die Folter zu spannen. Seine Bewegungen wirkten jedoch eher automatisch als sinnlich. Normalerweise wäre er an dieser Stelle zu einem gewissen Maß erregt – Zig nannte das Halbfinale – aber die Vorstellung von der Brückenvision, die er in den hintersten Winkel seines Verstandes verbannt hatte, ergriff weiter Besitz von seinen Gedanken.

      Ich fürchte, sie ist zu einem Stück Kohle verbrannt – und das Traurigste: Es war schmerzhaft.

      Gegen halb zwölf verließen sie die Bar. Obwohl er sein selbstauferlegtes Trinklimit überschritten hatte, fühlte sich Tom stocknüchtern und war absolut sicher, ein Alkoholtest würde nicht viel feststellen. Er schlug vor, dass es am besten war, wenn er Jess nach Hause brachte, worauf er drei identische Gesichter erntete, deren Ausdruck in etwa »ach nee« bedeutete.

      Während der Fahrt nach Foggy Bottom, wo Jess ein kleines Reihenhaus mit Marcie gemietet hatte, lehnte sie sich intensiv an ihn, während er fuhr. Sie summte zur Musik eines Oldie-Senders im Radio, der Doo Wop der Fünfziger und Sechziger spielte.

      »… und in diesem Block waren drei der Top-100-Doo-Wop-Balladen aller Zeiten enthalten. The Penguins mit ›Earth Angel‹, ›Pennies from Haven‹ von den Skyliners und die Platters mit ›My Prayer‹. Als Nächstes hört ihr The Shirelles …«

      Tom hielt es nicht länger aus. Er zog sanft seine Hand weg. »Äh, ich muss kurz nach meiner Tochter sehen, nur um sicherzugehen, dass es ihr gut geht.«

      »Ist es nicht schon ein bisschen spät?«

      Tom fiel keine rationale Antwort ein, also ignorierte er sie und drückte die Schnellwahl auf seinem Handy. Nach dem vierten Klingeln ging Gayle ran.

      »Hi, ich bin es«, sagte Tom.

      »Tom?«

      Er konnte eine männliche Stimme im Hintergrund murmeln hören: »Wer ist das?« Sie waren noch nicht verheiratet, aber Gayle hatte Janie vor Kurzem vermittelt, zu akzeptieren, dass Dr. Dave gelegentlich bei Mami übernachten würde.

      Tom warf Jess einen kurzen Blick zu, als er am Telefon sprach. »Tut mir leid, dass ich so spät anrufe …«

      »Gott, es ist fast Mitternacht.«

      »Ich wollte mich nur erkundigen, ob es Janie gut geht.«

      »Warum sollte es ihr nicht gut gehen? Morgen ist keine Schule und wir haben Janie und Angie erlaubt, länger aufzubleiben. Wir feiern eine kleine Party wegen Rosies Geburtstag.«

      Tom musste erleichtert seufzen. »Tut mir leid, so spät angerufen zu haben.« Er sah diesmal nicht zu Jess. »War mir nicht bewusst, wie spät es schon ist. Sag Rosie alles Gute zum Geburtstag von mir.«

      Er legte auf, bevor Gayle noch etwas sagen konnte.

      ***

      Zwei Stunden später schlief er tief und fest, Jess nackt in ihrem Himmelbett an ihn gerekelt. Sie wurde ihrem Ruf gerecht und noch mehr als das. Sie war eine sexuell durchgedrehte Frau und hatte sogar angeboten, ihm den Inhalt dessen, was sie ihre Spielzeugkiste nannte – eine Schublade im Nachttisch, randvoll mit verschiedenen Sexspielzeugen –, für die zweite Runde vorzustellen. Er hatte höflich abgelehnt und