ONE TO GO - Auf Leben und Tod. Mike Pace. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Mike Pace
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958351271
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riss schlagartig die Augen auf. Das Schlachtlied der Washington Redskins war sein Klingelton.

      »Braves on the war path …«

      Er stolperte aus dem Bett und fischte das Telefon aus seiner Hosentasche. Das Display zeigte zu seinem Entsetzen, dass Gayle anrief. Janie.

      Tom antwortete rasch: »Gayle?«

      Sie weinte so bitterlich, dass sie kaum sprechen konnte. »Tom, du musst herkommen.«

      O mein Gott. »Ist Janie …?«

      »Nicht Janie … Rosie. Sie und Gino und Angela … hier übernachtet und …«

      »Was ist passiert?«

      Unter all ihrem Schluchzen klang sie sehr unzusammenhängend.

      Er schrie in das Telefon. »Gayle, was ist passiert?«

      »Gino … er hat Rosie totgeschlagen.«

      Kapitel 8

      Während der Fahrt nach Arlington drehte Tom das Radio voll auf, in der Hoffnung, The Shirelles, The Five Satins und The Marcels würden seinen Verstand vor Gedanken an grüne Minivans und verpasste Fristen um Mitternacht schützen.

      Es half nicht.

      Als er vor Gayles Haus parkte, fuhr gerade ein Streifenwagen der Polizei von Arlington weg. Er konnte Gino auf dem Rücksitz zwischen zwei Polizisten eingeklemmt sehen. Für einen kurzen Augenblick begegneten sich Toms und Ginos Blicke. Statt Zorn oder Furcht zeigte Ginos Gesicht nur, was sich bestenfalls als Verwunderung beschreiben ließ.

      Keine Spur von einem Rettungswagen; Rosies Leichnam war wohl schon weggebracht worden. Ein kleiner Pulk Nachbarn löste sich gerade auf.

      Tom ging zur Treppe hinauf. Die Tür öffnete sich, als er die Veranda erreichte. Janie kam in ihrem violetten Lieblingsschlafanzug mit Elmo-Motiv hinaus in seine Arme gerannt.

      Ihr Körper erbebte unter Schluchzen. »Daddy … Onkel Gino …«

      »Schhh.« Er drückte sanft ihren Kopf an seine Schulter. Gayle saß im Wohnzimmer und beantwortete Fragen eines jungen Kerls mit Igelfrisur und Nickelbrille. Wahrscheinlich ein Ermittler der Arlington County Police.

      Am anderen Ende des Raums konnte Tom in die Küche sehen, wo Dave Angie tröstete. Das Mädchen war in eine Decke gewickelt. Sie saß am Tisch vor einem kleinen Teller Oreos und einem vollen Glas Milch. Dave trug einen Verband um den Kopf.

      Gayle bemerkte Tom und stand auf. Sie hatte den blauen Frotteemorgenmantel, den sie so gerne mochte, eng zugebunden. Tom konnte sich nicht erinnern, wann er seine frühere Frau jemals so verzweifelt gesehen hatte.

      »Hab dich nicht reinkommen sehen. Das ist Detective Berger.«

      Tom wollte Janie nicht loslassen und nickte nur.

      »Was zum Teufel ist passiert?«, erkundigte er sich.

      Gayle nickte zu Janie. Tom verstand. »Vielleicht könnten du und David die Mädchen zu Bett bringen, solange ich noch mit dem Detective beschäftigt bin«, schlug Gayle vor. »Ich wollte dich nicht aufwecken, aber sie wollte nicht ins Bett, ohne dich zu sehen.«

      »Ich bin froh, dass du das getan hast.«

      Gayle benachrichtigte Dave, und die beiden Männer brachten die Mädchen hinauf in Janies Zimmer. Dort standen zwei Doppelbetten, aber die Mädchen wollten unbedingt zusammen in einem Bett schlafen. Sobald sie in den Kissen lagen, schliefen sie auch direkt ein.

      Auf dem Weg nach unten fragte sich Tom, ob er sich nach Daves Kopfverletzung erkundigen sollte, beschloss dann aber, dass es das Beste war, wenn er sich die ganze Geschichte von vorne anhörte. Als sie im Wohnzimmer ankamen, war Berger gerade dabei zu gehen. Er fragte nach Toms Karte, falls er ihn später kontaktieren müsste, um zusätzliche Hintergrundinformationen zu Gino zu sammeln. Sobald Berger weg war, setzten sich alle an den Küchentisch und Gayle goss jedem eine Tasse Kaffee ein. »Wir hatten Rosies Geburtstag gefeiert. Sie wäre zwar erst am Dienstag fünfunddreißig geworden, aber wir wollten lieber am Wochenende feiern.«

      »Gino war den ganzen Abend über schon total komisch«, sagte Dave. »Er hatte bereits ein paar Bier intus, als sie hier ankamen, und trank dann noch ein paar. Niemand war beunruhigt, im Gegenteil. Gino und Rosie hatten beschlossen, hier zu übernachten, damit sie beide etwas trinken konnten und sich um die Heimfahrt nicht zu sorgen brauchten.«

      Tom wusste, dass Gino etwas vertragen konnte, er war ja auch ein Riesenmannsbild, und Tom konnte ehrlich nicht sagen, wann er ihn einmal betrunken gesehen hatte. Er fragte sich, ob diese Information in den Händen der Ermittler Gino helfen oder schaden würde.

      »Wir hatten also gerade Happy Birthday gesungen«, erzählte Gayle, »und als Rosie die Kerzen ausblasen wollte, holte Gino einen zusammengefalteten Notizzettel aus der Hosentasche. Rosie war auf einmal wie gelähmt. Tom, ich habe sie noch nie so verängstigt gesehen.«

      Daves Gesicht wurde blass, als er noch einmal die Ereignisse von vor ein paar Stunden Revue passieren ließ. »Dann brach die Hölle los. Gino stand auf und schmiss den Tisch um. Kuchen und Getränke flogen durch die Gegend. Die Mädchen schrien. Und Gino wedelte nur mit diesem Notizzettel.«

      »Was stand darauf?«, fragte Tom. Er wollte nicht glauben, dass er den Inhalt kennen könnte.

      Dave fuhr fort: »Offenbar hatte Rosie eine Affäre.« Er tauschte Blicke mit Gayle, die wegsah. »Mit einer Frau. Der Notizzettel war von Rosie, darauf schrieb sie der Frau, dass es zu Ende sei. Irgendwie hatte Gino den Zettel gefunden, bevor ihn Rosie abgeben konnte.«

      »Er fing also an, ihr diese total widerwärtigen Dinge an den Kopf zu werfen«, erzählte Gayle weiter. »Rosie und ich waren voller Kuchen und Eis. Wir versuchten, Angie und Janie zu schützen, weißt du, sie aus dem Zimmer zu bringen. Gino packte Rosie bei den Haaren und zerrte sie zurück. David versuchte, dazwischen zu gehen, aber Gino ist so ein großer Kerl, und er schlug David und …«

      »Ich bin dann auf der Eiscreme ausgerutscht«, erklärte Dave. Tom dachte, wenn Gino Battaglia jemanden mit voller Wucht traf, dann würde derjenige zu Boden gehen, Eiscreme oder nicht, aber das behielt er für sich.

      Gayle erzählte unter Schluchzen weiter, unterbrochen von Pausen, in denen sie wieder zu Atem zu kommen versuchte. Ihre Augen wurden glasig, und Tom konnte erkennen, dass sie das schreckliche Ereignis noch einmal durchlebte.

      »Und dann … dann … hält er Rosies Kopf an den Haaren mit der einen Hand und prügelt sie mit der anderen ins Gesicht. O Gott.« Sie vergrub ihren Kopf in ihren Händen.

      »Es reicht«, sagte Dave.

      Gayle erzählte weiter, als habe sie ihn nicht gehört. »Ich glaube, sie wurde schon beim ersten Schlag ohnmächtig. Aber Gino schlug einfach immer weiter. Ich schrie ihn an, dass er aufhören soll, und schrie auch die Mädchen an, dass sie auf ihre Zimmer gehen sollen. Ich sprang auf seinen Rücken, aber er warf mich ab und schlug immer weiter auf sie ein und nach einer Weile hatte sie kein Gesicht mehr. Und das Blut, überall das viele Blut, und von ihrer Wange hing ein Hautfetzen herab, sodass man den Wangenknochen sehen konnte, doch er prügelte immer weiter …«

      Dave schlang seine Arme um sie, zog sie ganz nah an sich heran und brachte sie so zum Schweigen. Sie begrub ihr Gesicht in seinem Hemd, ihre Schultern zuckten heftig mit jedem Schluchzen.

      »Die Mädchen haben nicht alles gesehen, aber genug«, erzählte Dave weiter.

      Tom ignorierte sein Handy, das in der Hosentasche vibrierte. »Mein Gott. Hat Gino noch irgendetwas gesagt?«, fragte er.

      »Ich glaube nicht«, antwortete Dave. »Er hatte zum Schluss nur diesen seltsamen Gesichtsausdruck.«

      Gayle löste sich von Dave und griff nach einem Papiertaschentuch, um sich die Nase zu putzen. »Er starrte sie an, diese blutige Puppe, als sehe er sie zum ersten Mal. Dann brach er zusammen und weinte wie ein Baby. Er saß auf dem Boden und schaukelte vor und zurück, bis die Bullen