ONE TO GO - Auf Leben und Tod. Mike Pace. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Mike Pace
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958351271
Скачать книгу
dem Motorraum bewegten sich jetzt. Sie hatten das Benzin, das aus dem Tank tröpfelte, in Brand gesteckt und versengten den grünen Lack unterhalb des Tankdeckels.

      Gott, nein!

      Die Flammen stiegen an der Seite des Vans empor bis zum Einfüllstutzen des Tanks.

      Und der Wagen kippte langsam in Richtung Fluss.

      Kapitel 4

      »Janie!«

      Als Tom auf den Van zurannte, sah er ihr Gesicht und ihre Hände immer noch fest an die Scheibe gepresst, in ihrem Gesicht der Ausdruck schieren Entsetzens. Er kam nahe genug heran, um ihren Mund zu erkennen: »Daddy!«

      Dann kippte der Van wie in Zeitlupe über das Brückengeländer und stürzte kopfüber in den Potomac.

      Das deutliche Platschen, als der Wagen in das Wasser stürzte, war nur für einen Sekundenbruchteil zu hören und wurde rasch von einem gewaltigen Knall übertönt, als der Minivan in einer feurigen Explosion zerrissen wurde. Die Wucht schleuderte einen Feuerball über den Rand der Brücke hinauf, worauf Tom unfreiwillig einen Satz zurückmachte.

      »NEEEIIIN!«

      Tom ignorierte die Funken und Trümmer, die auf die Brücke herabregneten und rannte zum Geländer. Unten sah er, wie das Fahrzeug ein Raub der Flammen wurde. Er dachte, er könne leise Hilferufe aus dem Feuer hören.Die Stimme von Janie? Bildete er sich das ein? Bildete er sich die ganze Albtraumszene ein?

      Er hörte Kreischen, Schreien und das leise Heulen einer näherkommenden Sirene. Er musste dort hinunter. Sofort.

      Tom drehte sich um und sah, wie Chad und Britney ruhig mitten auf der Straße standen, während um sie herum das Chaos tobte.

      »Helft mir!«

      Im Bruchteil einer Sekunde standen sie beide vor ihm. »Tut uns leid, Tom, sie ist verloren«, sagte Chad.

      »Ich fürchte, sie ist zu einem Stück Kohle verbrannt«, fügte Britney mit einem Ausdruck tiefen Mitgefühls auf ihrem Gesicht hinzu. »Und das Traurigste: Es war schmerzhaft.«

      »Sehr schmerzhaft«, ergänzte Chad in beruhigendem Ton.

      Tom ballte die Faust und schwang sie so fest er nur konnte gegen Chads Kinn. Seine Faust ging einfach durch Chads lächelndes Gesicht hindurch, als ob es gar nicht da wäre. Tom stolperte und fiel von der Wucht des verfehlten Schlages auf den Gehsteig.

      Als er hochblickte, hörte er das Surren und die Szene sprang ein paar Sekunden zurück. Der Minivan stand wieder auf der Brücke, auf zwei Rädern balancierend, festgefroren in der Zeit.

      Chad streckte die Hand aus. Tom beachtete ihn nicht und stand mühsam auf. Seine Stimme zitterte unweigerlich. »Wer seid ihr?«

      »Wir sind die Typen, die dir eine Chance geben, deine Tochter zu retten«, erwiderte Chad.

      »Wir lieben Janie«, beteuerte Britney. »Sie ist so unheimlich süß.«

      »Niemand möchte, dass sie sich in ein Stück Kohle verwandelt«, sagte Chad.

      Britney lachte. »Nun, da gibt es schon jemanden.«

      Chad erklärte: »Du musst dich entscheiden. Möglichkeit A oder …«

      »Möglichkeit A!«, rief Tom. »Möglichkeit A!«

      »Ausgezeichnete Wahl«, lobte Britney. »Aber – und ich bin mir sicher, dass du das verstehen wirst – es kostet natürlich eine Kleinigkeit.«

      »Wir sehen das mehr als eine Gefälligkeit an«, meinte Chad. »Wir tun dir den netten Gefallen, Janie vor dem Feuertod zu bewahren, für den du in deiner egoistischen Nachlässigkeit selbst verantwortlich bist – Regeln gelten für andere, nicht für Tom Booker. Im Gegenzug wirst du uns ebenfalls einen netten Gefallen erweisen.«

      »Ihr meint also, ihr seid so etwas wie … was? Engel?« Er merkte, wie gezwungen der Sarkasmus in seiner Stimme klang.

      Beide mussten kichern. »Man könnte sagen, gleicher Sport, andere Mannschaft«, erwiderte Chad.

      Tom starrte Chad mit perplexem Gesichtsausdruck an, seine Gedanken überschlugen sich. Was der verrückte Eliteschüler da andeutete, war unmöglich. Tom hatte schon vor langer Zeit die Vorstellung eines Lebens nach dem Tod als Märchen über Bord geworfen, das die Menschen seit Anbeginn der Zeit unbeirrt einander weitererzählten. Von Thor über Zeus zu Jesus, Gott und Allah bot der Glaube an eine höhere Macht einen Hoffnungsschimmer; egal, wie erbärmlich das Leben war, es würde mit einem Happy End abschließen.

      Tom blickte in die Gesichter des Paares und spürte, dass sie seine Gedanken lesen konnten.

      Chad und Britney kicherten beide, als sie ihre Arme vor der Brust ausstreckten und mit ihren Zeigefingern Kreuze formten wie ein jämmerliches Opfer, das versuche, Dracula abzuwehren.

      Tom wandte seinen Blick ab. Sein Verstand sprang zurück in seine Jugend. Als Junge war er in der Methodistenkirche bei sehr religiösen Eltern aufgewachsen. Als er zur Highschool ging, war sein Vater von einem Betrunkenen totgefahren worden. Danach hatte er sich trotz Flehens seiner Mutter geweigert, weiterhin an Gottesdiensten teilzunehmen. Er konnte ihr die Erklärung nicht abkaufen, dass der Tod seines Vaters »der Wille Gottes« gewesen sein sollte.

      Vier Jahre später wurde bei seiner Mutter Brustkrebs diagnostiziert. Als die Chemotherapie, die Bestrahlungen und die Heilkräuter versagten, hatte er Zuflucht im Gebet gesucht und Gott angefleht, sie zu verschonen. Aber das tat er nicht und bestätigte Tom somit, dass Gott, selbst wenn er existierte, ein sadistisches Arschloch war.

      Dennoch – nach dem, dessen er gerade Zeuge geworden war, halluzinierte er entweder wegen der Verletzungen, die er sich bei dem Unfall zugezogen hatte, oder …

      Er sah die beiden an. »Bin ich in« – das Wort steckte ihm im Hals – »der Hölle?«

      »Eine Menge Leute würden sagen, Washington sei die Hölle auf Erden«, antwortete Britney.

      Chad lachte. »Sehr gut, Brit.« An Tom gewandt fügte er hinzu: »Nein, du stehst hier mitten auf der Memorial Bridge.«

      »Also, so lautet der Deal«, begann Brit. »In dem Minivan befinden sich fünf Unschuldige.«

      »Du nennst Rosie unschuldig?«, fragte Chad. »Das Gesicht im Schritt ihrer Pilates-Trainerin zu vergraben ist nicht besonders unschuldig.«

      »Aber sie kam stets mit einem Lächeln nach Hause zu Gino«, erwiderte Brit.

      »Das stimmt«, gab Chad zu.

      »Würde mir nun endlich jemand erklären, was zum Teufel hier vor sich geht?«

      »Was zum Teufel … sehr pointiert«, meinte Brit.

      »Im Gegenzug für Option A wird alle zwei Wochen ein Passagier des Minivans sterben«, erklärte Chad. »Sie wären ja sowieso gestorben, weißt du. Du hast sie umgebracht, sorry, wenn ich das erwähne. Aber du solltest dich beim Fahren auf die Straße konzentrieren. Und lass den Fusel, Tom. Saufen ist kein guter Juju.«

      »Definitiv ganz schlecht als Juju«, sagte Brit. »Da nun alle von ihnen sozusagen nach Norden fahren würden …«

      »Sogar Rosie«, warf Chad ein.

      Brit fuhr fort. »Der Boss sah hier eine Möglichkeit für eine Win-win-Situation. Deine Tochter und ihre Freunde dürfen weiterleben, aber dafür musst du ihm ein anderes Leben besorgen.«

      »Mit besorgen meint ihr …?«

      »Jemanden umlegen, kaltmachen, abmurksen … du verstehst schon.«

      »Das ist verrückt! Ich bin kein Mörder.«

      »Doch, bist du«, widersprach Chad. »Du hast gerade fünf unschuldige Menschen ermordet.«

      »Würdest du nicht alles tun, um deine Tochter zu retten?«, fragte Brit.

      Tom vergrub sein Gesicht