SURVIVAL INSTINCT. Kristal Stittle. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Kristal Stittle
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958350250
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hast ihn angefahren!« Alice konnte es nicht fassen.

      »Das wollte ich nicht.« Paul wimmerte leise. »Wenn wir bei dir sind, geben wir der Polizei darüber Bescheid.«

      »Gut.«

      Sie erreichten die Straße, die Alice ihm gezeigt hatte. Als er einbog, schrie Alice, da sie durch den Schwung, mit dem er die Kurve nahm, zur Seite gerissen wurde. Wieder befürchtete sie, der Wagen kippe um, und wieder tat er es nicht.

      »Wohin jetzt?«, fragte Paul.

      »Äh …« Alice erhob sich erneut, um sich zu orientieren. »Hinter dem gelben Haus da rein. Diese Seite.« Sie wedelte mit dem rechten Arm hoch und runter.

      Sie erreichten die Nebenstraße und nahmen sie. Diesmal wären sie vermutlich wirklich umgekippt, hätten sie nicht ein weiteres parkendes Auto am Straßenrand erwischt.

      »Unser Haus ist so ein bisschen orange, hat ein braunes Dach und einen Basketballkorb davor«, beschrieb Alice, während sie sich wieder aufrichtete.

      »Ich weiß noch, wie es aussieht«, meckerte Paul.

      »Wie bremsen wir, wenn wir da sind?«, fragte sich Alice laut. »Weit ist es nicht mehr.«

      »Judy, drück auf die Bremse«, gab Paul nach unten weiter.

      Das Mädchen reagierte immer noch nicht.

      »Judy!«, brauste er auf, indem er hinunterschaute. »Bremsen!«

      Weil er den Blick von der Straße abgewandt hatte, wankte der Wagen noch heftiger als zuvor.

      »Baum!«, schrie Alice.

      Er hüpfte über die Bordsteinkante und fuhr schnurstracks auf die große Weide im Vorgarten von Alice Carters Nachbarn zu. Dabei wurde sie trotz ihres Gurtes nach vorne geschleudert und schlug gegen die Lehne des Sitzes vor ihr. Dies war nicht der richtige Ort und nicht der richtige Zeitpunkt, um einzuschlafen, doch genau das passierte jetzt mit ihr, und sie konnte nichts dagegen tun.

      Misha

      Misha rollte auf den Rücken und drückte sich sein Kissen auf den Kopf. Er brauchte dickere Vorhänge, denn diese waren weiß und hauchdünn, hielten das Licht also praktisch gar nicht ab. Leider konnte er sich keine anderen leisten, da all sein Geld für drei Dinge draufging: Rechnungen, Nahrung und Studiengebühren, damit er einen seiner Jobs getrost zu Beginn des Herbstsemesters aufgeben konnte. Im Moment schuftete er tagsüber wie blöde als Anstreicher, während er nachts die Küche eines 24-Stunden-McDonald's auf Trab hielt. Er wollte jetzt einfach nur schlafen.

      Da klopfte jemand an der Tür.

      »Verschwinde«, nuschelte Misha in sein Kissen. Dies war sein erster komplett freier Tag seit sehr langer Zeit.

      Es klopfte erneut.

      »Miiishaaa«, raunte eine leise Stimme vor der Tür. »Oh, Miiishaaa.«

      Kurz hob er das Kissen von seinem Gesicht. »Hau ab, Dean, ich will pennen!« Daraufhin drückte er die Federn zurück auf seinen Kopf.

      Nun herrschte wieder tröstliche Stille.

      Eher er wusste, was los war, lag etwas Schweres auf ihm. Als er das Kissen wieder von seinem Gesicht zog, stellte er fest, dass Dean auf ihm hockte.

      »Merke: Sieh stets zu, dass deine Tür abgeschlossen ist, bevor du dich hinlegst«, sagte Misha zu sich selbst und zu Dean: »Jetzt geh runter von mir.« Er stieß Dean vom Bett.

      »Komm schon, Russki, du kannst nicht den ganzen Tag verschlafen.« Dean erhob sich sprunghaft.

      »Hast du 'ne Ahnung.« Misha sprach eigentlich hervorragend und nahezu akzentfreies Englisch, aber nicht wenige nannten ihn trotzdem Russki. Nun gut, es war ihm egal – relativ.

      Dean wippte auf seinen Zehen. »Sei nicht so, wir kommen ja kaum noch dazu, mal einen Tag lang gemeinsam was zu starten.« Deans Englisch ließ seine britische Herkunft ebenso wenig durchblicken; ihn bedachte man deshalb auch nicht mit einem Spitznamen.

      »Ich dachte, du würdest mit Cassidy zu irgendeinem Konzert gehen.« Misha warf einen Blick auf seinen Wecker. Er zeigte 14:42 Uhr an. Vermutlich stand er doch besser auf.

      »Wollte ich auch, aber sie hat angerufen und gemeint, ihr sei nicht gut, von wegen Sommergrippe oder so'n Quatsch.« Dean nahm es sichtlich auf die leichte Schulter und setzte sich auf Mishas Computerstuhl. »Schon Kacke, aber hey: Wenigstens kann ich jetzt mit dir abhängen!«

      »Na, da darf ich mich jetzt glücklich schätzen.« Misha setzte sich und schwang seine Beine über die Bettkante. »Ich geh duschen; wenn ich zurückkomme und du lungerst noch hier rum, verpasse ich dir einen zweiten Darmausgang.«

      »In Anbetracht der Tatsache, dass du dann nur ein Handtuch am Körper tragen wirst, werde ich mich sputen.« Schon stand Dean auf und verließ das Zimmer.

      Misha erhob sich und suchte sein Duschzeug zusammen. Während der Schulzeit teilte er sich das Haus mit sechs anderen jungen Männern, weshalb er seine Sachen niemals im Bad liegenließ, auch wenn jetzt in den Ferien bis auf Dean alle weggefahren waren. Misha trat aus dem Raum und ging über den Flur zum Bad. Er war froh darüber, dass Dean im Sommer als einziger zurückblieb. So brauchte er sich keine Sorgen darum zu machen, jemand anders müsse ins Bad, weil es zwei weitere im Haus gab, eins im Erdgeschoss auf dem Hauptgang und noch eins im Keller.

      Als die beiden per Zufall in derselben Bude eingezogen waren, hatten sie sich nur flüchtig gekannt und sich mit unterschiedlichen Freundeskreisen abgegeben, in welchen ihnen nahegelegt worden war, hier aufzuschlagen. Mishas Freunde wohnten oben, Deans Clique im Keller, und der eine gemeinsame Bekannte, der sich mit beiden Gruppen abgab, bewohnte das einzige Zimmer auf dem Hauptgang im Erdgeschoss. Mittlerweile waren Misha und Dean aber dicke Freunde geworden. Keiner der beiden konnte es sich leisten, oft nach Hause zu fahren, also lief es darauf hinaus, dass sie den Sommer und auch die meisten anderen Ferien häufig gemeinsam verbrachten. Dieses Jahr hatte Misha viel gearbeitet, und Dean war mit seiner Flamme beschäftigt gewesen, also trafen sie sich momentan recht selten. Misha hätte es Dean gegenüber nie zugegeben, doch heute kam es ihm eigentlich ziemlich gelegen.

      Er stieg in die Dusche und folgte seiner Routine: Haare einschäumen und ausspülen, Spülung einmassieren, Körper einseifen und abwaschen. Danach putzte er seine Zähne und rieb sich das Gesicht mit einer Salbe gegen Pickel ein, während er so viel Zeit unterm heißen Wasser verbrachte wie möglich.

      Als er fertig war, blieb er ein paar Minuten länger einfach unter der Brause stehen und ließ das Wasser über sich laufen. Schlussendlich jedoch kam er nicht drumherum, es abzustellen und aus der Wanne zu steigen. Um sein lotteriges schwarzes Haar zu trocknen, verwendete er dasselbe Handtuch wie zum Abrubbeln seines Körpers, bevor er es um seine Taille band.

      Dann trat er vors Waschbecken und begutachtete sein Gesicht im Spiegel. Die hellblauen Augen, die ihm entgegenblickten, waren fast weiß wie jene mancher Huskys. Es gab Girls, die waren begeistert davon, während andere sie gruselig fanden. Zudem hatte er sich schon oft die Frage stellen lassen müssen, ob er Kontaktlinsen trage, die ihre Farbe wechselten, und dann stets versichert, seine Mutter habe die gleichen Augen. Er suchte seine blasse Gesichtshaut nach Unebenheiten ab. Sein Teint war seit je fahl, auch trotz eines Ferienjobs, der bedingte, dass er draußen in der Sonne arbeitete. Als eitel hätte er sich nicht unbedingt bezeichnet, doch Misha wusste genauso gut, dass ein stattliches Aussehen im Alltag Vorteile mit sich brachte, wie eine Stelle bei McDonald's einen fortschreitenden Kampf gegen Pickel nach sich zog, die durch die fettigen Dämpfe der Fritteusen heraufbeschworen wurden. Heute entdeckte er keinen.

      Ferner fiel ihm auf, dass er sich heute nicht rasieren musste. Das brauchte er ohnehin nur selten zu tun, was angesichts der Tatsache, dass sein Vater ein ziemlicher Bär war, merkwürdig anmutete.

      Er ähnelte seiner Mutter deutlich stärker als seinem alten Herrn. Der war ein großer, stämmiger Mann mit kantigen Zügen, wohingegen Mishas Antlitz deutlich zarter ausfiel, derweil sein Körper nur aus Knochen und sehnigen Muskeln bestand.

      Er verließ das