SURVIVAL INSTINCT. Kristal Stittle. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Kristal Stittle
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958350250
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er ihm. »Wir rufen einen Arzt für Sie. Bald geht es Ihnen wieder besser; das kriegen wir hin.«

      Bruce hielt die Arme des Moderators fest und stützte ihn. Lucas sackte jedoch zusammen, sodass der starke Mann sein Gewicht stemmen musste.

      Dann biss er auch in seinen Arm.

      Bruce brüllte und stieß Lucas instinktiv zurück. Dadurch, dass er hinfiel, rammte er sich den Schirm noch etwas tiefer in den Leib, schickte sich aber sofort an, wieder auf die Beine zu kommen.

      »Gibt es denn so was? Der Wichser hat mich gerade gebissen!« Bruce drehte sich zu Tobias um. »Nimm die verdammte Kamera runter, Mann!« Er legte eine Pranke aufs Objektiv und drückte es nach unten.

      Tobias kam sich auf einmal vor wie in die Realität zurückversetzt. In Lucas' Brust steckte tatsächlich ein Regenschirm, und der Kerl hatte Bruce wirklich gerade gebissen. Apropos Bisse …

      Er schaute hinüber auf die andere Seite des freien Platzes, wo die Wachleute und Polizisten immer noch mit dem ersten Angreifer haderten. Der Officer mit dem zerfetzten Hals lag mit glasigen Augen auf der Erde. Aus der Wunde sprudelte kein Blut mehr, doch dann verkrampfte sein Körper, und er fing wie Lucas an, sich zu erheben.

      »Bruce, hauen wir ab.« Tobias trat den Rückzug an und machte so große Augen, als fielen sie ihm gleich aus dem Kopf. »Am besten sofort!«

      Lucas Jonas ließ den Blick über die Menge ringsum schweifen. Viele hatten auf ihrer Flucht innegehalten, sobald sie in sichere Entfernung gelangt waren, und schauten jetzt zu. Die meisten machten Fotos oder Videos mit ihren Handys, wohingegen andere hektisch SMS eintippten; mancher verwendete sein Telefon auch tatsächlich zum Telefonieren. Wie bei einem Autounfall, den man bezeugte, war es schwierig, nicht hinzusehen. Dann setzte sich Lucas in Bewegung und rannte auf sie zu – richtig schnell. Als die Menschen herumfuhren und die Flucht ergriffen, kamen sie nicht weit, bevor sie anderen im Pulk in den Rücken fielen. Lucas packte die erste Person, die er zu fassen bekam, und fiel über ihn her – rabiat, brutal. Er riss den Mann in Stücke.

      Tobias wich zurück, bis er gegen die Wand der Personen hinter sich stieß. Nicht lange, und Bruce stand neben ihm.

      »Du hast Recht; machen wir, dass wir wegkommen.« Der große Kerl drängelte sich rigoroser als zuvor durch die Menschenmasse. Einen Mann riss er geradezu von den Beinen.

      Tobias drehte sich ein letztes Mal nach dem Blutbad um, ehe er Bruce folgte. Dummerweise war er nicht der einzige, der sich dazu entschlossen hatte: Mehrere Menschen versuchten, sich hinter Bruce' massive Figur zu schieben und ihn quasi als menschlichen Pflug zu benutzen. Tobias wurde herumgeschubst, während er sich anstrengte, Schritt zu halten. Er streckte sich wieder nach Bruce' Shirt aus, griff aber zu kurz und streifte den Baumwollstoff nur leicht mit den Fingerspitzen. Immer mehr Flüchtende sammelten sich hinter ihm und seinem Bekannten. Als sich Bruce zusehends weiter von Tobias entfernte, geriet dieser in Panik.

      »Bruce!« Er drückte fester, doch die Masse der Fliehenden war einfach zu dicht, und er selbst nicht so stark wie sein Freund. »Bruce!« Leider war der Wachmann schon zu weit weg.

      Tobias holte tief Luft, um sich zu beruhigen. Die Menge strömte durch die Tore des Parks; er würde hinauskommen, indem er sich treiben ließ. Kein Grund zur Eile, einfach mitziehen …

      Als er und ein Punkrock-Girl Schulter an Schulter eingezwängt wurden, warf er einen Blick zur Seite und fand, dass es krank aussah. Dies war ein weiterer Grund für seinen Argwohn gegenüber Menschenmengen, speziell wenn sie so groß waren: Irgendwelche Kranke tummelten sich immer darin, steckten alle anderen an … und natürlich fand sich Tobias direkt neben ihnen wieder.

      Einen Augenblick später ließ er sich dazu hinreißen, die junge Frau länger anzusehen. Sie war ausgesprochen blass und schwitzte. Das tat Tobias auch bei all dem Stress sowie aufgrund der Hitze, die von so vielen dichtgedrängten Leibern ausging – von der Sonne ganz zu schweigen – doch dieses Mädchen sonderte Sturzbäche ab. Ihre Augen waren weit in die Höhlen zurückgewichen, und sie lehnte sich schwer gegen die Menschen vor ihr.

      Endlich rang er sich dazu durch, sie anzusprechen: »Hey, alles klar mit dir?«

      Die junge Frau drehte ihm den Kopf zu. »Mir geht es gut.« Ihre Stimme ließ auf das Gegenteil schließen. Wäre Tobias nicht unmittelbar neben ihr eingeklemmt gewesen, hätte er sie wahrscheinlich gar nicht gehört. »Bin vor ein paar Tagen von so 'nem Irren gebissen worden. Schätze, die im Krankenhaus haben die Wunde nicht richtig desinfiziert. Elende Stümper.«

      Sie wandte sich von ihm ab und hielt sich die Armbeuge vor den Mund, um zu husten. Tobias war froh darum, auch wenn es bedeutete, dass sie ihre Bazillen auf jemand anderen schleuderte. Hatte sie wirklich gerade behauptet, gebissen worden zu sein?

      Ihm fiel der Mann ein, dessen Kehle herausgerissen worden war. So schlecht schien ihm das nicht bekommen zu sein, denn immerhin hatte er sich wieder erhoben. Gleicher Fall bei Lucas, aber wieso musste er andere angreifen? Schock. Jawohl, er stand wohl unter Schock und meinte, sich verteidigen zu müssen oder so. Das erklärte es vermutlich; genau, das war es.

      Während sich Tobias einredete, nichts sei so arg, wie es erschien, brach das Mädchen neben ihm zusammen. Zum Glück bemerkten die hinter ihr es und blieben früh genug stehen, um nicht über sie zu trampeln.

      »Hey!« Tobias wagte nicht, sich zu bücken, da er nicht sicher war, ob er sich wieder aufrichten konnte, obwohl er die Kamera nicht mehr auf der Schulter trug. »Los, komm schon, du musst wieder aufstehen!«

      Die Personen hinter ihr stießen sie mit den Füßen an, um sie zu irgendeiner Reaktion zu bewegen. Plötzlich zuckte ihr Körper wie jene von Lucas und dem Polizisten.

      Irgendwoher bezog Tobias' Kreislauf noch Adrenalin und schüttete es kübelweise aus. Er riss die Augen abermals auf und versuchte erbittert, sich durch die Masse zu schlagen, kam aber nicht durch. Er stand im wahrsten Sinn des Wortes vor einem Wall aus Fleisch und Klamotten.

      Als er einen Blick über die Schulter nach unten warf, hob das Mädchen den Kopf an. Es schlug aus, klammerte sich ans erste Bein, das es zu fassen bekam, und biss kräftig in dessen nackte Wade. Das Opfer brüllte vor Schmerz, während diejenigen, die es bezeugten, vor Schreck und Panik aufschrieen – am lautesten Tobias selbst.

      Ehe er sich versah, hatte er seine Tasche vom Rücken genommen und die Kamera gemeinsam mit jeglichen herabhängenden Kabeln hineingestopft. Kurz spielte er mit dem Gedanken, sie gänzlich fallenzulassen, doch der Verkabelung des Batteriesystems mit der Kamera, die um seine Taille führte, hätte er sich nicht schnell genug entledigen können. Deshalb hängte er sich die Tasche wieder um den Arm, nahm ihr Gewicht im Gegensatz zu vorhin aber gar nicht mehr wahr. Er packte die nächste Person an den Schultern und zog. Als er sich auf den Mann stützte, brach dieser fast unter ihm sowie der schweren Kamera zusammen. Dann begann Tobias, über die Köpfe und Rücken der Menschen zu kriechen, wobei er nicht darauf achtete – geschweige denn es überhaupt hörte – wie sie sich beschwerten und im Schmerz aufheulten.

      Obwohl er nie aufhörte, sich über der Menschenmasse vorwärtszubewegen, nahm er sich Zeit zum Umschauen. Hinter ihm, wo das kranke Punkrock-Girl gestürzt war, weitete sich allmählich eine offene Kreisfläche, und noch weiter zurück, wo er auf Lucas gestoßen war, hatte sich ein noch größerer Platz gebildet. Tobias fühlte sich an Kiesel erinnert, die man in einen Teich warf, woraufhin sich konzentrische Wellen nach außen kräuselten. Allem Anschein nach fielen jetzt noch mehr Menschen übereinander her, einige genauso absonderlich mit den Zähnen schnappend wie die ersten Aggressoren. Andere gerieten auf der Flucht aneinander, und mancherorts in der Menge bildeten sich weitere dieser freien Stellen, von denen alle wegstrebten. Die Geräuschkulisse belief sich jetzt weitgehend auf Gebrüll; es erbrach sich nahezu ohne Unterlass. Was mit freudigem Gejohle begonnen hatte, war in endlose Entsetzensschreie ausgeartet.

      Tobias musste mitansehen, wie ein Mann unter der Flut der Leiber niedergetreten wurde. Er war geschubst worden und umgefallen. Niemand bemühte sich um ihn wie zuvor um das Mädchen, und sein Kopf tauchte nicht mehr auf. Tobias war nicht der einzige, der über Schädel und Haare krabbelte. Etliche Eingeschlossene hatten die gleiche Idee gehabt