SURVIVAL INSTINCT. Kristal Stittle. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Kristal Stittle
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958350250
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einig, dass die Zahl der Involvierten zu hoch dafür ist. Gegenwärtig behält sich die Polizei einen offiziellen Kommentar vor, aber unbestätigten Berichten zufolge seien auch Beamte in die Angriffe verwickelt.«

      Während der Reporter weitersprach, sackte die Kamera langsam nach unten. Der Sender wechselte auf eine andere, sodass der Mann kurz zögerte, bevor er sich ihr zuwandte. Er fuhr fort und betonte, wie wenig man wisse, während er immer wieder zu der anderen Kamera hinüberschaute. Alec erkannte anhand der Körperhaltung des Mannes, dass er immer unruhiger wurde. Dann vergriff er sich in seiner Ausdrucksweise und unterbrach mehrmals, wobei auch die Stimmen anderer, die hinter den Kulissen standen, hörbar wurden. Schließlich ließ der Sprecher endgültig von seinem Text ab.

      »Chang? Geht es Ihnen gut?«, fragte er in Richtung der Kamera, in die er zuerst geschaut hatte. »Chang?«

      Abseits der Einstellung kam mehr Lärm auf. Mr. Freeman machte lauter, damit Alec und er etwas aufschnappen konnten. Die beiden neigten sich dem Fernseher unbewusst entgegen, um besser zu verstehen, was dazu führte, dass sie, als sich ein erschütternder Schrei aus den Lautsprechern erbrach und den Raum erzittern ließ, heftig zusammenzuckten. Rifles Aufjaulen ging in der Lautstärke des Geräts unter.

      Der Sprecher stand auf und trat einen Schritt zurück, wobei sein Sessel umkippte. »Chang!«, donnerte seine Stimme durch die Boxen, verstärkt durch das Mikrofon an seinem Hemdkragen.

      Ein asiatisch aussehender Mann, wahrscheinlich Chang, erschien plötzlich vor der Kamera, sprang über das Pult des Sprechers und rang diesen nieder. Was daraufhin geschah, sahen die Zuschauer nicht, doch das Mikrofon nahm alles auf: die Schreie, das Knurren, Knacken und Schmatzen, zuletzt ein Reißen.

      Mehrere andere Personen eilten aus dem Off herbei, um dem Sprecher zu helfen. Zuletzt wurde die Kamera umgestoßen, und ein langer Riss zog sich über den Bildschirm, als sie aufschlug. Sie lag auf der Seite, sodass sie nun alles schief zeigte. Vermutlich neigten gerade viele Zuschauer wie Alec und Freeman die Köpfe, um dem entgegenzuwirken. Jemand zuckte am Boden herum, doch weil das Bild unscharf warf, ließ sich nicht genau bestimmen, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelte. Eine Handvoll Personen scharten sich ringsum, wiederum erpicht darauf, Hilfe zu leisten. Die zappelnde Person gab letztlich Ruhe und blieb einen Moment lang still liegen, bevor sie nach dem nächsten Paar Beine langte. Alec dachte kurz, dies sei eine Reflexreaktion, ein Hilferuf, zweifelte dann aber nicht mehr daran, dass es sich um einen Angriff handelte.

      Als zuerst der Ton ausfiel, war es unangenehm still im Büro des Supermarkts. Nach ein paar Sekunden verschwand auch das Bild, und eine Tafel erschien mit dem Hinweis, man entschuldige sich für technische Probleme, begleitet vom Piepen des Testbilds, das die Leere im Raum wieder füllte. Alec hielt sich die Ohren zu, weil der hohe Ton ihm Schmerzen bereitete. Rifle legte seine Ohren an und heulte tief, aber im Einklang mit dem Signal. Die beiden Männer starrten eine Weile stumm aufs Standbild.

      ***

      Freeman kehrte sich Alec zu: »Was, meinen Sie, sollten wir tun?«

      »Ich weiß nicht«, gestand dieser. »Zuallererst den Laden schließen, die Kunden nach Hause schicken.«

      »Glauben Sie, das Gebäude zu verlassen, sei sicher?«

      »Nein, aber warum es drinnen sicher sein sollte, wüsste ich auch nicht. Die Front ist komplett verglast; man kann sie ohne weiteres durchbrechen.«

      »Wir haben Sicherheitsrollläden, die man davor herunterlassen kann.«

      »Dann ist Hierbleiben vielleicht doch nicht so verkehrt, aber einige Kunden werden nach Hause wollen.«

      »Gehören Sie dazu?«

      »Ja.«

      »Dann machen Sie sich auf den Weg. Ich regle das hier.«

      Alec wendete den Rollstuhl und fuhr hinaus, ohne sich zu verabschieden. Rifle wusste, dass etwas nicht stimmte, und blieb dicht neben ihm, soweit die Räder es zuließen. Auch auf dem Weg nach draußen sagte Alec zu niemandem etwas. Mochte sich Freeman mit den Menschen herumschlagen – er selbst war es gewohnt, praktisch ganz allein zu arbeiten. Er hatte einmal einen menschlichen Partner gehabt – damals in der Armee – doch jetzt stand ihm Rifle zur Seite.

      Draußen schaute sich Alec vorsichtig um. Eigentlich sah alles aus wie zuvor, doch nun wohnte der Umgebung etwas subtil Bedrohliches inne. Um zum Gehsteig zu gelangen, musste Alec mehrere Kantsteine auf dem Parkplatz umfahren. Er schimpfte auf seinen Stuhl; zu Fuß hätte er über Hofräume abkürzen und jedwede Strecke nehmen können, die ihm vorschwebte, musste sich aber stattdessen auf gepflasterten Flächen halten, um Fahrt aufzunehmen und nicht Gefahr zu laufen, mit dem Stuhl steckenzubleiben oder sich irgendwo zu verfangen. Rifle hielt die Ohren gespitzt und schnupperte fortwährend an der Luft. Alec nahm sich vor, auf Stimmung und Bewegungen seines Gefährten zu achten. Auf dem Gehsteig zu bleiben, war enervierend: Alec sprang auf jeden Schatten an, der sich regte, weil er nicht wusste, ob eine Bedrohung davon ausging. Jemand beobachtete ihn verstohlen hinter einem Vorhang. Er war versucht, an der erstbesten Tür zu klingeln und um Einlass zu bitten, doch jemand wie Alec musste in seinen eigenen vier Wänden sein; er kannte seine Wohnung, die wegen seiner momentanen Behinderung mit vielen Annehmlichkeiten ausgestattet war. Dort konnte er sich länger verteidigen als irgendwo sonst.

      Auf einmal hörte er laute Schritte auf dem Pflaster hinter sich. Er drehte sich um und ärgerte sich darüber, nichts außer seinen Fäusten zur Verteidigung zu haben, doch was getan werden musste, würde er tun. Am Ende war es nur seine Therapeutin.

      »Michelle? Was tun Sie hier draußen?«

      »Im Geschäft kam eine Durchsage über irgendwelche Anschläge oder dergleichen.« Die Frau war vom Laufen ein wenig außer Atem. »Es hieß, wir sollten entweder aufbrechen oder im Gebäude bleiben. Ich entschied mich für ersteres, da sah ich Sie oben an der Straße und war der Meinung, Ihnen folgen – nach Hause helfen zu müssen.«

      »Hier draußen sind Sie nicht sicher«, sagte Alec zu ihr.

      »Genauso wenig wie Sie«, gab Michelle zurück.

      »Ich weiß, wie ich mich zur Wehr setzen kann«, betonte er.

      »Nicht mit dem Ding.« Sie trat gegen ein Rad des Rollstuhls.

      Er schaute böse drein, entgegnete aber nichts mehr. Sie hatte Recht; ohne richtige Waffe konnte er nicht viel ausrichten. Er knickte die großen Zehen ein, doch den einen Knöchel zu drehen gelang ihm anders als zuletzt nicht. Verdammte Behinderung.

      Michelle drehte Alec um und fing an, ihn zu schieben.

      »Ich komme gut selbst voran, wissen Sie?« Alec hasste es, so bevormundet zu werden, das wusste sie genau. Davon abgesehen zählte sein Stuhl nicht einmal zu denjenigen, die sich leicht drücken ließen; die Griffe waren recht niedrig angebracht und klein, sodass sich Michelle nach vorne beugen musste.

      »Nicht murren, Soldat.« Das rieb sie ihm jedes Mal unter die Nase, wenn die Therapie besonders qualvoll wurde. »Ich kümmere mich ums Vorankommen, Sie sind Auge und Ohr, falls Gefahr im Verzug ist.« Offensichtlich machte es ihr nichts aus, einen Buckel machen zu müssen.

      »Na gut. Sie wissen noch, wo ich wohne, oder? Ich will nämlich nach Hause.«

      »Ja, weiß ich. Glauben Sie, die Busse fahren noch?« Michelle zeigte auf eine Haltestelle.

      »Nein.« Alec entsann sich der Mitteilung im Fernsehen. »Die haben gemeldet, der öffentliche Verkehr sei eingestellt worden. Falls doch ein Bus aufkreuzt, bezweifle ich, dass er anhalten wird.«

      »Also heißt das, wir müssen laufen.«

      »Wie viel wissen Sie über das, was geschehen ist?«, fragte Alec.

      »Wenig.«

      Während er ihr erzählte, was er im TV gesehen und gehört hatte, spürte er, wie ihre Hände am Gestell des Rollstuhls zitterten. Danach sprachen sie nichts mehr.

      ***

      Unterwegs kam ihnen alles gespenstisch vor. Sie begegneten kaum jemandem, doch die Menschen, auf die sie