SURVIVAL INSTINCT. Kristal Stittle. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Kristal Stittle
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958350250
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Seitdem verhielt Alec sich viel vorsichtiger und entgegenkommender.

      »Komm, Rifle, wir brauchen noch ein paar Sachen.« Er leinte den Hund wieder vorne am Wagen an. Während er auf der Suche nach dem nächsten Artikel auf seiner Liste durch den Gang rollte, zog das Tier den Wagen hinterher. Rifle war groß, wuchtiger als ein durchschnittlicher Schäferhund, was sich in vielen Situationen auszahlte. Als sie das Ende des Gangs erreichten, ließ Alec ihn mit dem Karren vorbeiziehen, um ihm zu helfen, indem er von hinten schob. Während sein Begleiter Lasten souverän geradeaus ziehen konnte, zählten Kurven nicht zu seinen Stärken. Auf dem Weg durch den nächsten Gang griff Alec zu den Nudeln, die er wollte.

      »He da, Rennfahrer«, hörte er dicht hinter sich.

      Ohne sich umzudrehen oder anders zu reagieren, antwortete Alec: »Hi, Michelle.«

      »Sie sind ja nicht einmal zusammengezuckt«, seufzte Michelle in gespielter Betrübtheit. »Als ich Sie zuletzt auf die Probe stellte, hatte die Pasta noch keine Spiegelfläche.«

      »Ich hab Sie vorhin in den Laden kommen sehen und damit gerechnet, dass Sie es wieder probieren.« Alec zog eine Schulter hoch und drehte sich um.

      »Trotzdem hätten Sie überrascht sein müssen.« Michell bückte sich und streichelte Rifle, der freudig mit dem Schwanz wedelte. »Hallo, mein Lieber, wie geht's dir?« Sie behandelte ihn wie ein Baby, was eigentlich jeder tat – alle außer Alec.

      Er legte die Nudeln in seinen Wagen. »Heute Morgen konnte ich meinen Fuß ein klein wenig bewegen.«

      Michelle richtete sich wieder auf. »Wirklich?«

      Alec rollte weiter durch den Gang. »Nur ein bisschen, aber er bewegte sich.«

      Michelle fing an, den Wagen zu schieben, um Rifle zu entlasten. »Die meisten hätten noch nicht einmal die volle Kontrolle über ihre Zehen zurückgewonnen.«

      »Bei mir ist es nur der große Zeh«, relativierte Alec grinsend. »Die anderen spüre ich mal, dann sind sie wieder taub.«

      Michelle war seine Physiotherapeutin. Er hatte drei Termine die Woche bei ihr, um die Heilung seiner Beine voranzutreiben. Sie hofften beide, er werde sie wieder uneingeschränkt benutzen können, doch der Weg bis dahin war beschwerlich und schmerzhaft. Die Bewegungsfähigkeit kehrte zuerst in seine Zehen zurück und schien sich von dort aus nach oben auszubreiten.

      »Sie dürfen nur nicht zu viel von sich selbst verlangen«, mahnte Michelle.

      »Und meine Herzdame enttäuschen?« Alec grinste sie wieder an. So nahm er sie stets für sich ein.

      Sie war leicht übergewichtig, hatte viele Narben im Zuge starker Akne, die ihr Makeup nicht gänzlich verhehlen konnte, und einer ihrer Eckzähne stand fast im rechten Winkel seitlich ab. Nichtsdestoweniger behandelte sie Alec, also sah er sich gezwungen, freundlich zu ihr zu sein. Wer nett war, dem wurde engagierter geholfen.

      Michelle lächelte verlegen und errötete leicht, als sei sie eine fünfzehn Jahre jüngere Schülerin. »Also, ich verschwinde jetzt wohl besser. Sie scheinen hier gleich fertig zu sein, wohingegen ich meine Sachen noch zusammensuchen muss. Bis zu unserer nächsten Sitzung.«

      »Nicht Sitzung, sondern Verabredung.«

      Michelle kicherte leise, als sie weiterging.

      Alec stöhnte auf und hörte sofort zu grinsen auf, bevor er seinen Einkauf fortsetzte. Michelle war ein lieber Mensch, aber über den schiefen Zahn kam er einfach nicht hinweg. Hohe, letztlich oberflächliche Anforderungen zu stellen, zählte wohl zu seinen Lastern. Dennoch wäre Michelle, hätte sie ein wenig Sport getrieben, sich besser geschminkt und einen Zahnarzt aufgesucht, eine hübsche Frau gewesen. Er hatte immer angenommen, Physiotherapeuten würden gemeinhin Wert auf ihr Äußeres legen. Als er erfahren hatte, dass man ihm weibliche Hilfe anheimstellte, war er durchaus gespannt gewesen, sah sich letztendlich aber enttäuscht.

      Nachdem Alec den letzten Artikel auf seiner Liste gefunden hatte, fuhr er zu den Kassen. Zwar gab es dort kürzere Schlangen, doch er stellte sich bei der niedlichen jungen Blondine an. Dort wartete er geduldig, bis er seine Waren aufs Band legen konnte.

      »Süßer Hund«, bemerkte die Kassiererin Kaugummi schmatzend. Rifle war ein fabelhafter Hund, indem er zu Alecs Gesellschaftsfähigkeit beitrug. Nicht wenige Unterhaltungen waren erst aufgrund seiner Gegenwart in die Gänge gekommen.

      »Sagen Sie ihm das nicht; sein Ego ist sowieso schon aufgeblasen.« Alec schenkte dem Mädchen sein Schmunzeln, von dem er sich schon oft sagen lassen hatte, dass es ihn charmant wirken lasse. Auch heute brachte ihm diese Geste den gewünschten Erfolg: Das Girl strahlte ihn gleichfalls an, während es den Kaugummi weiter rundgehen ließ. Kein einziger Zahn stand schief; alle waren klein, ebenmäßig und passten zu ihrem Gesicht.

      »Und was ist mit Ihrem Ego?« Sie fing an, die Artikel über den Sensor zu ziehen. »Groß oder klein?«

      »Groß genug.« Alec glaubte, in ihren Worten eine unterschwellige Anmache zu erkennen, mochte sich aber auch täuschen. Seit er an den Rollstuhl gefesselt war, ließ sich so etwas schwierig einschätzen. Zuvor war er der Herzensbrecher schlechthin gewesen mit seinen roten Haarstoppeln und kantigen Gesichtszügen, der muskulösen Figur, den leuchtend grünen Augen sowie einem nur leise angedeuteten schottischen Akzent; jetzt konnte die Damenwelt nicht über seinen Rollstuhl hinwegsehen, so wie er nicht über Michelles schiefen Zahn hinwegsehen konnte.

      »Brauchen Sie Tüten?«, fragte die Kassiererin.

      »Nein, ich habe eigene Taschen dabei.« Alec ärgerte sich darüber, dass Plastiktüten Geld kosteten, nicht weil er zahlen musste, wenn er seine vergaß, sondern weil ihm die obligatorische Frage danach auf die Nerven ging. Er wusste nicht einmal, warum er sich daran aufrieb, aber so war es eben.

      »Und wie möchten Sie zahlen?«

      Noch eine Routinefrage. Wie es aussah, war sein Flirt mit dem Mädchen vorbei.

      »Bar.« Alec zog seine Brieftasche und nahm den verlangten Betrag heraus. Er zahlte bar, wann immer er konnte. In der Vergangenheit hatte die Bank zu oft Durcheinander in seine Kontobewegungen gebracht, als dass er ihr weiterhin vorbehaltlos vertraute.

      Nachdem er sein Wechselgeld erhalten hatte, fuhr er ans Ende des Auflagebands und fing an, das Gekaufte in seine Taschen zu stecken. Ein junger Kerl mit sommersprossigem Gesicht kam zu ihm.

      »Darf ich Ihnen heute tragen helfen, Sir?«, fragte er.

      »Geht schon, danke. Deshalb habe ich meinen Hund.« Alec hatte festgestellt, dass ihm die Menschen, seit man ihn in einen Rollstuhl gepflanzt hatte, außerordentlich zuvorkommend begegneten. Trotzdem brauchte er sie nicht; er war dazu ausgebildet worden, Situationen zu bewältigen, von denen andere nur träumen konnten.

      »Oh.« Der Junge schien erst jetzt zu bemerken, dass Rifle vor ihm stand und zu ihm aufschaute. »Dann ist gut.« Er wandte sich an die Kassiererin. »Hey, Glow.«

      Sie winkte ihm und lächelte – aufrichtig im Vergleich zu vorhin, als sie Alecs Schmunzeln erwidert hatte. Vielleicht hatte sie sogar etwas für den Jungen mit den Sommersprossen übrig … aber Glow? Hieß sie wirklich so, oder war es ein Spitzname? Der Umgang der beiden miteinander vermittelte ihm das Gefühl, alt zu sein, und das mochte er nicht. Er war doch erst 40, um Himmels willen.

      Als er alles zusammengepackt hatte, stellte er die Taschen in den Einkaufswagen und fuhr in Richtung Ausgang. Auf dem Parkplatz lenkte er ein, um zu seinem Auto zu gelangen … das auf einmal mit quietschenden Reifen aus der Lücke raste.

      »Hey!«, brauste er auf und fing an, schneller darauf zuzurollen. »Das ist mein Auto!«

      Das Fahrzeug brauste über den Parkplatz, erreichte den Bordstein, polterte darüber und durch die Rasenfläche auf die Straße dahinter. Alec bekam nicht einmal den Fahrer zu Gesicht.

      »Fuck!« Er schlug gegen den Karren, als Rifle ihn neben ihm vorzog.

      Der Hund schaute ihn von der Seite an und winselte, ließ den Kopf hängen und setzte einen bedauerlichen Blick auf.

      »Tut