Die Klinik am See Staffel 1 – Arztroman. Britta Winckler. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Britta Winckler
Издательство: Bookwire
Серия: Die Klinik am See Staffel
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740912307
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sei jetzt nicht traurig. Wir sehen uns bald wieder, und dann wird uns nichts mehr trennen.« Forschend sah er Sonja an. »Tut es dir auch wirklich nicht leid, daß du meinetwegen mit deiner Laufbahn als Opernsängerin Schluß machen willst?« fragte er eindringlich.

      »Nein, Roger, ich bedaure es nicht, denn du und das Zusammenleben mit dir bedeutet mir viel, viel mehr.« Sonja sah Roger Steenwell fest in die Augen. Dieser Blick sagte mehr als Worte. Er unterstrich das, was sie eben gesagt hatte.

      »Ich danke dir«, flüsterte der Mann, »und toi, toi, toi für deinen heutigen und morgigen letzten Auftritt.«

      »Ja, morgen ist der letzte«, bestätigte die Sängerin und mußte daran denken, wie sehr man ihr zugesetzt hatte, den Vertrag doch noch zu verlängern. Sogar eine Erhöhung ihrer Gage hatte man ihr angeboten. Doch sie war hart geblieben, obwohl es ihr nicht gerade leicht gefallen war. Dazu liebte sie ihren Beruf eben zu sehr. Nur ihre Liebe zu Roger, dessen Wunsch es gewesen war, ihre Karriere als gefeierte Opernsängerin zu beenden, hatte ihr die Kraft gegeben, alle weiteren Vertragsangebote abzulehnen.

      Da klopfte es, und die Garderobiere steckte den Kopf zur Tür herein. »Können wir beginnen, Frau Parvetti?« fragte sie.

      »Zwei Sekunden noch«, gab Sonja zurück und wandte sich an Roger, als sich die Tür wieder geschlossen hatte. »Du mußt jetzt gehen«, sagte sie, »denn für mich wird es auch höchste Zeit.«

      »In Ordnung.« Roger Steenwell zog Sonja an sich und küßte sie auf die Stirn. »Wenn es geht, rufe ich dich zwischendurch an.« Ein nochmaliges sanftes Streicheln über Sonjas Wange, und dann verabschiedete er sich endgültig, um nun schnellstens zum Flughafen zurückzufahren.

      Nachdenklich blickte Sonja auf die Tür, die sich hinter Roger geschlossen hatte. In ihren Augen war eine Mischung von Sehnsucht, Wehmut und ein wenig Bangigkeit. Sie dachte an das Glück, einen solchen Mann gefunden zu haben, aber auch an die noch ungelösten Probleme, die in sehr naher Zukunft auf sie zukommen würden.

      Der Eintritt der Garderobiere brachte Sonja Parvetti wieder in die Gegenwart zurück. Als dann fünfzehn Minuten später das erste Klingelzeichen in ihrer Garderobe erklang und wenig später auch der Inspizient an ihren Auftritt in einigen Minuten erinnerte, hatte Sonja alles von sich abgeschüttelt, was sie bedrückte. Von diesem Augenblick war sie nur noch, und das voll und ganz, die Sängerin, die Minuten darauf ein erwartungsvolles Publikum mit ihrem Gesang zu begeisterten Ovationen hinreißen würde.

      *

      »Wem gehört das denn?« fragte Astrid neugierig, und deutete auf das idyllisch gelegene Schloß.

      Dr. Lindau hielt den Wagen an und blickte zu dem nur knappe tausend Meter entfernten Schloß mit dem in der untergehenden Abendsonne fast golden glänzenden Kupferdach hin. »Tut mir leid, Mädchen«, erwiderte er, »aber da bin ich überfragt. Ich weiß nur, daß es schon seit einer ganzen Reihe von Jahren unbewohnt ist. Das war es schon, als ich hierher kam. Das heißt – ein Mann und eine Frau sollen noch darin wohnen. Eine Art Schloßkastellan mit seiner Frau. Ältere Leute, die den ganzen Bau so gut wie möglich ein wenig in Ordnung halten, wie ich gehört habe.«

      Sinnend blickte Astrid zum Schloß hinüber. »Eigentlich eine Schande«, stieß sie nach Sekunden hervor.

      »Was meinst du damit?« fragte Dr. Lindau erstaunt.

      »Ich will damit sagen, daß es schade ist, daß dieses unbewohnte Schloß nicht einer Verwendung zugeführt wird.«

      »Was denn für einer?« fragte Dr. Lindau. In seinen Augen war plötzlich ein gespannter Ausdruck.

      »Nun, da gäbe es doch viele Möglichkeiten, Paps«, antwortete Astrid. »Man könnte ein Hotel daraus machen, eine Jugendherberge oder…«, sie unterbrach sich für Sekundenbruchteile und stieß dann hervor: »Ja… eine Klinik zum Beispiel. Das wäre doch ein geradezu idealer Platz für Kranke, die der Ruhe bedürfen.« Sie sah ihren Vater an. »Was sagst du dazu?« fragte sie.

      Dr. Lindau nickte. Seine Züge wurden nachdenklich. »Astrid, ich bin erstaunt, daß du die gleichen Gedanken hast, wie ich sie auch schon hatte«, erklärte er. »Nach entsprechendem Umbau würde sich dieses Schloß tatsächlich hervorragend als Klinik eignen.«

      Ein seltsames Leuchten, vermischt mit einem Schimmer Sehnsucht zeigte sich in seinen Augen. Seit er Facharzt für Frauenleiden geworden war, hatte er öfter daran gedacht, dieses Schloß als Klinik zu sehen, in der er Patienten hätte Heilung bringen können. Es war ein Wunschdenken, eine Art Wunschtraum, von dem er wußte, daß er eben nur eine Illusion war. Selbst wenn er die Mittel gehabt hätte, um diese Schloßanlage zu erwerben und zu einer Klinik umzubauen, war das dennoch eine Illusion. Dieses Schloß, das seines Wissens nicht einmal einen Namen hatte, konnte nicht käuflich erworben werden, weil es sich im Besitz der Baronesse von Angeler oder Angerer oder so ähnlich – Dr. Lindau wußte den Namen nicht genau – befand. Diese Baronesse aber, die das alles geerbt hatte, befand sich irgendwo in der Welt. Niemand wußte ihren Aufenthalt, und kein Mensch in der nächsten Umgebung hatte sie jemals gesehen, nicht einmal der Vermögens- und Grundstücksverwalter in Bad Tölz, der lediglich seit Jahren schon in regelmäßigen Abständen nicht unerhebliche Geldüberweisungen erhielt, um für die Instandhaltung des Schlosses zu sorgen. Diese Überweisungen kamen aus dem Inland wie auch aus dem Ausland und aus den verschiedensten Städten und immer unter einem bestimmten Code. Dr. Lindau wußte das alles nur aus Gesprächen mit dem Bürgermeister.

      »Was ist, Paps? Du bist plötzlich so still geworden.« Besorgt sah Astrid den Vater an.

      »Schon gut«, gab der mit einem gezwungen wirkenden Lächeln zurück. »Ich habe mich nur eben ein wenig in Wunschträume verloren und mir vorzustellen versucht, wie es wäre, wenn dieses Schloß eine Klinik wäre, in der ich arbeiten könnte.« Er legte wieder den Gang ein und gab Gas. »Fahren wir nach Hause«, murmelt er, »und lassen wir das Träumen.«

      Astrid gab keine Antwort. Sie verstand ihren Vater sehr gut. Wenn sie gekonnt hätte, so hätte sie ihm nicht nur das Schloß geschenkt, das er dann zu einer Klinik hätte umbauen können.

      Minuten später waren sie zu Hause.

      »Sei mir nicht böse«, wandte sich Dr. Lindau bald darauf an seine Tochter, »aber ich ziehe mich zurück, denn ich bin müde.«

      »Schlaf gut, Paps.« Astrid gab dem Vater einen Gutenachtkuß. »Ich gehe dann auch bald zu Bett. Vorher will ich mir noch einmal die Parvetti anhören. Ich habe sie, die ganze Oper also, vorgestern auf Band aufgenommen.«

      »Viel Spaß dabei«, wünschte Dr. Lindau und verschwand in seinem Schlafzimmer.

      Astrid zog sich in das ihre zurück und führte bald darauf das aus, was sie gesagt hatte – sie hörte sich die Aufnahme der Übertragung von Freitagabend mit der Parvetti an.

      *

      Über Frankfurt breitete sich mehr und mehr die Dunkelheit aus. In den Straßen der Stadt brannten schon die Lampen, und in den Häusern waren die Fenster erhellt.

      Das letztere traf auch in dem luxuriösen Appartement zu, das Sonja Parvetti für die Dauer ihres Vertrages mit der Frankfurter Oper gemietet hatte. Eine Stehlampe brannte in dem elegant eingerichteten Wohnraum, in dem Sonja Parvetti in einem tiefen Sessel saß und vor sich hingrübelte. Seit Stunden schon zerbrach sie sich den Kopf, um eine Lösung für ihr Problem zu finden, das ihr schon seit Wochen Kopfschmerzen bereitete. Es ging um das in ihrem Leib entstehende neue Leben.

      In ihrem Innern hatte sich ein Zwiespalt herangebildet, der sie fast an den Rand der Verzweiflung brachte. Zwei Stimmen waren in ihrer Brust, die ihr zusetzten, die miteinander stritten. Die eine raunte ihr zu, das in ihr heranwachsene Baby zu behalten.

      Nur zu gern war Sonja gewillt, dieser inneren Einflüsterung zu folgen. Sie wußte, daß sie glücklich sein würde, die Mutter eines Kindes zu sein, dessen Vater Roger war.

      Doch da war die andere Stimme, die das Gegenteil sagte. Sie schien ihr zuzuflüstern, daß dieses Glück der Mutterwerdung den Verlust des geliebten Mannes zur Folge haben könnte.

      Die Bangigkeit davor, die bereits