Die Klinik am See Staffel 1 – Arztroman. Britta Winckler. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Britta Winckler
Издательство: Bookwire
Серия: Die Klinik am See Staffel
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740912307
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so besser«, griff Melanie Reimer die letzten Worte der Sängerin auf. »Das ist für Sie nur vorteilhaft, und ebenso für den Arzt, dem Sie sich anvertrauen. Dort gibt es doch sicher Ärzte in der näheren oder weiteren Umgebung«, fügte sie hinzu.

      »Ich denke doch«, entgegnete Sonja Parvetti. Unwillkürlich mußte sie an den alten Dr. Bergmann denken, der im Ort eine Praxis hatte. Ob der wohl noch da war? Ein einziges Mal, als sie vor Jahren im Schloß gewesen war, hatte sie ihn wegen einer leichten Unpäßlichkeit konsultiert.

      Die Garderobiere hatte plötzlich das Gefühl, jetzt überflüssig zu sein. »Ich glaube, ich lasse Sie jetzt allein, Frau Parvetti«, sagte sie. »Wenn Sie mich brauchen – ich bin in meinem Zimmer.«

      »Du hast recht, Melanie«, erwiderte Sonja, »ich möchte jetzt wirklich mit meinen Gedanken allein sein, denn ich muß zu einem Entschluß kommen, so schwer mir dieser auch fallen mag.«

      Schweigend zog sich die Garderobiere zurück.

      Über eine Stunde grübelte Sonja Parvetti über alles nach. Sie erwog das Für und Wider aller ihrer Überlegungen. Als sie sich dann später zu Bett begab, hatte sie ihren Entschluß gefaßt. Die Liebe zu Roger hatte gesiegt. Gleich am nächsten Tag wollte Sonja Parvetti Melanies gutgemeinten Rat befolgen und nach Bayern fahren. Dort hoffte sie auf die Lösung ihres Problems. Eine knappe Woche blieb ihr nur, denn sie mußte noch vor Rogers Rückkehr aus den Staaten wieder zurück in Frankfurt sein.

      Das erklärte sie auch am nächsten Morgen ihrer Garderobiere und nahm ihr das Versprechen ab, niemandem ein Wort von dieser Fahrt zu erzählen. »Sollte Herr Steenwell anrufen, dann… dann…«

      »Wird mir schon die richtige Antwort einfallen, Frau Parvetti«, fiel Melanie der Sängerin ins Wort. »Verlassen Sie sich auf mich!«

      Sonja Parvetti packte hastig eine große Reisetasche, während Melanie Reimer sich überzeugte, daß die Luft rein war und kein Reporter irgendwo im oder vor dem Haus herumlungerte. Dann begleitete sie ihre Brotgeberin durch den Hinterausgang zum Wagen.

      »Viel Glück!« rief sie der unmittelbar danach abfahrenden Sängerin nach.

      »Ich kann es auch wirklich gebrauchen«, flüsterte die und gab Gas.

      *

      Das Wochenende war vorbei, und der Alltag hatte sie wieder. Jedenfalls traf das auf Dr. Lindau zu, der sich wieder mit seinen Patientinnen beschäftigen mußte. Seine Tochter Astrid dagegen hatte noch Ferien. Die aber, so dachte Dr. Lindau, sollte sie genießen. Wenn sie erst in wenigen Wochen ihr Studium begann, dann war ihre Freizeit ohnehin etwas eng bemessen. Er war daher nicht wenig erstaunt, als Astrid nach dem gemeinsam eingenommenen Mittagessen ihm ein überraschendes Anliegen vortrug.

      »Hat Frau Sieber denn keinen Urlaub?« wollte sie zuerst wissen.

      »Selbstverständlich«, erwiderte Dr. Lindau verwundert. »Den hätte sie schon vor drei Wochen antreten können, aber da hatten wir in der Praxis viel zu tun, so daß sie ihn verschieben mußte. Weshalb interessiert dich der Urlaub meiner Assistentin?« fragte er.

      »Weil ich mir etwas überlegt habe«, gab Astrid lächelnd zurück.

      »Du machst mich neugierig.« Fragend blickte Dr. Lindau seine Tochter an. »Ich höre…«

      Astrid redete gar nicht erst lange herum, sondern erklärte ihrem Vater, daß sie ihn gern in der Praxis unterstützen wollte. »Ich würde mich freuen, denn erstens könnte ich meine Ferien nützlich verbringen, indem ich jetzt schon ein wenig für meinen späteren Beruf lerne, und zweitens könnte ich dann die meiste Zeit des Tages in deiner Nähe sein«, schloß sie. »Was sagst du dazu?«

      Dr. Lindau sagte zunächst gar nichts. Sein nächster Gedanke jedoch war, Astrids Vorschlag als absurd abzulehnen, so sehr er sich in seinem tiefsten Innern darüber freute. Doch dann drängten sich andere Überlegungen auf. Weshalb eigentlich nicht? fragte er sich. Astrid würde sich sicher einige für sie und ihren späteren Beruf nützliche Erfahrungen aneignen können, wenn sie ihm in der Praxis ein wenig half. »Das ist nett von dir gedacht«, ergriff er nach kurzem Schweigen das Wort, »aber bedenke, daß dir als medizinische Assistentin die erforderliche Qualifikation fehlt.«

      »Paps, ich will ja keine Patienten behandeln oder komplizierte Laboruntersuchungen vornehmen«, konterte Astrid, »sondern dir nur ein wenig zur Hand gehen. Es gibt doch in einer Praxis eine Menge Dinge, die man auch ohne medizinische Vorbildung tun kann. Als eine Art Hilfskraft sozusagen. Ich bin sicher, daß du mir etliches beibringen kannst. Nun sag’ schon ja!« bat sie. »Es wäre doch nur für die Zeit von Frau Siebers Urlaub.«

      »Zehn Tage«, murmelte Dr. Lindau und blickte seine Tochter ernst an. »Möchtest du das wirklich?« fragte er eindringlich.

      »Ich meine es ernst, Paps«, erwiderte Astrid mit Betonung.

      Dr. Lindau kämpfte mit sich. »Also schön«, stieß er dann hervor. »Versuchen wir es. Ich werde gleich Bettina fragen, ob sie ihren zustehenden Urlaub antreten möchte.«

      »Danke, Paps, vielen Dank.« Astrid umarmte ihren Vater und gab ihm einen herzhaften Kuß.

      Dr. Lindau war richtig gerührt. »Also dann...«, sagte er und ging nach unten in die Praxis. Er traf seine Assistentin in dem kleinen Labor. »Ich möchte Sie etwas fragen, Bettina«, ging er gleich auf sein Ziel los.

      »Ich höre, Herr Doktor…«

      »Ihnen stehen doch noch zehn Tage Urlaub zu.«

      »Das ist richtig«, bestätigte die Assistentin, »aber darüber sollten Sie sich jetzt keine Gedanken machen.«

      »Das tue ich aber«, entgegnete Dr. Lindau. »Deshalb frage ich Sie, ob Sie den Urlaub jetzt antreten möchten.«

      »Möchte schon«, antwortete Bettina und dachte an ihren Freund.

      »Also dann ab mit Ihnen«, entgegnete Dr. Lindau lächelnd. »In elf Tagen sehen wir uns dann wieder.«

      Bettina Sieber glaubte nicht richtig gehört zu haben. »Ich... ich... soll…«, kam es stotternd über ihre Lippen, »… jetzt meinen Urlaub… antreten? Sofort?«

      »Genau das meine ich«, bestätigte Dr. Lindau immer noch lächelnd. »Heute noch«, fügte er betont hinzu. »Das heißt«, korrigierte er sich ein wenig, »eine knappe Stunde brauche ich Sie noch, damit Sie Ihre Urlaubsvertretung ein wenig einweisen.«

      »Ja, aber…«

      »Kein Aber! Wollen Sie oder wollen Sie nicht?«

      »Urlaub nehmen?« stieß Bettina fragend hervor und gab sofort Antwort darauf: »Aber selbstverständlich und sehr gern.« Fragend sah sie ihren Chef an. »Wen soll ich denn einweisen?«

      »Meine Tochter«, klärte Dr. Lindau die Assistentin auf. »Sie brauchen Astrid keine medizinisch-technischen Kenntnisse beizubringen, sondern nur das, was eben in einer Praxis an... hm... sagen wir mal, an Handlangerarbeiten so anfällt. Gläser, Phiolen reinigen, Instrumente sterilisieren und ähnliches mehr. Einverstanden?«

      Bettina Sieber nickte. »Einverstanden«, sagte sie. »Rufen Sie Ihre Tochter, damit wir beginnen können.«

      Das tat Dr. Lindau auch sofort.

      Es schien, als hätte Astrid darauf nur gewartet. In Sekundenschnelle war sie im Sprechzimmer. Sogar einen weißen Kittel hatte sie schon übergezogen.

      Die beiden jungen Frauen verstanden sich auf Anhieb. Interessiert lauschte Astrid den verschiedenen Erklärungen und Weisungen der Assistentin, während Dr. Lindau hinter seinem Schreibtisch saß und sich mit einigen Krankenblättern beschäftigte.

      »Wir sind soweit, Herr Doktor«, meldete sich nach einiger Zeit Bettina Sieber. »Ihre Tochter hat sehr rasch begriffen.«

      »Fein.« Dr. Lindau stand auf und reichte seiner Assistentin die Hand. »Ich wünsche Ihnen einen schönen Urlaub«, sagte er.

      Astrid schloß sich diesem Wunsch an und verabschiedete sich ebenfalls mit einem