Die Klinik am See Staffel 1 – Arztroman. Britta Winckler. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Britta Winckler
Издательство: Bookwire
Серия: Die Klinik am See Staffel
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740912307
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Dr. Lindau. »Ich habe Ihre Tochter untersucht, und es bestehen keine Bedenken. Da sie aber erst sechzehn ist, kann ich ihr die Pille nicht ohne Einverständnis der Mutter verschreiben. Es liegt also jetzt an Ihnen.«

      Hinter der Stirn der Frau überschlugen sich die Gedanken. »Warum ist Lisbeth damit nicht zu mir gekommen?« stieß sie fragend hervor. »Warum muß ich als Mutter das erst durch Sie erfahren?«

      »Weil Ihre Tochter Angst davor hat, mit Ihnen darüber zu sprechen, und weil sie glaubt, daß Sie auf jeden Fall dagegen gewesen wären.« Zwingend sah Dr. Lindau die vor ihm sitzende, nun gar nicht mehr so resolut wirkende Frau an. »Na, geben Sie Ihrem Herzen schon einen Stoß«, meinte er lächelnd.

      »Wenn ich aber dennoch dagegen bin, Herr Doktor?«

      Das Lächeln des Arztes verschwand. »Das ist dann natürlich Ihre Entscheidung«, entgegnete er. »Sie müssen dann aber das Risiko in Kauf nehmen, vielleicht in einem Jahr schon Großmutter zu werden. Ich finde, daß das etwas zu früh wäre – für Sie und vor allem aber auch für Ihre Tochter.« Dr. Lindau merkte, daß es in der Frau jetzt rumorte. In ihrem Innern schien ein Kampf stattzufinden. Sekundenlang war es still im Sprechzimmer. Nur das Öffnen und Schlie­ßen der Tür war zu hören, als Bettina Sieber wieder zurückkam. Bevor diese aber etwas sagen konnte, gab Dr. Lindau ihr einen unmißverständlichen Wink, der bedeutete, daß eine Störung in diesen Sekunden unerwünscht sei.

      Leise zog sich Bettina in den Untersuchungsraum zurück.

      Frau Kramer war allerdings so stark mit sich selbst und mit ihren Gedanken beschäftigt, daß sie das Erscheinen und sofortiges Verschwinden der Assistentin gar nicht wahrgenommen hatte. Unvermittelt aber hob sie dann den Kopf und starrte Dr. Lindau an. »Wahrscheinlich haben Sie recht, Herr Doktor, auch wenn es mir nicht sonderlich gefällt«, preßte sie hervor. »Also gut«, fuhr sie fort, »verschreiben Sie Lisbeth die Pille.«

      »Ein vernünftiger Entschluß«, anerkannte Dr. Lindau. Er füllte ein Rezeptformular aus und überreichte es Frau Kramer. »Bitte…«

      Ein wenig zögernd nahm Lisbeth Kramers Mutter das Papier entgegen und verstaute es in ihrer Handtasche. »Muß ich das nun in unserer Orts­apotheke holen?« fragte sie leise. »Es wäre mir nicht recht, wenn die dort dann etwas denken…« Sie brach ab und sah den Arzt etwas hilflos an.

      Dr. Lindau lächelte. »Ich verstehe«, sagte er. »Sie können aber in jede beliebige Apotheke gehen, Frau Kramer.«

      Die bedankte sich und stand auf. »Es war sicher ganz gut, daß Sie mit mir gesprochen haben«, meinte sie und verabschiedete sich mit Handschlag. »Auf Wiedersehen.«

      »Das hoffe ich nicht, Frau Kramer«, gab Dr. Lindau lächelnd zurück, »denn das würde voraussetzen, daß Sie krank sind. Das jedoch wünsche ich Ihnen nicht.«

      Sekunden später war er wieder allein im Sprechzimmer – abgesehen von Bettina, die wieder aus dem Untersuchungsraum kam.

      »Haben wir noch jemanden?« fragte Dr. Lindau.

      »Nein, Herr Doktor, für heute ist Schluß«, erwiderte Bettina. »Lediglich Frau Hohmann von der Gärtnerei war noch im Wartezimmer.«

      »War?« Fragend blickte Dr. Lindau seine Assistentin an.

      Die lächelte. »Ja, denn sie wollte nur wegen eines Termins für eine Nachuntersuchung mit Ihnen sprechen«, erklärte sie. »Ihr wurden zwei Leberflecke an der rechten Gesichtshälfte entfernt und…«

      »Ach ja, jetzt erinnere ich mich wieder«, fiel Dr. Lindau der Assistentin ins Wort. »Ich überwies sie damals in die Klinik.«

      »Richtig«, bestätigte Bettina Sieber. »Jedenfalls habe ich ihr einen Termin für Montag gegeben, denn heute...«

      Sie warf einen bezeichnenden Blick zur Wanduhr.

      Dr. Lindau verstand. »Ich weiß – es ist Mittag geworden, und der Magen soll auch zu seinem Recht kommen«, meinte er feixend.

      »Ich gestehe, daß ich auch ein wenig hungrig bin«, fügte er hinzu. »Also machen wir Schluß.«

      »Wie ist es nachmittags? Brauchen Sie mich?« fragte Bettina.

      »Nein«, antwortete Dr. Lindau. »Ich selbst habe zwar noch einiges zu tun – ein paar Laborarbeiten und...« Er winkte ab. »Wir sehen uns also erst wieder am Montag.«

      »Vergessen Sie nicht, daß Sie für morgen vormittag die Dame aus Rosenheim herbestellt haben«, erinnerte die Assistentin ihren Chef.

      »Ich vergesse es nicht«, entgegnete Dr. Lindau, dem es nichts ausmachte, auch am Sonnabend für Patienten da zu sein, obwohl er an diesen Tagen keine offiziellen Sprechzeiten hatte. Doch es kam schon vor, daß er Patienten für den Sonnabendvormittag herbestellte, um Zeitpläne in der Behandlung einzuhalten. So wie diesmal bei Frau Lenzer aus Rosenheim.

      »Dann wünsche ich ein vergnügtes Wochenende, Herr Doktor«, verabschiedete sich Bettina Sieber und ging.

      »Ich Ihnen auch«, rief Dr. Lindau seiner Assistentin nach und ordnete noch rasch einige Papiere auf seinem Schreibtisch. Er mußte dabei plötzlich an seine Tochter denken und fragte sich, womit sie ihm wohl zum Mittagessen überraschen würde. Bei Frau Wenke, die schon bei seinem Vorgänger die Wirtschaft geführt hatte und die nun auch bei ihm alles in Ordnung hielt, wußte er meistens schon einen Tag vorher, was es am nächsten Tag zum Essen gab, weil sie es immer mit ihm absprach. Frau Wenke kam jeden Morgen und ging dann wieder am späten Nachmittag. Für die nächsten paar Wochen aber war sie beurlaubt. Astrid hatte darauf bestanden, weil sie es sich nicht hatte nehmen lassen wollen, ihren Vater wenigstens in der Zeit, in der sie hier war, zu betreuen.

      »Der Mann, der dich, mein Mädchen, einmal bekommt, kann sich gratulieren«, murmelte Dr. Lindau und verließ das Sprechzimmer. Im Vorzimmer traf er Marga Stäuber, die sich gerade zum Gehen anschickte. »Wenn Sie möchten, dann können Sie den Nachmittag freinehmen, Frau Stäuber«, gab er seiner Sekretärin zu verstehen.

      Marga Stäuber kam dieses Angebot ganz gelegen. »Ach, das wäre schön, denn dann könnte ich nach München reinfahren, um dort einiges zu erledigen«, sagte sie.

      »Na, dann erledigen Sie mal.« Dr. Lindau lachte leise und wünschte der Sekretärin ein geruhsames Wochenende. Er zog seinen weißen Mantel aus und verließ die Praxis durch eine andere Tür, um nach oben zu gehen.

      *

      Astrid hörte ihren Vater die Treppe heraufkommen. »Wir können gleich essen«, rief sie ihm entgegen und gab ihm einen Kuß auf die Wange, als er Sekunden später vor ihr stand.

      »Was gibt es denn?«

      »Du wirst schon sehen, Paps«, erwiderte Astrid lachend.

      Dr. Lindau wusch sich die Hände und nahm dann am Eßtisch Platz. Er staunte nicht schlecht, als Astrid gleich danach das Essen auftrug. »Sieh an – Speckknödel«, sagte er schmunzelnd. »Woher weißt du denn, daß ich die für mein Leben gern esse?« wollte er wissen.

      »Frau Wenke hat es mir geflüstert«, gestand Astrid lächelnd. »Ich hoffe nur, daß du mit meinen Kochkünsten zufrieden bist.«

      Das war Dr. Lindau sogar sehr, wie er seine Tochter wenig später wissen ließ. »Es hat mir vortrefflich geschmeckt, Mädchen«, sagte er anerkennend.

      »Freut mich, Paps.« Astrid stand auf und räumte das Geschirr ab. »Es gibt anschließend noch eine gute Tasse Kaffee«, sprach sie. »Oder hast du es eilig?«

      »Nein«, erwiderte Dr. Lindau. »Für einen Plausch bei einer Tasse Kaffee bin ich immer gern zu haben – besonders mit dir.«

      Freudig leuchtete es in den braunen Augen Astrids auf. Schweigend setzte sie die Tassen auf den Tisch, brachte den Kaffee und schenkte ein.

      »Ich wünschte mir, du könntest immer bei mir sein, Astrid«, ergriff dann Dr. Lindau zuerst das Wort. »Aber leider…« Er sprach nicht weiter. In seine Augen trat ein nachdenklicher Ausdruck.

      »Weshalb sagst du leider?« fragte Astrid.