Die Klinik am See Staffel 1 – Arztroman. Britta Winckler. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Britta Winckler
Издательство: Bookwire
Серия: Die Klinik am See Staffel
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740912307
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Mann geben wird, der dich mir wegnimmt. Tja, so ist das Leben eben.«

      Astrid schluckte. Die Worte ihres Vaters gingen ihr nahe.

      »Niemand wird mich dir wegnehmen, Paps«, sagte sie mit leise vibrierender Stimme. »Natürlich habe ich schon an meine Zukunft gedacht«, fuhr sie fort, »und auch schon Pläne.«

      »Ja?« fragte Dr. Lindau interessiert. »Und darf man wissen, was du für Pläne hast?«

      »Natürlich – ich werde studieren…«

      »Das habe ich erwartet«, meinte Dr. Lindau lächelnd. »Nach einem so glänzend bestandenem Abitur gibt es wohl keine andere Entscheidung. Ich habe das Gefühl, daß du Musik studieren willst.«

      »Wie kommst du gerade darauf?« fragte Astrid erstaunt.

      »Na ja, ich kenne doch deine Neigung zur Musik«, erklärte Dr. Lindau. »Deine vielen Schallplatten, deine Vorliebe für klassische Musik, Opern und ähnliches mehr…«

      »Das ist zwar richtig«, unterbrach Astrid den Vater, »aber das hat alles nichts mit meinen Zukunftsplänen zu tun. Ich habe mich entschlossen, Medizin zu studieren.«

      »Ist das wahr?« stieß Dr. Lindau fragend hervor. In seinen Augen blitzte es freudig auf. Er hatte sich immer schon gewünscht, daß Astrid einmal in seine Fußstapfen treten würde.

      »Ja, Paps, es ist mir ernst damit«, versicherte Astrid. »Ich möchte Kinderärztin werden.«

      »Das wäre herrlich.« Dr. Lindau faßte nach der Hand seiner Tochter. »Ich als der Frauenarzt und du die Kinderärztin. Herrgott, das sind ja phantastische Perspektiven. Ich würde dann die Praxis ausbauen, eine kleine Bettenstation anschließen und…«

      Mitten im Satz brach er ab und wurde ernst.

      »Weshalb sprichst du nicht weiter, Paps?« fragte Astrid.

      »Weil... weil... ich mich in Phantastereien verliere«, erwiderte Dr. Lindau. »Seien wir doch ehrlich, Astrid«, fuhr er fort. »Wenn du erst Kinderärztin bist, wirst du wohl kaum hier bei mir in der Praxis, in einem relativ kleinen und unbedeutenden Ort arbeiten wollen. Dann käme für dich eine moderne Klinik in Frage, in der du nicht nur deine Fähigkeiten voll einsetzen kannst, sondern auch noch Aufstiegsmöglichkeiten hast. Und das könnte ich verstehen. Außerdem kann ich mir nicht vorstellen, daß du lange eine ledige Ärztin sein wirst. Das aber bedeutet wiederum, daß du an der Seite des Mannes sein wirst, den du liebst und der dich liebt – wo immer das auch sein möge.«

      »Kann sein, muß aber nicht«, entgegnete Astrid. »Aber weshalb sollen wir uns jetzt schon darüber Gedanken machen? Das hat Zeit, bis ich tatsächlich den Doktor gemacht habe. In vier bis fünf Jahren kann sich viel ändern«, fuhr sie fort. »Vielleicht erleben wir noch, daß hier bei uns eine Klinik entsteht, in der ich dann zusammen mit dir arbeiten könnte.«

      Dr. Lindau lächelte. »Schön wär’s«, meinte er. »Aber das sind eben nur Wunschträume. Vergessen wir’s!« Er trank seine Tasse aus und ergriff dann erneut das Wort. »Wann willst du mit dem Studium beginnen?« wollte er wissen.

      »Ich möchte gern das Herbstsemester belegen«, antwortete Astrid. »Also in einigen Wochen. Ich habe bereits die nötigen Schritte zur Immatrikulation eingeleitet.«

      »Sieh an«, staunte Dr. Lindau. »Du gehst aber energisch voran.«

      »Je schneller ich es schaffe, desto besser«, argumentierte Astrid und lachte verhalten. »Was ich dabei nur bedaure, ist, daß ich nicht täglich bei dir sein kann während des Studiums.«

      »Ich werde dich vermissen«, murmelte Dr. Lindau. »Hm, wo willst du studieren?« fragte er dann. »In München?«

      »Nein, in Heidelberg, denn München ist bereits voll, wie ich erfahren konnte.« Sanfte Röte legte sich über ihr Gesicht, und etwas verlegen wich sie den Blicken des Vaters aus, weil sie wußte, daß sie jetzt geschwindelt hatte. Die Münchener Universität war gar nicht voll belegt. Sie hatte sich aber für Heidelberg entschieden, weil es einen jungen Mann gab, der als wissenschaftlicher Assistent an der Heidelberger Universität arbeitete. Dieser junge Mann jedoch war ihr nicht gleichgültig. Sie hatte Peter Diehl beim Abiturientenball kennengelernt und sich in ihn verliebt. Sie wußte auch, daß sie ihm ebenfalls nicht gleichgültig war. Auch er hatte große Pläne für die Zukunft. Nach Indien wollte er, um dort wissenschaftliche Forschungen zu betreiben. Welcher Art die allerdings waren, wußte Astrid nicht. Überhaupt hielt sie Peters Indienpläne vorläufig noch für Hirngespinste eines gerade erst fünfundzwanzig Jahre alt gewordenen jungen Mannes. Dennoch mochte sie ihn gern. Er war anders als die vielen anderen gleichaltrigen jungen Männer, die sich in letzter Zeit für sie interessiert hatten. Sehr schnell war ihr aber klargeworden, daß diese anderen eigentlich nur ein vergnügliches Abenteuer mit ihr im Sinn hatten.

      Nicht so Peter, der zwar keinen Zweifel daran ließ, daß er sie sehr gern hatte, der aber bis jetzt, wenn sie sich beide getroffen hatten in seiner kleinen, aber gemütlichen Wohnung, keinerlei Forderungen gestellt hatte.

      Er war immer so was wie ein Gentleman geblieben. Astrid gestand sich ein, daß sie sogar manchmal gewünscht hätte, daß er nicht so gentlemanlike gewesen wäre. Ob sie sich dann gewehrt hätte? Sie wußte es nicht. Sie ahnte aber, daß der Zeitpunkt gar nicht mehr so fern war, an dem es in ihrem Innern würde zu revoltieren beginnen und sie den Schritt vom Mädchen zur Frau tun würde. Sie wünschte sich nur, daß eine Hingabe nicht mit einer Enttäuschung endete.

      »Du bist plötzlich so still geworden«, unterbrach Dr. Lindau die Gedankengänge seiner Tochter. »Bedrückt dich etwas?« Besorgt sah er seine Tochter an.

      »Aber nein, Paps«, erwiderte Astrid und zwang sich zu einem Lächeln. »Es ist alles in Ordnung.« Sie erhob sich und begann den Tisch abzuräumen.

      »Was hast du für das Wochenende vor, Astrid?« warf Dr. Lindau die Frage auf.

      Astrid blieb vor ihrem Vater stehen. »Ich habe keine Pläne«, sagte sie, »außer dem Wunsch, es mit dir zusammen zu verbringen.«

      »Das freut mich«, entgegnete ihr Vater. »Dann lade ich dich zu einer Fahrt nach München ein.«

      »Wann? Heute?« Astrids Augen strahlten.

      »Nein, morgen gegen Mittag können wir losfahren«, antwortete Dr. Lindau. »Heute nachmittag habe ich noch einiges unten in der Praxis zu erledigen, und morgen vormittag kommt eine Patientin aus Rosenheim, der ich eine Spritze geben muß. Anschließend haben wir Zeit bis Sonntag abend. Na, wie ist’s?«

      »Fabelhaft, Paps.« Astrid neigte sich zu ihrem Vater hinunter und küßte ihn auf die Wange. »Wenn du nichts dagegen hast, so werde ich den heutigen Nachmittag zu einer Fahrt nach Eibling nutzen«, fügte sie nach kurzem Überlegen hinzu. »Ich habe noch ein paar Sachen bei Tante Vera, die werde ich bei der Gelegenheit holen.«

      »Keine Einwände, Mädchen«, gab Dr. Lindau lächelnd zurück. »Dann sehen wir uns also erst am Abend wieder.«

      »Ja, Paps«, versicherte Astrid. »Ich bin bestimmt vor acht Uhr zurück, denn ich möchte mir die Übertragung aus dem Frankfurter Opernhaus anhören. La Traviata wird gegeben, und es singt eine meiner Lieblingssängerinnen, Sonja Parvetti nämlich.«

      »Aha.« Das war Dr. Lindaus einzige Reaktion darauf. Der Name der genannten Sängerin war ihm nicht geläufig.

      *

      Dr. Lindau betrachtete neugierig die ihm hingehaltene Platte. LA BOHEME MIT SONJA PARVETTI las er auf dem Umschlag. Interessiert beäugte er die darauf abgebildete Frau. »Das also ist dein Schwarm«, sagte er lächelnd. »Gut sieht sie aus.«

      »Und sie singt herrlich«, gab Astrid anerkennend zurück.

      »Mag sein, aber für mich…«

      »Ich weiß«, unterbrach Astrid ihren Vater und nahm die Langspielplatte wieder an sich.

      »Wann beginnt denn die Übertragung?« fragte Dr. Lindau.

      Astrid sah auf die Uhr. »In einer halben