Die Klinik am See Staffel 1 – Arztroman. Britta Winckler. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Britta Winckler
Издательство: Bookwire
Серия: Die Klinik am See Staffel
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740912307
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schaffen Sie bestimmt«, erwiderte Bettina Sieber lächelnd und verließ die Praxis, die sie jetzt zehn Tage nicht zu sehen bekommen würde. An der geöffneten Tür drehte sie sich nochmals um. »Vielen Dank auch noch, Herr Doktor, und bitte grüßen Sie auch Frau Stäuber von mir.« Nun hatte sie es eilig, fortzukommen.

      Im Sprechzimmer sahen sich Vater und Tochter lächelnd an. »So, nun weißt du Bescheid und kannst wieder nach oben gehen. Morgen vormittag beginnt dein Dienst«, fügte er hinzu.

      »Und du?« fragte Astrid. »Kommst du nicht auch hinauf?«

      »Noch nicht, denn ich habe noch einiges zu arbeiten«, erwiderte Dr. Lindau.

      »Ist gut, Paps«, Astrid verschwand. Dr. Lindau ging zu seinem Schreibtisch zurück. Ganz zufällig fiel sein Blick dabei durch das Fenster zur Straße. Er sah die dunkelbraune Limousine, die langsam am Doktorhaus vorbeifuhr. Ungewohnt langsam sogar. Er bemerkte auch, daß eine Frau hinter dem Steuer saß, die sekundenlang zum Haus herüberstarrte. »Merkwürdige Fahrerei«, murmelte er und setzte sich an den Schreibtisch, um weiterzuarbeiten. Daß der dunkelbraune Wagen Sekunden darauf beschleunigte und die Richtung zum See einschlug, konnte er nicht mehr sehen. Es hätte ihn sicherlich auch nicht besonders interessiert.

      *

      Dagegen war Sonja Parvetti, die nun auf direktem Weg dem Schloß zufuhr, an diesem Frauenarzt Dr. Lindau interessiert, dessen Namen sie im Vorbeifahren auf dem Metallschild gelesen hatte. Früher hatte dort der Name Dr. Bergmann gestanden. Sonja war ein klein wenig enttäuscht. Zu dem alten Dr. Bergmann, mit dem sie zwar auch nur ein einziges Mal vor vielen Jahren Kontakt gehabt hatte, hätte sie wahrscheinlich mehr Vertrauen gehabt. Den aber gab es anscheinend nicht mehr. Der Gedanke, am Doktorhaus vorbeizufahren, war ihr erst kurz vor der Ortsgrenze gekommen.

      Sonjas Gedanken wechselten. Sie fragte sich, ob die beiden alten Leutchen auf dem Schloß sie wohl wiedererkennen würden. Immerhin war eine lange Zeit vergangen, seit sie das letzte Mal hiergewesen war. Als Kind hatte sie sich meistens an Anna Schleitz, die Frau des Kastellans, den sie immer scherzhaft als Schloßfaktotum bezeichnet hatte, gewandt, wenn ihr etwas schiefgelaufen war. Anna hatte immer Rat gewußt.

      Ob sie auch jetzt einen guten Rat parat hatte und ihr sagen konnte, was für ein Mensch dieser Dr. Lindau war?

      Minuten später hielt sie vor dem breiten Portal des Schlosses.

      Ihre Ankunft war bereits bemerkt worden. Aus einem Seiteneingang kamen der Kastellan und seine Frau angelaufen.

      »Ist das denn die Möglichkeit?« rief Anna Schleitz erfreut aus. »Unser Baroneßchen ist wieder einmal da. Sieh doch, Wenzel«, wandte sie sich an ihren Mann, dessen Haar weiß geworden war, »wie hübsch sie geworden ist.«

      »Ja, ja, mit den Jahren werden die einen hübscher, und die anderen verblühen langsam«, brummte der Kastellan.

      »Wen meinst du denn damit?« fauchte Anna Schleitz, die in letzter Zeit fülliger geworden war, ihren Mann an.

      »Aber Anna…« Sonja war aus dem Wagen gestiegen und begrüßte die beiden Alten mit einer angedeuteten Umarmung. »Dein Mann meint das doch gar nicht so.«

      »Das will ich hoffen«, murmelte Anna Schleitz und griff nach der Reisetasche. »Warum haben Sie denn nicht angerufen, damit wir…?«

      »Weil ich mich erst in letzter Sekunde entschlossen habe, herzukommen«, antwortete die Sängerin und folgte dem Ehepaar ins Innere des Schlosses, in den Teil jedenfalls, in dem Anna und Wenzel Schleitz schon seit vielen Jahren wohnten.

      »Bleiben Sie länger hier, Baronesse?« fragte Anna Schleitz.

      »Nur ein paar Tage«, erwiderte Sonja.

      »Das ist aber schade, Baronesse«, entgegnete die Frau des Kastellans in bedauerndem Ton. »Jahrelang schon waren Sie nicht…«

      »Ich habe eben eine Menge Verpflichtungen«, fiel die Sängerin der Frau lächelnd ins Wort. »Übrigens – laß die Baronesse beiseite und nenne mich ruhig so, wie du es früher getan hast.«

      Anna Schleitzs Gesicht verfärbte sich.

      »Ich darf Selma zu Ihnen sagen?« stieß sie freudig erregt hervor.

      »Wenn es dir nicht schwerfällt – ja!«

      »Hast du das gehört, Vater?« wandte sich Anna Schleitz an ihren Mann und ihre ohnehin schon ziemlich füllige Brust wurde vor Stolz gleich um einige Millimeter voller.

      »Hab’ ich«, gab ihr Mann zurück. »Nun aber solltest du dich um das Zimmer der Baronesse kümmern.«

      »Mach ich sofort«, entgegnete seine Frau und verschwand.

      Sonja Parvetti oder Selma von Angern, wie sie mit richtigem Namen hieß, ergriff die Gelegenheit, Wenzel Schleitz einige Fragen zu stellen, die das Schloß betrafen.

      »Alles ist in Ordnung«, war die Antwort. »Der Notar aus Tölz schickt einmal im Monat eine Reinigungskolonne her, die sich der zweiunddreißig Räume annimmt. Na, und ich sehe zusammen mit Anna ja auch ständig nach dem Rechten. Alles andere, das Finanzielle wird von dem Tölzer Notar erledigt.« Wenzel Schleitz verzog ein wenig das Gesicht. »Wissen Sie überhaupt, Baronesse, was für ein Heidengeld das alles kostet?« fragte er.

      »Herr Schleitz, ich weiß das«, gab die Sängerin zurück. »Aber machen Sie sich darüber keine Gedanken. Das Geld ist ja da.«

      »Mag schon sein«, brummte der Kastellan, »aber ich frage mich manchmal, weshalb Sie das Schloß nicht verkaufen.«

      Die junge Frau wurde ernst. »Wer wohl, glauben Sie, würde ein leerstehendes Schloß kaufen wollen, und was sollte er damit anfangen?« fragte sie. Etwas nachdenklich fügte sie hinzu: »Vielleicht bin ich auch ein wenig sentimental und hänge doch etwas an diesem ererbten Besitz, auch wenn ich nur alle Jubeljahre für wenige Tage herkomme.«

      Wenzel Schleitz furchte leicht die Stirn.

      »Das ist ja sehr lobenswert, Baronesse«, sagte er. »Wäre es dann nicht besser, wenn Sie hier einziehen und für immer hier wohnen würden? Irgendwann einmal werden Sie doch sicher heiraten und Kinder…«

      »Lassen wir das«, unterbrach Selma von Angern mit dem Künstlernamen Sonja Parvetti den Alten. »Vielleicht bleibe ich hier, wenn ich alt und grau geworden bin.«

      »Vielleicht sind Sie gar schon verheiratet, stieß Wenzel Schleitz plötzlich hervor, »und wir wissen es nur nicht.«

      »Nein, noch ist es nicht soweit«, versicherte die junge Frau lächelnd, wurde aber sofort wieder ernst. Die Unterhaltung mit dem Kastellan und dessen Fragen brachten ihr wieder in Erinnerung, weshalb sie überhaupt hergekommen war. Das noch ungelöste Problem, das ihr seit Wochen schon zusetzte, erschien ihr wieder riesengroß.

      Der Eintritt von Anna Schleitz unterbrach das Gespräch. »So, es ist alles bereit, Selma«, meldete sie. »Sie können sich jetzt ausruhen, und vergessen Sie nicht, daß ich sofort zur Stelle bin, wenn Sie mich oder sonst etwas brauchen.«

      »Danke, Anna.« Selma von Angern stand auf. »Es braucht im übrigen kein Mensch wissen, daß ich hier bin«, legte sie den beiden alten Leutchen ans Herz.

      »Niemand wird es erfahren«, versicherte Anna Schleitz.

      »Du hast es gehört, Wenzel!«

      »Ich bin doch nicht taub«, brummte der und entfernte sich.

      Selma von Angern wollte sich zu­rückziehen, als ihr etwas einfiel. »Sag’ mal, Anna, ist denn der alte Doktor Bergmann noch im Ort?« fragte sie. Obwohl sie die Antwort schon ahnte, wollte sie es nun genau wissen.

      »Der Doktor Bergmann? Du lieber Himmel, der ist doch schon seit fünfzehn oder sechzehn Jahren oder noch länger nicht mehr hier«, erklärte Anna Schleitz. »Dafür haben wir einen anderen Arzt, einen jüngeren«, berichtete sie. »Das heißt, wir haben eigentlich zwei. Da ist noch der Doktor Scholl, aber der ist meiner Meinung nach schon ein wenig klapprig, und dann haben wir den Doktor Lindau, der seinerzeit die Praxis vom alten Bergmann übernommen