116
Die Mittäter müssen die Tat als gemeinschaftliche Tat begreifen. Sie müssen die jeweils eigene Handlung als Teil einer Gesamthandlung verstehen. Dabei muss die Gemeinsamkeit des Tatentschlusses tatsächlich bestehen, eine bloß diesbezügliche Vorstellung eines Beteiligten genügt nicht. Der Handelnde muss also im Zeitpunkt des unmittelbaren Ansetzens Tatentschluss haben, d.h. den Willen haben, die Tat mittäterschaftlich zu vollenden.[273] Es genügt also nicht, wenn die Voraussetzungen des § 25 Abs. 2 StGB nur in der Vorstellung eines unmittelbar Ansetzenden vorliegen[274] (vgl. auch oben Rn. 49).
117
Der Rücktritt von der Versuchsbeteiligung ist in § 24 Abs. 2 StGB geregelt und erfordert die freiwillige Vollendungsverhinderung. Das Gesetz berücksichtigt damit für den jeweiligen Beteiligten nicht nur den jeweils von ihm geleisteten Beitrag, sondern die gesamte Tat. Die Vollendungsverhinderung nach § 24 Abs. 2 StGB ist nicht identisch mit der Verhinderung nach § 24 Abs. 1, da sich Abs. 1 auf die Vollendungsverhinderung des Einzeltäters bezieht.[275] Die Vollendungsverhinderung aus Abs. 2 nimmt jede Weise eines Verhinderungsverhaltens auf, auch ein Unterlassen.[276] Vgl. hierzu Rn. 52 f.
118
Wird die Vollendung unabhängig vom Tatbeitrag des Beteiligten verhindert, fordert das Gesetz gem. § 24 Abs. 2 S. 2 StGB ein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, die Vollendung zu verhindern. Damit führt das Gesetz eine von der Tatschuld unabhängige Versuchsbeteiligung ein. Für einen unabhängigen Entschluss anderer kann der zurücktretende Beteiligte jedoch nicht mehr haften müssen.[277]
2. Versuch der Mittäterschaft
119
Fraglich ist, ob bereits das Einwirken auf einen anderen (unabhängig vom betätigten Tatentschluss) eine versuchte Mittäterschaft darstellen kann. Teilweise wird dies mit dem Argument bejaht, die Strafbarkeit der versuchten Beteiligung ergebe sich aus dem Ingangsetzen eines selbstständig und unbeherrschbar weiter wirkenden Kausalverlaufs[278], dem Zusammenschluss mit „gleichgesinnten Genossen“ und der konspirativer Willensübereinstimmung[279], aus der „psychischen Stärkung“ durch einseitige oder wechselseitige Suggestionswirkungen[280], der Normdesavouierung durch Kommunikation[281] oder der erzeugten Bindungswirkung, die zu einer erleichterten Straftatbegehung führe.[282] Damit wird aber eine bloße Meinungsäußerung bzw. eine geäußerte Gesinnung unter Strafe gestellt. Der erforderliche Entschluss, den geäußerten Gedanken in die Tat umzusetzen, wird zum bloßen Kausalfaktor degradiert. Das ist mit einem personalen Handlungsbegriff nicht vereinbar.[283] Bei der bloßen Absprache steht die wirkliche Entscheidung zum Verbrechen gerade noch aus. Ausdrücklich unter Strafe gestellt hat der Gesetzgeber den Versuch der mittäterschaftlichen Beteiligung in Form der Verbrechensverabredung in § 30 Abs. 2 Var. 3 StGB. Damit wird eine Vorbereitungshandlung zu strafbarem Unrechthandeln erhoben und so eine bloß geäußerte Tatgesinnung unter Strafe gestellt.[284]
12. Abschnitt: Täterschaft und Teilnahme › § 51 Mittäterschaft › F. Mittäterschaftliche Begehung anderer Beteiligungsformen
F. Mittäterschaftliche Begehung anderer Beteiligungsformen
120
Mittäterschaft ist auch in Kombination mit anderen Beteiligungsformen möglich.
I. Mittäterschaftliche mittelbare Täterschaft
121
So können zwei oder mehr Beteiligte ihren gemeinsamen Unrechtsentschluss darauf richten, die Tat gemeinsam durch einen anderen zu begehen und so mittäterschaftlich die Tat als mittelbare Täter begehen.[285] Sie entschließen sich gemeinsam zum Einsatz eines Werkzeugs und wirken gemeinsam auf das Werkzeug in einer Weise ein, die ihnen beiden überlegene Macht über das Werkzeug gibt. Parallel zum oben zur gemeinsamen Ausführung Gesagten, erfordert diese Figur der Täterschaft eine gemeinsame Einwirkung auf das Werkzeug. Wer keine (Mit-)Herrschaft über die Begründung der Tatmacht bezogen auf das Werkzeug hat, ist kein Mittäter.
II. Mittäterschaftliche Teilnahme
122
Mehrere Personen können einen anderen gemeinschaftlich zu dessen rechtswidriger Tat anstiften und insofern als mittäterschaftliche Anstifter strafbar sein.[286] Auch eine Beihilfe in Mittäterschaft ist möglich, wenngleich es dieser Rechtsfigur zur Begründung der Gehilfenstrafbarkeit nicht bedarf, wenn jeder die Tat fördernde Tatbeitrag für sich schon eine Beihilfe begründet. Etwas anderes würde allenfalls nach einer extrem-subjektiven Theorie gelten, wenn das eigene Interesse an der Beihilfe schon für eine mittäterschaftliche Beihilfe genügen würde, ohne dass dieser Gehilfe selber einen kausalen Beitrag zur Tat des Haupttäters leistet. Der Figur der mittäterschaftlichen Beihilfe kommt aber Bedeutung für den Umfang des vorwerfbaren Unrechts zu, weil auch die Tatbeiträge der anderen Gehilfen dem einen zugerechnet werden können.[287]
III. Teilweise Mittäterschaft
123
Innerhalb eines komplexen Handlungsgeschehens können mehrere Personen hinsichtlich verschiedener Delikte teils Mittäter, teils Alleintäter und Teilnehmer sein („teilweise Mittäterschaft“[288]). So wenn die Beteiligten nur einen Einbruch gemeinsam ausführen, die nachfolgende Wegnahme aber von einem Täter allein verwirklicht wird.[289] Außerdem kann ein Mittäter das Grunddelikt, ein anderer eine Qualifikation verwirklichen, an deren Verwirklichung dann wiederum der erste Mittäter Teilnehmer sein kann. Wegen der engen Verknüpfung von Grunddelikt und Qualifikation wird aber stets zu prüfen sein, ob dem anderen nicht auch die Verwirklichung der Qualifikation täterschaftlich zugerechnet werden kann, so dass eine solche Konstellation (Mittäterschaft am Grunddelikt, nicht aber bei der Qualifikation) vor allem bei subjektiven Qualifikationsmerkmalen oder bei Exzessen eines Mittäters auftreten kann. Entsprechendes gilt auch für das Verhältnis von Grundtatbestand und Privilegierung[290] sowie für Fälle, in denen zwei selbstständige Tatbestände in einem Spezialitätsverhältnis stehen, so bei Raub und Diebstahl oder Raub und Nötigung.[291]
124
Es können sich in diesen Fällen aber Zurechnungsprobleme ergeben. Mittäterschaft ist zwar hinsichtlich des „Grundtatbestands“ (im weiteren Sinne) unproblematisch, weil – die sonstigen Merkmale der Mittäterschaft vorausgesetzt – beide Mittäter diesen Grundtatbestand gemeinsam verwirklichen. Dies wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der eine Mittäter noch einen weitergehenden Tatbestand verwirklicht. Problematisch ist aber die dann wiederum isolierte Mittäterschaft desjenigen, der den spezielleren Tatbestand verwirklicht, soweit ihm dafür Tatbeiträge des anderen zugerechnet werden müssen. Die Problematik stellt sich in schärfster Form in folgendem Fall:[292] B übt gegen das Opfer in Absprache mit A Gewalt aus. A ist zwar Mittäter, handelt aber selbst nicht gewalttätig. Nach Vollendung der Gewalt nimmt A – wie von Anfang an geplant – dem Opfer Geld ab. Die Mittäterschaft hinsichtlich der Körperverletzung ist hier gegeben. Weil B aber keinen weiteren Zweck verfolgte, scheiden Nötigung und Raub