Die h.M. verlangt deshalb für die Zurechnung bei der teilweisen Mittäterschaft nur, dass der von beiden gemeinschaftlich verwirklichte Straftatbestand auch vollständig in dem anderen enthalten ist.[293] Das wird der Formulierung des § 25 Abs. 2 StGB aber nicht gerecht. Dieser erfordert, dass die Mittäter „die Straftat“ gemeinsam begehen. Diese Straftat kann aber wegen der Tatbestandsbezogenheit der Mittäterschaft nur eine Straftat im materiell-rechtlichen Sinne sein. Die Mittäterschaft ist insoweit unrechtsakzessorisch an die gesetzlichen Tatbestände gebunden.[294] Sie ist also für jede Straftat gesondert zu beurteilen.[295] Die Beteiligten im obigen Beispiel haben aber „die Straftat“ des § 249 StGB nicht gemeinschaftlich begangen, so dass eine gegenseitige Zurechnung von Tatbeiträgen nach § 25 Abs. 2 ausscheidet. Der Einwand, § 25 Abs. 2 StGB besage der Sache nach, dass derjenige, der einen Straftatbestand durch eine zusammen mit einem anderen begangene Handlung verwirklicht, wie ein Täter zu bestrafen sei,[296] geht fehl, weil dies nicht dem Wortlaut der Zurechnungsnorm entspricht.[297] Aber auch eine Zurechnung nach § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB muss scheitern,[298] weil A die Gewalt nicht durch einen anderen begeht, sondern B selbst Gewalt angewendet hat. Folglich kann dem A die von B verübte Gewalt nicht im Rahmen der §§ 240, 249 StGB zugerechnet werden. Nicht anders wäre es in Bezug auf § 249 StGB, wenn A zwar eine Nötigung begeht, jedoch nicht zum Zweck der Wegnahme, denn auch in diesem Fall wären die Beteiligten nicht Mittäter des Raubes.
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Ebenfalls ausscheiden muss entgegen der zunehmend ins Wanken geratenden früheren h.M.[299] eine Mittäterschaft dann, wenn ein Beteiligter A einen Tatbeitrag erbringt, aber mangels deliktsspezifischer Absicht kein Täter des Delikts sein kann, etwa weil er ihm (bei § 252) eine Besitzerhaltungsabsicht fehlt oder weil er (bei § 249) meint, einen Anspruch auf die weggenommene Sache zu haben.[300] Der Hinweis Rengiers, dass die subjektive Absicht ohnehin nicht zugerechnet werden könnten und daher auch nicht Teil des Tatplans sein müssten,[301] liegt insoweit neben der Sache, weil sie die Formulierung des § 25 Abs. 2 nicht adressiert, der nun einmal vom gemeinschaftlichen Begehen der Straftat spricht. Denn auch in diesem Fall begehen A und B nicht dieselbe Straftat. Handlungen des A können dem B, der die notwendige Absicht aufweist, daher auch nicht zugerechnet werden.[302] Auch in diesem Fall scheidet darüber hinaus eine mittelbare Täterschaft kraft Irrtumsherrschaft über das absichtslos-dolose Werkzeug aus (→ AT Bd. 3: Claus Roxin, Mittelbare Täterschaft, § 52 Rn. 252 ff.).[303] Diese Grundsätze gelten allerdings nicht, wenn die Absicht ein besonderes persönliches Merkmal im Sinne von § 28 Abs. 2 StGB ist, vielmehr greift dann die Tatbestandsverschiebung bei den Mittätern ein. Solange aber die Absicht das Unrecht der Tat mitbestimmt, ist dann, wenn ein Beteiligter diese Absicht nicht aufweist, auch eine Mittäterschaft unmöglich, weil es an der gemeinsamen Unrechtsentschließung fehlt. Die Mittäterschaft ist im Hinblick auf die Merkmale, die das tatbestandliche Ge- oder Verbot in seiner Grundform bezeichnen, wie die Teilnahme akzessorisch, d.h. dem Mittäter kann die fremde Handlung nur im Rahmen desjenigen Tatbestands zugerechnet werden, den auch der andere erfüllt.
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Nach h.M. soll es – für die Rechtsprechung auf Grundlage des vermeintlichen Exklusivitätsverhältnisses nicht unbedingt naheliegend – möglich sein, dass ein Mittäter den Tatbestand des Mordes, ein anderer den Tatbestand des Totschlags erfüllt.[304] Dies ist grundsätzlich richtig: Die subjektiven Mordmerkmale können dem Mittäter nicht zugerechnet werden, so dass Mord nur, aber auch immerhin derjenige verwirklicht, der selber ein solches Merkmal erfüllt (§ 28 Abs. 2 bzw. § 29 StGB). Objektive Mordmerkmale können demgegenüber zugerechnet werden, wenn sie gemeinschaftlich erfüllt werden. Eine Zurechnung scheidet aber dann aus, wenn der die Tötungshandlung Ausführende z.B. das Heimtückische der Tötung nicht erkennt.
IV. Mittäterschaft und tatbestandslose Selbstschädigung
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Ein der Mittäterschaft ähnelndes Problem ergibt sich dann, wenn zwei vollverantwortlich handelnde Personen bei der Schädigung von einer dieser beiden zusammenwirken, was insbesondere bei der Tötung praktisch wird, weil hier die rechtfertigende Kraft der Einwilligung fehlt. Zunächst ist die Frage auszuklammern, ob hier eine Pflicht des einen zur Rettung des Sterbewilligen besteht, deren Verletzung ihrerseits eine Strafbarkeit begründen kann. Sodann bleibt die Frage übrig, ab wann die (straflose) Teilnahme am Suizid in eine (strafbare) Tötung (auf Verlangen) umschlägt. Die wechselseitige Zurechnung der Tatbeiträge nach § 25 Abs. 2 StGB setzt jedenfalls wechselseitiges Unrecht und damit wechselseitige Strafbarkeit voraus.[305] Demnach kann hier keine echte Mittäterschaft, sondern allenfalls „Quasi-Mittäterschaft“ vorliegen.[306] Das Gesetz sieht aber keine derartige Zurechnung vor. Eine Zurechnung der Tatbeiträge des Suizidwilligen ist daher positivrechtlich ausgeschlossen, eine Strafbarkeit nach § 216 StGB erst dann möglich, wenn sich das Gesamtgeschehen als eigenes Verhalten des „Sterbehelfers“ darstellt, was jedenfalls die Herrschaft über den letztlich lebensbeendenden Akt voraussetzt. Dagegen sah das OLG Nürnberg sogar bei fahrlässiger Mitwirkung eine Tatherrschaft des Mitwirkenden gegeben, welche eine Strafbarkeit aus § 222 StGB zu tragen vermochte.[307]
V. Notwendige Mittäterschaft
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Notwendige Beteiligung allgemein, und auch notwendige Mittäterschaft, ist nicht strafbar. Dies gilt namentlich dann, wenn der Träger des Rechtsgutsobjekts, gegen den sich das strafbewehrte Verbot richtet, an der Tat mitwirkt. So ist das Opfer von Sexualdelikten oder der Sterbewillige bei der (versuchten) Selbstverletzung trotz dessen, dass sein Beitrag qualitativ gewichtig sein mag, nicht als Mittäter oder sonstiger Beteiligter strafbar. Auch über die Fälle der notwendigen Teilnahme hinaus, scheidet eine Mittäterschaft dessen, gegen den ein Verbot nicht gerichtet ist, aus. Tun sich drei Gefangene zusammen und befreien gemeinsam sich selbst, aber auch die je anderen beiden, sind sie nicht Mittäter hinsichtlich der Befreiung der je anderen.[308] Die Berücksichtigung der besonderen Situation des Gefangenen schlägt auch auf den Fall durch, dass sich seine Selbstbefreiung zweckhaft mit der Befreiung anderer verbindet, weil jeder Mitgefangene den Freiheitsdrang des anderen sich zum Mittel setzt.
12. Abschnitt: Täterschaft und Teilnahme › § 51 Mittäterschaft › G. Strafzumessung
G. Strafzumessung
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Die mittäterschaftliche Begehung kann auch die Strafzumessung beeinflussen. Allerdings darf die Mittäterschaft als solche nicht strafschärfend berücksichtigt werden. Es verstößt gegen § 46 Abs. 3 StGB, wenn pauschal die Mittäterschaft ohne Berücksichtigung der konkreten Umstände der Beteiligung strafschärfend gewertet wird.[309] Die Mittäterschaft als solche besagt nämlich noch nichts über die Tatschuld des Beteiligten. Allerdings kann ein mittäterschaftliches Begehen die erhöhte Strafwürdigkeit der Tat begründen und deshalb strafschärfend wirken.[310] So kann namentlich bei Gewaltdelikten die Beteiligung mehrerer die Gefährlichkeit erhöhen. Gleiches gilt für Betrugs- und Diebstahlsdelikte, bei denen z.B. erst die Beteiligung mehrerer eine raffinierte Ablenkung des Opfers ermöglichen und so die Gefährlichkeit erhöhen kann.[311] Nach dem BGH soll die Mittäterschaft sogar bei Bandendelikten strafschärfend wirken können, weil Mittäterschaft ein Aliud zur bandenmäßigen Begehung darstelle.[312] Gleiches muss dann auch für andere Delikte gelten, in denen die Beteiligung mehrerer besonders bestraft wird, ohne dass dies zwingend Mittäterschaft erfordert. So liegen die Dinge nach h.M. bei § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB,[313] so dass eine Mittäterschaft hier ggf. nochmals strafschärfend wirken müsste. Ob bei § 177 Abs. 6 Nr. 2 StGB gleiches gilt, ist umstritten.[314] Die erneute strafschärfende Berücksichtigung der Mittäterschaft bei bandenmäßiger oder gemeinschaftlicher Tatbegehung ist aber aufgrund des Doppelverwertungsverbots des § 46 Abs. 3 StGB abzulehnen: Sieht das Gesetz selbst schon eine Straferhöhung aufgrund der Gefährlichkeit