Pures Glück.
Irgendwann siegte die Neugier dennoch über den Frieden. »Wie habt ihr euch kennengelernt?«, erkundigte Eva sich bei Jul.
»Gottfried und ich? Wir standen uns 1262 bei einem Turnier gegenüber. Gottfried war damals gerade zweiundzwanzig geworden. Sein Mut und sein Stolz haben mich beeindruckt.«
»Er wird dich doch nicht an dich selbst erinnert haben. Das wäre zu kitschig.«
Jul lachte. »Gottfried war viel stärker als ich. Ich habe lange gebraucht, um die seelische und körperliche Misshandlung durch meinen Vater zu überwinden. In dem Alter, in dem mein Selbstbewusstsein durch Anun aufgebaut worden war, ging Gottfried gerade aus dem zehnten Turnier als Sieger hervor.«
»Beeindruckend. Erzähl mir mehr über den Jungen, den du irgendwann als deinen Seelenverwandten bezeichnet hast.« Sie befahl sich, keinen Neid zu empfinden. Diese Freundschaft lag weit hinter ihm und hatte nichts mit ihrer Beziehung zu tun.
Sie lagen händchenhaltend auf dem Bett, während Jul das Bild eines geradlinigen, zielgerichteten Mannes zeichnete. Jul schilderte eine enge Freundschaft, eine tiefe Verbundenheit zu einer Person, für deren Wohl Jul genauso gekämpft hätte wie Eva für ihre Mädels. Und die Dankbarkeit über Juls Vertrauen ließ die Macht in Eva pulsieren.
»Willst du mir etwa meine Medizin verweigern?«
Eva gab ein grummelndes Geräusch von sich. Als sie sich zwang, die Augen zu öffnen, blickte sie direkt in Juls amüsiert wirkendes Gesicht. Sie war tatsächlich während seiner Erzählung eingenickt. Die Uhr auf dem Nachttischschränkchen verriet ihr, dass sie höchstens eine Viertelstunde gedöst hatte. »Tut mir leid.«
»Mir war nicht bewusst, dass meine Geschichte so einschläfernd ist.«
»Deine Stimme. Sie hat mich eingelullt.« Eva streckte sich und legte ihren Kopf dann auf seinem Oberarm ab. »Habe ich dir noch nie gesagt, wie samtig, beruhigend und manchmal auch erotisch deine Stimme klingt?«
»Du bist wohl um keine Ausrede verlegen.«
»Die Wahrheit kann man immer als Ausrede benutzen.«
»Das muss ich mir merken.«
Sie konnte sich vorstellen, für welche Wahrheiten er diese Regel gerne angewendet hätte. »Tut mir leid. Das gilt nur für mich.«
»Das widerspricht der Gleichberechtigung, auf der du als Frau immer bestehst.«
»Nur wenn es mir in den Kram passt«, sagte sie lachend. »Also was war das von wegen Medizin?«
»Deine Leidenschaft ist meine Medizin. Durch das Einschlafen wolltest du dich nur davor drücken, mir einen Teil davon abzugeben.«
Evas Herz krampfte sich zusammen. »Bist du fit genug? Der Tag muss ziemlich anstrengend für dich gewesen sein.«
»Nicht anstrengender als für dich.«
»Der misslungene Blutaustausch hat dich viel Kraft gekostet. Du hast noch nicht zu deiner alten Stärke zurückgefunden.«
»Nichts als Ausreden.«
»Die hasse ich mehr als du.«
Er rollte sich auf sie, ließ sie seine Erregung spüren. »Dann lass mich nicht warten. Ich werde dafür sorgen, dass deine Müdigkeit rasch verfliegt.«
Sie lachte und drückte sich an ihn. Ein orangeroter Wirbel erhitzte ihre Beckengegend. »Du bekommst das sicher hin. Aber fühlst du dich nicht zu erschöpft?«
»Nein, zum Teufel! Und jetzt lauf und hol dein Geschenk aus dem Wohnzimmer.«
»Endlich!« Eva schubste Jul zur Seite und sprang auf. »Bin gleich wieder da.«
Juls Lachen folgte ihr nach draußen. Sie riss die Verpackung noch im Wohnzimmer auf. In dem Paket fand sie eine CD. Jazz logischerweise. Darunter ein filigranes Gebilde aus Seide. Selbst als Eva das Kleidungsstück hochhielt, hatte sie Schwierigkeiten zu beurteilen, wo vorne und hinten war. Wenn sie die schmalen Seidenstreifen richtig interpretierte, bestanden die bodyartigen Dessous aus einem String und einem BH-Teil, die mit Bändern verbunden waren und die sich um den Körper dazwischen schlangen.
Eva legte ihre Unterwäsche ab, schlüpfte in das Seidengespinst und zupfte es auf ihrem Körper zurecht. Ganz schön gewagt. Sie fühlte sich sexy wie ein Victoria’s-Secret -Model.
Bevor sie zurück ins Schlafzimmer kehrte, legte sie die CD in Juls Radio ein und drehte die Lautstärke hoch. Die sanfte Männerstimme überraschte sie, sodass sie einen Blick auf die CD-Hülle warf. Time after time von Chet Baker.
»Time after time, I tell myself that I’m so lucky to be loving you.«
Lächelnd schüttelte Eva ihre Haare zu einem wilden Look auf und betrat dann das Schlafzimmer.
Jul erwartete sie mit hinter dem Kopf verschränkten Armen. Die nach unten gerutschte Bettdecke gab den Blick auf seinen nackten Oberkörper frei. Eva bemerkte erleichtert, dass er kein Gramm Muskeln verloren hatte.
Seine Augen begannen bei ihrem Erscheinen zu leuchten. »Ich habe nicht erwartet, dass dir mein Geschenk so gut stehen würde«, verkündete er mit leiser Stimme.
Sie legte ihren nach oben ausgestreckten linken Arm an den Türstock und wiegte ihre Hüften. »Das freut mich zu hören. Ich fühle mich unwiderstehlich.«
»Das bist du auch. Komm her.«
Dieser Aufforderung folgte sie nur zu gern. »Und jetzt?«, erkundigte sie sich, als sie beim Bett angelangt war.
»Jetzt setzt du dich auf meine Schoß.« Als sie sich auf die Matratze kniete und zu ihm krabbelte, schüttelte er den Kopf. »Verkehrt herum.«
Was er wohl vorhatte? Sie kletterte auf ihn. Juls nackter Oberkörper fühlte sich warm und hart an ihrem Rücken an. Als sie ihre Hüften bewegte, spürte sie seine Erregung unter der Decke. Rasch schob sie den Stoff zur Seite. Sie rieb sich an ihm. Die Haare auf seinen Oberschenkeln kitzelten ihren Po.
Seine Arme griffen um sie herum und legten sich auf ihre Brüste. »Wie ist das?«
»Besser, aber nicht genug.« Durch sein Lachen drängte sich ihr seine Männlichkeit entgegen. Sie stöhnte laut.
Seine Hände massierten die Hügel, die aus dem Body zu fallen drohten. Er ließ zwei Finger unter die Seide wandern, um die Knospen zu zwirbeln.
Eva warf den Kopf zurück, als seine Rechte tiefer wanderte und den Stoff in ihrem Schritt zur Seite schob. »Verzichten wir heute auf das Vorspiel«, verlangte sie.
»Gerne.« Plötzlich war er in ihr. Er zog sich zurück, stieß wieder zu, bevor sie aufschreien konnte. Jul sank auf das Kissen zurück und hielt dabei ihren Oberkörper fest. Sie kam auf ihm zum Liegen.
Seine Bewegungsfreiheit war eingeschränkt. Dennoch wuchs ihre Erregung mit jedem seiner langsamen Stöße. Eva schloss die Augen, während die Macht einen Farbenwirbel durch ihren Körper schickte und Jul ihre Leidenschaft Richtung Gipfel trug.
Doch dann schien Jul müde zu werde. »Sachte, Süßer«, keuchte sie. »Wie kann ich dir helfen?«
»Stemm deine Füße in die Matratze. Dann können wir das Tempo erhöhen.«
Es fühlte sich sofort um vieles besser an. Sie gab einen leisen Schrei von sich. Ihr Rücken rieb sich an seinem Brusthaar. Ein wundervolles Gefühl von Nähe.
Juls Hände wanderten über Evas Haut, hinterließen eine heiße Spur aus Flammen, wo immer er sie berührte. Dennoch hegte sie die Befürchtung, dass sie Jul zu schwer werden würde. Sie rollte sich von ihm.
Ein missmutiges Grummeln von Jul.
»Warte«, bat sie. Sie kletterte mit dem