»Er scheint Jul als Mächtigstem näherzustehen als uns normalen Mitgliedern der Bruderschaft«, fuhr Fabianus fort.
»Manus ist schließlich schon länger im Club als ihr«, meinte Eva.
»Das allein macht nicht den Unterschied aus«, widersprach Fabianus. »Wir wollen das auch.«
»Ich werde mir eine Lösung überlegen.« Eva sah zu Juls finsterem Gesicht hoch. Darum musste sie sich später kümmern. »Und nun kommen wir zu meinem Geschenk an euch alle.«
»An uns alle?« Selbst Jul klang überrascht.
Eva nickte und ging zum Servierwagen, den sie in einer Ecke platziert hatte. »Es ist Gott sei Dank rechtzeitig geliefert worden«, sagte sie erfreut und zog den Wagen in die Mitte. Dann hob sie den Karton an, den sie darübergestülpt hatte. »Tata!«
Die Brüder starrten schweigend auf die siebenundzwanzig Silberkelche und die Silberkaraffe. »Ich habe das Adolescentia Aeterna-Logo und die Namen von uns allen eingravieren lassen. Einundzwanzig Brüder, meine vier Freundinnen, Anun und ich.«
»Gedacht sind die Utensilien für das gemeinsame Trinken der Macht?«, fragte Jul nach.
Neuerlich nickte Eva.
»Eine wundervolle Idee.«
Sie lächelte ihn dankbar an, als er neben sie trat und nach einem der Becher griff. »Wollen wir sie einweihen?«, erkundigte sie sich. Ihr Herz klopfte, als dürfe sie eine neue Jahrmarktsattraktion ausprobieren.
»Natürlich, Gebieterin«, meinte Jul. Er winkte Lukas heran, um ihm seinen Kelch weiterzureichen.
Eva bat ihren Dad, die Karaffe mit der Macht zu füllen, während sie Jul half, die Kelche an ihre neuen Besitzer auszuteilen. Danach stimmten die Brüder in ihr Motto ein.
»Adolescentia Aeterna über alles!
Als Brüder leben wir.
Durch die Bruderschaft vereint.
Eine Verpflichtung für die Ewigkeit.
Niemals sterben wir.
Unser Schicksal erfülle sich mit allen Frau’n.
Verlangen stellt unsere Bestimmung dar.
Ewiges Leben als unser Ziel wird wahr.
Im Geheimen leben wir unseren Traum.
Begierde erweckt die Macht.
Leidenschaft ist unsere Tugend.
Körperliche Erfüllung schenkt ewige Jugend.
Als Lebenszweck der Brüder gedacht.
Adolescentia Aeterna über alles!«
Sobald die Brüder geendet hatten, schüttelte Eva den Kopf. »Das alles gilt nicht mehr. Nicht mehr in dieser Form. Wir brauchen einen neuen Leitspruch. Aber es ist nicht wichtig, in welche Worte wir die neuen Regeln kleiden. Hauptsache, wir vereinbaren, ehrlich zueinander zu sein.«
»Die Macht für uns alle. Eine Familie verbunden in Ehrlichkeit.«
Eva blickte überrascht zu Jul. Die Worte waren einfach, knapp und knackig und trafen ihr Übereinkommen auf den Punkt. »Genauso habe ich mir unser Motto vorgestellt. Wenn ihr einverstanden seid, dann ist es das.«
Die Männer nickten. Ihre Mädels grinsten. »Yeah, Baby«, fasste Ellen ihren Eindruck zusammen.
Eva hob ihren Kelch. »Dann lasst uns auf unsere Familie trinken. Auf eine glückliche, lange Zukunft!«
»Auf eine glückliche, lange Zukunft!« Die Antwort ihrer Familie. Sie nahmen zusammen einen Schluck aus den Kelchen. Die Macht begann im Raum zu vibrieren, erfüllte die Luft. Die Mitte dieses Universums stellte Eva dar.
Sie setzte den Silberkelch auf dem Servierwagen ab und blickte zu den anderen Frauen. Marianne hatte die Augen geschlossen. Ihr Gesicht strahlte durchscheinend von den Auswirkungen der Macht. Aleksander hatte einen Arm um ihre Schulter gelegt.
Mimi und Sascha hielten Händchen. Ein leichtes Zittern hatte sich ihrer Körper bemächtigt. Auch ihre Gesichter leuchteten von innen heraus, doch Sascha und Mimi wirkten davon verunsichert.
Ellen schien als Einzige diese Erfahrung zu genießen. Sie sah grinsend von dem Bruder links von ihr zu dem auf ihrer rechten Seite. Ob sie wohl überlegte, an welchen der zwei sie sich heranmachen sollte?
»Egal wie unsicher die Zukunft erscheinen mag, eure Probleme sind meine Probleme.« Eva lächelte. »Nun gehören wir alle zusammen.«
Jul drückte ihren Arm. »Das tun wir.«
Aleksander trat mit Marianne zu Eva. »Wie soll die nähere Zukunft für Adolescentia Aeterna aussehen?«
Der Bruder war genau der richtige Ansprechpartner für ein Thema, das ihr am Herzen lag. »Die Macht und ihre Wirkung soll erforscht werden. Ich will, dass du die Flüssigkeit wissenschaftlich untersuchen lässt. Wenn möglich, sollen auch andere Menschen von der Macht profitieren.«
»Du willst die Kräfte der Macht zur … Rettung der Menschheit einsetzen?« Aleksander legte den Kopf schief.
»Die Menschheit hat die Macht bislang nicht zum Überleben gebraucht, und das wird sich auch nicht so schnell ändern. Aber wir sollten versuchen, Adolescentia Aeterna einen tieferen Sinn zu geben, der nichts mit Vorteilen für die Mitglieder zu tun hat.«
»Wie stellst du dir das vor?«, wollte Damian wissen.
»Vielleicht kann die Macht dazu genutzt werden, Krankheiten zu heilen. Vielleicht finden wir auch andere Einsatzmöglichkeiten.«
Damian lachte. »Bei der Sättigung der Hungrigen oder der Bekämpfung von Armut?«
»Sie tadelt uns indirekt für unseren bisherigen Daseinszweck.« Claudius runzelte die Stirn. »Wie kann sie es wagen?«
»Du hast kein Recht, Uneingeweihte von der Macht profitieren zu lassen«, tadelte Anun. »Wenn du erst Erfahrungen als Älteste -«
»Ihr alle habt Jahre wenn nicht gar Jahrhunderte von der Macht profitiert. Habt ihr in der Zeit etwas geleistet, außer eure ewige Jugend zu genießen?« Eva stemmte die Hände in die Taille. »Euch ist eine mächtige Kraft geschenkt worden, mit der ihr Gutes tun könntet. Ihr könntet Helden im Stillen sein.«
»Warum sollten wir das wollen?«
Eva las in Damians Augen, dass er diese Frage ernst meinte. »Aber …« Sie suchte nach Worten.
»Ich verstehe, worauf Eva hinauswill«, meinte Manus. »Adolescentia Aeterna trägt eine Verantwortung den Zeitgenossen gegenüber, mit denen wir leben. Die Bruderschaft sollte sich dem nicht länger entziehen.«
»Danke, Manus.« Jetzt erst erwiderte sie seinen Blick und bemerkte, dass seine Wangen von leichter Röte überzogen waren. Sie wandte sich an die anderen Brüder. »Wenn mehr als die Hälfte von euch dagegen -«
»Ist eine Abstimmung notwendig oder sind wir uns einig, dass wir Eva eine Chance geben werden?«, verlangte Jul zu wissen.
Leises Gemurmel, unsichere Blicke, doch schließlich nickten alle.
Eine goldgelbe Welle umhüllte und erwärmte Evas Herz.
Jul legte einen Arm um ihre Schulter. »Schön. Dann lasst uns den Abend genießen. Auf Adolescentia Aeterna!«
»Auf Adolescentia Aeterna!«
Auch wenn die anderen Juls Ruf erwidert hatten, drängte sich Eva der Eindruck auf, dass die Entscheidung noch nicht endgültig getroffen war. Sie wandte sich an Aleksander, während sich die anderen in Grüppchen zusammenstellten. »Willst du mir bei meinen Plänen helfen?«
»Natürlich,