Die Frauen von Schloss Summerset. Ed Belser. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ed Belser
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844287097
Скачать книгу
dachte Dougal, dich will ich nicht treffen. Ungeduldig hoffte er, dass sie sich wieder aus der Schussrichtung entfernen würde. Jetzt schienen beide zu lauschen, die Augen auf den Weg zur Brücke hinunter gerichtet.

      Das Geräusch von sich nähernden Pferden drang jetzt bis zu Dougal. Er sah, wie Cremor und Maggie gerade noch im Gebüsch verschwinden konnten, als ein Reitertrupp an ihnen vorbei preschte. Dougal stellte sich ihnen in den Weg.

      Der Anführer erkannte ihn sofort. "Dougal! Was ist geschehen?", und ohne auf eine Antwort zu warten rief er: "Die Engländer kommen!"

      "Wie weit noch?"

      "Einige Stunden … was ist hier los?"

      "Wir ziehen bald ab. Du kannst deine Leute herholen."

      Dougal sah ihm nach, überblickte die Gebüsche an der Schlossmauer, unschlüssig was er tun sollte. Sie werden mich beobachten, dachte er, drehte sich um und ging zurück in den Schlosshof.

      Die Schlosstore waren geöffnet worden. Viele von MacLennochs Soldaten waren erstickt, die Überlebenden drängten Hals über Kopf ins Freie, einander beiseite stoßend, keuchend und hustend. Alle hatten Brandblasen an Gesicht und Händen, angebrannte Fetzen von Kleidern dampften an ihren Körpern. Etliche schrien vor Schmerz und warfen sich in die Wasserpfützen.

      5

      John Dougal ritt nordwärts, zurück in die Berge, wo sie hergekommen waren. Seine Entscheidung war plötzlich gefallen. Ich gehe allein, hatte er gedacht. Die Engländer werden bald überall sein. Allein würde er weniger auffallen. Er hatte keine Bedenken seine Soldaten sich selbst zu überlassen. Sie würden fliehen müssen. Flüchtlinge brauchten keinen Anführer. Sie würden sich bald zerstreuen, allein oder in Gruppen ihre Wege suchen. Wehe, wenn sie erwischt würden.

      John Dougal trug immer noch seine Uniformjacke samt Lederzeug für Säbel und Pistolen und seine Mütze mit den zwei Adlerfedern, die ihn als Chieftain der Highlander auswiesen. In seiner Satteltasche hatte er den Kilt und den Umhang. Das alles müsste er so rasch wie möglich loswerden. Als Erstes entfernte er die Adlerfedern von seiner Mütze, an der immer noch die weiße Rose der Jakobiten prangte. Ein bitteres Lächeln verzog seine Mundwinkel, als er sie abriss und zusammen mit den Federn in ein Gebüsch warf.

      Er war sich inzwischen bewusst geworden, was eigentlich in den letzten Monaten geschehen war, als er mit MacAreagh und seinem Clan zusammen mit Hunderten von Soldaten der anderen Clans mit Prinz Charles gegen England losgezogen war. Wie sich immer mehr Highlander dem Feldzug angeschlossen hatten, bis sie zu Tausenden unterwegs waren. Wie sie siegreich waren, die Rotjacken in Panik versetzt hatten und unaufhaltsam südwärts gezogen waren. Sie waren nicht weit von London entfernt gewesen und Dougal hatte sich gefragt, was sie dort wollten, für ihn ging es um die Freiheit von Schottland und nicht um die Eroberung von England. Er war nicht überrascht gewesen, als die ganze Armee umgedreht wurde und sie sich plötzlich auf dem Rückzug befanden. Nach Wochen fanden sie sich wieder zurück in ihrer Heimat, hungrig, mit durchgelaufenen Sohlen, gar barfuß, übermüdet, verlassen von jenen, die nicht mehr an ihren Sieg glaubten. Der Herzog von Cumberland hatte sich nicht dazu verleiten lassen, sie zu verfolgen. Das hatte Dougal inzwischen klar erkannt. Der kannte die Highlander, kannte ihre mörderischen Attacken. Er war ihnen ausgewichen, hatte sie der östlichen Küste entlang umgangen, ohne Widerstand, hatte den Frühling abgewartet — und dann forderte er sie auf ihrem eigenen Gebiet. Er bestimmte Zeit, Ort und Waffen: Culloden, das sumpfige Moor, noch verschneit im April. Dougal hatte am rechten Flügel der Jakobitenarmee den Rotjacken von General Cumberland eingeheizt, zusammen mit MacAreagh, doch ihre Mitkämpfer waren nicht nachgestoßen, plötzlich waren sie allein und konnten nur noch versuchen ihre Leben retten. Von einem Moment zu anderen hatte sich alles gedreht. Die Feldkanonen hatten tiefe Lücken in die Reihen der Highlander gerissen, die Engländer hatten erbarmungslos mit den Bajonetten gewütet, bis ihr Widerstand gebrochen und ihnen nur noch die Flucht übrig geblieben war, erschöpft von schlaflosen Nächten, Kälte und Hunger, verwundet und verstört vom Tod ihrer Brüder und Mitkämpfer.

      Die Erinnerung zwang ihn zu tiefem Atmen. Er fühlte sich gedemütigt, geschlagen, verheizt — zornig. Zornig auf die Engländer, zornig auf MacAreagh, auf Prinz Charles und seine Generäle. Zornig auf MacLennoch, der jetzt vom verdienten Tod ereilt worden war … MacLennoch, ein Highlander der sich auf die Seite der Engländer geschlagen hatte. Der große Clan der MacLennochs — wenn er auf ihrer Seite gekämpft hätte, wäre vielleicht alles anders gekommen.

      Und jetzt noch dieser letzte erfolglose Versuch, sich Schloss Blackhill zurückzuerobern. Wenn sie nicht verraten worden wären, durch diesen Cremor, der sich auf dem Schloss auskannte, sie in die Falle laufen ließ und offensichtlich ihren Clan-Chief MacAreagh getötet hatte. Sicher wäre es ihnen sonst gelungen; sie hätten das Schloss wieder in Besitz genommen, hätten den Engländern Paroli bieten und über kurz oder lang einen neuen Anlauf unternehmen können, ihre Fürsten wieder an die Macht zu bringen.

      Da war noch diese Maggie. Jetzt, da er sie zusammen mit Cremor gesehen hatte, war ihm klar geworden: Sie war eine Spionin von MacLennoch gewesen. Er hatte gesehen, wie MacAreagh auf sie hereingefallen war und er musste zugeben, dass sie ihm eigentlich sehr gefallen hatte. Er versank in Gedanken und malte ihr Angesicht in das Bild seiner Vorstellung. Das ebenmäßige Antlitz, die blinkenden Augen unter hochgeschwungenen Brauen, der breite Mund unter gut gebauter Nase mit leicht gehobener Spitze. Irgendwie hatte sie ihn an Lady Margaret erinnert. Auch ihre Schönheit hatte es ihm angetan und er hatte MacAreagh um sie beneidet. Lady Margaret war dann plötzlich verschwunden, aber niemand wagte es nach ihrem Verbleib zu fragen. Kurz danach war auch Cremor verschwunden.

      Er war genauso überrascht wie MacAreagh es gewesen war, als er ihn vor dem Schloss auftauchen sah. Er war wie alle anderen der Meinung gewesen, Cremor und sein Kumpan seien gehängt worden. Dass zwei andere an ihrer Stelle dran glauben mussten passte zu MacAreagh. Die beiden konnten offensichtlich flüchten und MacAreagh wollte sein Gesicht wahren. Auch das passte zu ihm. Wer hatte sie wohl befreit? Wahrscheinlich hatte diese Maggie auch Osgar erdolcht. Er war nicht unglücklich gewesen darüber, denn ohne Osgar konnte er sich Hoffnung auf die Nachfolge von MacAreagh machen. Er atmete tief durch. Irgendwann kehrte wieder Ruhe ein. Dann würde er den Clan MacAreagh wieder zusammenführen. Dann würde die dritte Adlerfeder sein Haupt schmücken. Es schauderte ihn, als er daran dachte, wie er die beiden anderen von seiner Mütze entfernt und weggeschmissen hatte.

      Er konnte die Sache von jeder Seite betrachten. Die Antwort war immer die gleiche. Das Unglück hatte einen Namen: Cremor. Der war an allem schuld. Beinahe wäre es ihm gelungen ihn umzubringen, wenn da nicht plötzlich Maggie im Wege gestanden hätte. Er schwor sich nicht zu ruhen, bis Cremor tot war.

      Als er auf eine einsame Bauernhütte zukam, besann er sich auf seine Absicht spurlos zu verschwinden und abzuwarten, bis sich die Lage beruhigen würde. Die Hütte kam ihm verlassen vor, als er auf die Tür zuritt. Er verhielt sein Pferd und wartete. Er sah, dass schwacher Qualm aus der Luke im Dach emporstieg. Da musste jemand zu Hause sein. Er stieg vom Pferd. Im Pferch standen ein paar Rinder und glotzten, ein Schaf graste ungerührt.

      "Hallo, jemand da?"

      "Was willst du?" Die Stimme kam aus dem naheliegenden Gebüsch.

      "Ich will dir ein Geschäft vorschlagen. Du wirst davon profitieren."

      Der Bauer trat aus dem Schatten. Er trug zerfranste Hosen unter einem leinenen Hemd. Um seine Schultern hatte er einen gräulichen Umhang geschlungen. Eine verfilzte Kappe hing ihm in die Stirn. "Man kann niemandem trauen. Gehen wir hinein." Er öffnete die Tür und ließ Dougal den Vortritt.

      Dougal betrat den Kuhstall. Eine Kuh wandte ihm den Kopf zu. Er ging weiter in den Wohnraum, in dem das Torffeuer qualmte. Der Bauer klappte einen Stuhl auf und stellte ihn vor Dougal. Er selbst setzte sich auf den Boden. Dougals Nase stand im schwachen Rauch des erkaltenden Torfes.

      "Du bist ein Offizier", stellte der Bauer fest. "Es muss dir schlecht gehen, dass du mit mir verhandeln willst." Er stellte ihm einen Becher mit Wasser hin. "Oder nicht?"

      "Du scheinst auf der Hut zu sein. Recht hast du. Es kommen schlechte Zeiten