Die Frauen von Schloss Summerset. Ed Belser. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ed Belser
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844287097
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eine bronzene Glocke, an deren Klöppel hing ein Strick. Und wenn jemand daran zog, schallte der Glockenschlag bis in die Küche von Mary und sie eilte herbei und füllte jeweils die Tonkrüge der Bauern. Seit überall englische Soldaten umherzogen, musste sie viel öfter einen Arbeiter anweisen das Fass wieder nachzufüllen.

      Cremor kümmerte sich um die Einnahmen, um die Kunden und deren Belieferung, kaufte Gerste ein und Fässer. Man musste den Kunden nicht nachlaufen, sie kamen von selbst, viele aus dem Süden, gar von Edinburgh, und kauften ganze Fässer, um die Gäste ihrer Schlösser und Schenken zu bedienen. Seumas, der Jüngste von allen, war seine größte Stütze geworden. Der Junge war von morgens früh bis mittags unentwegt in der Brennerei unterwegs. Am Nachmittag wurde er von einem Lehrer unterrichtet; er war stets auf die Zeit bedacht, damit er anschließend wieder zurück in die Brennerei konnte. Seumas stand beim Müller bei den großen Mühlsteinen, wo die getrocknete Gerste gemahlen wurde, griff in das Mahlgut, sortierte die größeren und kleineren Bestandteile, schätzte den Anteil des Mehles, notierte alles in seinen Notizbüchern, die er stets bei sich trug — in einer Ledermappe, die an einem Riemen über seiner Schulter hing. Er gab dem Müller Anweisungen, wenn er einen feineren oder gröberen Mahlgang wünschte. Er griff in das Wasser, wo die Gerste zum Keimen eingeweicht wurde, holte eine Handvoll heraus und wenn Halm- und Wurzelkeim die Länge erreicht hatten, die er in seinem Buch vorgezeichnet hatte, gab er sie frei zum Trocknen auf dem Darrboden, um den Keimprozess zu beenden. Er überwachte die Feuerglut darunter, darauf bedacht, dass für eine bestimmte Menge Gerste in einem Fall völlig trockener, im anderen ziemlich feuchter Torf als Hitzespender verwendet wurde, notierte sich alles, um später auf dem Fass entsprechende Kennzeichen anbringen zu lassen. Er selbst hätte schon am Duft des reifenden Destillates erkannt, welche Art von Torf verwendet worden war. Wenn das gemahlene Gut in den großen Maischebecken aufgesetzt wurde, sah er beinahe stündlich nach, um den richtigen Zeitpunkt zu erkennen, wenn die Hefe des Bäckers zugegeben werden musste. Dann dauerte es nicht mehr lange und man hörte ihn mit lauter Stimme rufen: "Es schäumt! Kommt her zum Rühren!" Und ein oder zwei der Männer kamen mit langstieligen Schaufeln und versuchten, die wie kochend aussehende Brühe zu bändigen und am Überlaufen zu hindern. Er hatte sich mal einen Spaß daraus gemacht, einen neu angeheuerten Arbeiter aufzufordern die Nase über das Gärbecken zu halten und den Duft zu erkunden und brach in lautes Gelächter aus, als dieser zurückschreckte und entsetzt hustete. Es war seine Entscheidung gewesen, den Müller um die Bäckerhefe zu bitten und er war unnachgiebig, bis er auch die Hefe eines Bierbrauers in den Händen hatte und sie in ein zweites Gärbecken einlegte. Er hatte also zwei Hefearten zur Verfügung, zwei Möglichkeiten, und daraus wiederum je drei Möglichkeiten, nämlich einen, zwei oder drei Tage der Vergärung, das ergab zusammen sechs. Er hatte die Maische eingehend verkostet und festgestellt, dass sie mit jedem Tag süßer geworden war.

      Seumas war die Nase, kein Fass wurde weiter gelagert, wenn es nicht seine Ansprüche erfüllte. Der Whisky musste reifen, besser werden, komplexer, fruchtiger, aromatischer und feiner. Seumas scheute sich nicht ein Fass, das seine Vorstellungen nicht erfüllte, auszuleeren, von den Arbeitern zerlegen zu lassen und als Brennmaterial zu verwenden. Auf jedem Fass hatte Seumas mit Kalkmilch eine Zahl angebracht und führte umfangreiche Listen: Brennjahr, Holzart und Größe des Fasses. Herkunft der Gerste, Art und Dauer ihrer Trocknung, ob Holzfeuer, Torffeuer oder eine Mischung davon, Art und Herkunft der Hefe, ob des Bäckers oder des Brauers, Dauer des Einweichens und der Vergärung der Gerste, Mahlgrad — kurz: von allem, was das Destillat beeinflusste, wie er immer wieder mit Nachdruck erklärte, bevor es ins Fass kam. Und alle paar Monate beschnupperte er dessen Entwicklung, verbrachte verschiedene Muster zu Cremor. Kaum einmal legte er sich einen Tropfen auf die Zunge.

      Cremor hatte ihm einmal ein Kind eines Brennereiarbeiters gezeigt: "Whisky ist nichts für Kinder. Schau ihn dir genau an."

      Seumas war über dessen Kleinwüchsigkeit und Apathie erschrocken.

      "Er trank mehr Whisky als Milch und Wasser. Er wird früh sterben."

      Er hatte die Lektion verstanden. Nichtsdestotrotz — manchmal nahm er ein Glas Wasser und ließ ein paar Tropfen einfließen. Doch das bestätigte nur, was ihm seine empfindliche Nase bereits signalisiert hatte.

      Die Blair Mhor Distillery florierte unaufhaltsam. Als Lieferant des Südens und der Engländer genoss sie einen beinahe neutralen Status, doch Cremor traute der Sache nicht so recht. Der Wiederaufbau des Dorfes kam auch nicht voran. Als Laird of Blair Mhor war er Besitzer eines abgebrannten Dorfes, einer halbwegs intakten Kirche und etlicher Tonnen Steinbrocken, groben und behauenen. Die Zahl der Flüchtlinge, die Arbeit suchten, wuchs ständig, doch die Engländer würden dahinter eine neue Bastion der Highlander vermuten, wenn er sie anstellte um Blair Mhor wieder aufzubauen. Er musste sie abweisen und jeder Blick in ein enttäuschtes Gesicht schmerzte ihn. Was fehlte, war das Kostbarste: Bauholz. Die meisten Eichen schwammen auf den Weltmeeren. Der Bau eines großen Segelschiffes verschlang Hunderte von Jahrzehnte alten Bäumen. Und die Engländer benötigten viele Schiffe.

      Die einzigen Vertrauten, die Cremor auf Schloss Summerset noch hatte, waren Roderick und die Frasers — John Senior, der ehemalige Clan-Piper, und John Junior, sein Sohn und Nachfolger — die beide, jeder zu seiner Zeit, stets an der Seite von MacLennoch gewesen waren.

      Alan MacLennoch. Alan. Ohne ihn gäbe es keine Brennerei in Blair Mhor. Ohne ihn prangte nicht in jedem Raum des Schlosses ein Hirschgeweih an der Wand. Ohne ihn gäbe keine Dudelsackkapelle, ihrer Zeit weit voraus. Ohne Alan wäre er, Cremor, nach dem Tod von William nicht Laird of Blair Mhor geworden.

      Cremor machte sich auf zur Villa von John Fraser. Wie oft war er dort gewesen, um William und Mary zu besuchen und die kleine Maggie zu herzen. Cremor stellte einen mitgebrachten Krug auf den Schreibtisch. "Das Beste für dich, John, ein Schluck unseres ältesten Whiskys."

      John holte zwei Gläser hervor. "Ich kann einen Schluck gebrauchen." Er wirkte bedrückt.

      Cremor schenkte ein und sah ihn an. "Was ist los?"

      "Schlimmes, mein Freund. Wir warten bis Roderick da ist, dann werde ich euch berichten. Doch sprich, was kann ich für dich tun?"

      Cremor zögerte. "Ich brauche deinen Rat, John."

      Beide nippten an ihren Gläsern. Cremor sprach lange, John hörte aufmerksam zu.

      Dann lehnte er sich in seinem Stuhl zurück, das Glas in der linken Hand: "Du hast eigentlich nur zwei Probleme, Cremor. Eines davon hast du nicht angesprochen. Du hoffst immer noch, Margaret wiederzusehen, sonst hättest du doch längst eine Frau gefunden. Eine gute Partie wärest du." John schmunzelte. "Oder?"

      Cremor strich sich mit dem Finger über Kinn und Wangen. "Ich kann sie nicht vergessen. Sie wird wiederkommen."

      "Du weißt nichts über sie. Vielleicht ist sie verheiratet, hat viele Kinder. Vielleicht ist sie auch tot."

      "Denkst du oft an deine Frau?"

      Fraser sah auf. Sein Blick verdüsterte sich. "Immer. Aber sie ist tot. Margaret lebt."

      "Wirklich … ?" Cremor erhob sich.

      "Bleib ruhig sitzen. Du weißt gar nichts."

      Cremor ließ sich in den Stuhl zurückfallen und lehnte sich über den Schreibtisch zu John. "Du weißt auch nichts."

      "Was meinst du damit?"

      "Ich will dir etwas sagen. Weißt du, wer Maggies Vater ist?"

      John lächelte. "Wahrscheinlich Alan, oder?"

      "Ja, John, damit hat Schloss Summerset eigentlich eine Erbin mehr. Aber das ist nur die halbe Wahrheit."

      "Kennst du denn die ganze?" John sah angespannt.

      "Willst du wissen, wer die Mutter von Maggie war?"

      John schwieg, beugte sich jedoch vor.

      "Sie hieß Shauna. Sie war die Tochter von Margaret und Ronald MacAreagh!"

      Fraser lehnte sich abrupt zurück und schloss die Augen. "Wer weiß davon?"

      "Maggie. Und jetzt du."

      John